22.05.2024 - Theater Center Forum/ Wien
DER EINGEBILDETE KRANKE
Jean-Baptiste Poquelin alias Molière war ein französischer Schauspieler, Theaterdirektor und Dramatiker und einer der größten Autoren der Klassik, der die Komödie gleichwertig zur Tragödie etablierte. Sein letztes Werk DER EINGEBILDETE KRANKE zeigt die naive Medizingläubigkeit der reichen Gesellschaft und die finanzielle Ausbeutung durch deren Ärzte in überzeichneter Weise, ganz, wie es der Commedia dell´arte entspricht. Er war selbst oft krank und hat dadurch Erfahrungen mit Medizinern gesammelt. Es ist Ironie des Schicksals, dass er während der 4. Vorstellungen, bei der er die Hauptrolle verkörperte am 17.2.1673 verstarb.
Die Story:
Argan ist ein Hypochonder. Tägliche Hausbesuche seiner Ärzte, Pillen, Tinkturen und Einläufe stehen am Programm. Er ist regelrecht süchtig danach. Die Ärzte erkennen ihn als Einnahmequellen. So soll seine älteste Tochter Angelique (tragisch, komisch Katharina Smutny) gegen ihren Willen einen Mediziner heiraten, um Kosten zu sparen. Da sie jedoch Cleante (zurückhaltend charmant Lukas Millauer) liebt, versucht sein Umfeld ihn von seiner Hypochondrie zu befreien. Schließlich erkennt er die wahre Liebe seiner Tochter und entlarvt die Geldgier seiner Frau Beline (herrlich exzentrisch Viktoria Wais). Er entschließt sich unter Beeinflussung seines Bruders Beralde (Andreas Wutte) selbst Arzt zu werden.
Im Theater Center Forum fand am 22.5 die Premiere unter der Inszenierung von Rochus Millauer statt. Kammerspielartig, fokussiert auf die Grimassenkunst der Darsteller:innen wirkt die Inszenierung überzeichnet und grotesk. Herrlich sind die Darbietungen der Protagonistinnen und Protagonisten.
Jede Rolle wurde ideal besetzt, allen voran Peter Gulan in der Titelrolle. Seiner Besessenheit und seiner naiven Medizingläubigkeit verleiht er mit Gestik und Mimik eine dramatische und komische Wirkung. Er ist unfreiwillig komisch, da sein Schicksal objektiv betrachtet tragisch ist. Argan ist Opfer der Profitgier der Mediziner, die sich verweigern, Neues zu erlernen. Redegewand täuschen sie Kompetenz vor und spielen Verlässlichkeit vor, was Bernhardt Jammernegg als Arzt Diafoirus und Rechtsanwalt Bonnefoi ausdrucksstark verkörpert.
Dass Ärzte anders sind, wird am Beispiel von Thomas Diafoirus (Felix Millauer) manifestiert. Er lädt seine auserwählte Braut zu einer Sezierung ein.
Die heimliche Hausherrin ist Toinette, das Dienstmädchen Toinette (Natascha Shalaby). Sie spielt ihre Rolle frech und erfrischend. Mit ihrem bestimmenden Auftreten, aber auch Charme wickelt sie sogar den Hausherren um den Finger.
Anna Dangel beweist ihre Wandlungsfähigkeit als jüngste Tochter Louison und Dr. Purgon.
Die Prosakomödie über verzweifelte Liebende und derben Darmbeschwerden ist wahrlich unterhaltsam.
Das Ensemble spielt mit beeindruckender Ausdruckskraft. Die Kostüme sind modern, aber nostalgisch angehaucht. Das Bühnenbild ist statisch aber durchaus effektiv. TIsch, Bank und Hocker sind ausreichend. Die kleine Bühne macht die Inszenierung intimer, was durchaus Vorteilhaft ist. Molière wollte durch Unterhaltung die Menschen charakterlich verbessern. Mit DER EINGEBILDETE KRANKE ist ihm eine Komödie mit Tiefgang gelungen, die wunderbar im Theater Center Forum umgesetzt wurde.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer;
Fotos: Thomas Artenjak