23.07.2025 - Oper im Steinbruch/ St. Margarethen -Burgenland
Der fliegende Holländer
Wagner unter freiem Himmel
In der monumentalen Kulisse des Steinbruchs St. Margarethen wird in diesem Sommer erstmals ein Werk Richard Wagners zur Aufführung gebracht. Mit DER FLIEGENDE HOLLÄNDER trifft ein düster verdichtetes, mythologisch aufgeladenes Musikdrama auf schroffes Kalkgestein und das unberechenbare Wetter des Burgenlandes, ein künstlerisches Wagnis, das sich vor allem musikalisch auszahlt.
Die Oper erzählt die Legende eines verfluchten Seefahrers, der dazu verdammt ist, ewig über die Weltmeere zu irren. Nur alle sieben Jahre darf er an Land, in der Hoffnung, eine Frau zu finden, deren bedingungslose Treue ihn erlösen kann.
Wagners Komposition verbindet nordische Seemannssage, Erlösungsmythos und psychologisches Drama. Im Zentrum steht die Idee der Erlösung durch selbstlose Liebe, ein Motiv, das Wagner in späteren Werken weiterentwickeln sollte. Der fliegende Holländer markiert den Übergang vom traditionellen Musikdrama hin zur frühen Leitmotivtechnik. In dieser Partitur werden seelische Zustände hörbar, musikalische Strukturen übernehmen erzählerische Funktionen.
Die Idee zur Oper entstand 1839 während einer stürmischen Überfahrt von Riga nach London. Wagner, auf der Flucht vor Gläubigern, erlebte die Macht der See am eigenen Leib, ein biografisches Erlebnis, das sich unmittelbar in die Musik einschreibt. Der Sturm zu Beginn des ersten Akts ist weit mehr als nur dramatischer Auftakt. Er ist Ausdruck eines persönlichen Traumas und zugleich künstlerisches Statement. Die Uraufführung fand 1843 in Dresden statt.
Regisseur Philipp M. Krenn liest das Werk als düstere Seelenparabel. Momme Hinrichs’ Ausstattung verwandelt den Steinbruch mit projizierten Wellen, qualmenden Industrieschornsteinen, Live-Kameras, deren Bilder sich auf der künstlichen Steilküste spiegeln, in einen albtraumhaften Hafen der Zwischenwelten. Die Naturbühne wird dabei nicht nur zur Kulisse, sondern zum aktiven Teil der Inszenierung, bildmächtig, manchmal überbordend.
In der Rolle der Senta gelingt Johanni van Oostrum eine beeindruckende Gratwanderung. Ihr Sopran verbindet Durchschlagskraft mit feiner gestalterischer Kontrolle. Ihre Ballade singt sie mit technischer Souveränität und spürbarem Gespür für Sentas fiebrige Verlorenheit. Auch in den Konfrontationen mit dem Holländer bleibt sie präsent, ohne in Pathos zu verfallen. Diese Senta flüchtet sich nicht bloß in einen Mythos, sie trifft eine bewusste, tragische Entscheidung.
Tommi Hakala gestaltet den Holländer mit kraftvoll dunklem Bariton. Seine vokale Präsenz ist unbestritten, doch bleibt seine Figur emotional auf Distanz. Die innere Zerrissenheit des ewig Wandernden schimmert durch, ohne je ganz greifbar zu werden.
Dominick Valdés Chenes überzeugt als Erik mit klarem, leuchtendem Tenor. Er verleiht der oft undankbaren Figur emotionale Tiefe und macht den romantischen Rivalen zu einem glaubwürdigen Gegenpart.
Von den Hauptprtagonist:innen treten vor allem Jens-Erik Aasbø als Daland, Sentas Vater, mit kräftigem Bariton, sowie als Steuermann, Brian Michael Moore, positiv in Erscheinung.
Am Pult des Piedra Festivalorchesters führt Patrick Lange mit klarem Zugriff und feinem Gespür durch die differenziert strukturierte Partitur. Seine Tempowahl ist klug, die Artikulation präzise, die Klangfarben vielschichtig. Der Philharmonia Chor Wien unter der Leitung von Walter Zeh brilliert mit homogener Stimmkraft, besonders in den monumentalen Seemannschören und als geisterhafte Erscheinung im Finale.
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER erzählt von der Unmöglichkeit bedingungsloser Erlösung in einer entzauberten Welt und davon, dass absolute Treue im mythologischen Kontext nur noch als Wahnsinn denkbar ist. Die Inszenierung in St. Margarethen antwortet darauf mit apokalyptischer Bildsprache und großem musikalischen Atem.
Mit dieser Premiere betritt die Oper im Steinbruch neues Terrain, ein ambitionierter Schritt, der künstlerisch überzeugt und visuell kraftvolle Akzente setzt. Wer nach St. Margarethen kommt, erlebt Wagner als archaisches Naturereignis.
Die Oper ist noch bis zum 23. August im Steinbruch St. Margarethen zu erleben.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos Wolfgang Springer