Ruth Brauer-Kvam (Sally Durant Plummer)

25.04.2025 - Volksoper/ Wien

FOLLIES
Österreichische Erstaufführung

Mit FOLLIES bringt die Volksoper Wien einen Musicalklassiker von Stephen Sondheim und James Goldman auf die Bühne, der musikalisch wie emotional große Tiefe entfaltet. Inhaltlich dreht sich alles um Bühnenerfolge, zwischenmenschliche Auseinandersetzungen und eigenbrötlerischen Egoismus:

Drei Jahrzehnte nachdem Sally Plummer und Phyllis Stone als Showgirls der legendären Follies-Revue auftraten, kehren sie – ebenso wie ihre früheren Kollegen und jetzigen Ehepartner Benjamin und Buddy – anlässlich einer Gala in das Theater zurück. Begleitet werden sie von ihren Erinnerungen an die damalige Zeit auf und neben der Showbühne. Das Einsetzen der Hauptfiguren in Jung und Alt führt zu gesungenen Erinnerungen und szenischen Entwickungen, die Brüche zwischen Wunsch und Wirklichkeit sichtbar machen.

Martin G. Bergers Regie und die dramaturgische Klarheit von Magdalena Hoisbauer verweben diese Ebenen zu einem atmosphärisch dichten Abend über Glanz, Selbsttäuschung und Lebensbilanzen. Besonders gelungen ist die parallele Darstellung der Hauptfiguren in jung und alt: Projektionen von Vincent Stefan verschränken Erinnerungen und Gegenwart filmisch, während das Bühnengeschehen den inneren Zwiespalt szenisch erfahrbar macht. Das Bühnenbild von Sarah-Katharina Karl ermöglicht durch rotierende Elemente und geschichtete Raumstrukturen fließende Übergänge zwischen dem Damals und Jetzt.

Ruth Brauer-Kvam berührt als Sally Durant Plummer mit einer Darstellung, die zwischen brüchiger Hoffnung, sentimentaler Rückschau und emotionalem Zusammenbruch changiert. Sie verleiht der Figur eine zarte Verletzlichkeit, ohne je ins Klischee zu rutschen. Ihre Soli zählen zu den emotionalen Höhepunkten des Abends.

Bettina Mönch (Phyllis Rogers Stone), Drew Sarich (Benjamin Stone)

Bettina Mönch gibt Phyllis Rogers Stone eine präzise Mischung aus stilvoller Kälte und aufblitzender Verletzlichkeit. Ihr Spiel lebt von sarkastischer Eleganz, stimmlicher Ausdruckskraft, gespickt mit trockenem Witz und pointierten Gesten. In ruhigeren Momenten offenbart sie eine Figur, die zwischen Lebenslüge und Emanzipation balanciert.

Drew Sarich als Benjamin Stone ist einnehmend und widersprüchlich zugleich. Er spielt die Figur mit einem feinen Gespür für den inneren Zwiespalt zwischen Karriere, Kontrollbedürfnis und unterdrückter Reue. Seine Bühnenpräsenz ist souverän, seine stimmliche Leistung kraftvoll, ohne je aufdringlich zu wirken. Besonders eindrucksvoll ist das gesanglich wie dialogisch pointierte Zusammenspiel mit Bettina Mönch, das gekonnt zwischen Leichtigkeit, Spott und emotionaler Tiefe changiert.

Ruth Brauer-Kvam (Sally Durant Plummer), Peter Lesiak (Buddy Plummer)

Peter Lesiak bringt als Buddy Plummer eine tragikomische Tiefe auf die Bühne. Lesiak gelingt es, das emotionale Ungleichgewicht mit nuancierter Körpersprache und dynamischem Gesang glaubwürdig darzustellen. In Buddys wütenden und nahezu aggresiven Ausbrüchen bricht die mühsam aufrechterhaltene Fassade auf – ein Kontrast, der unter die Haut geht.

Die jüngeren Versionen der Hauptfiguren – dargestellt durch Juliette Khalil, Oliver Liebl, Teresa Jentsch und Samuel Türksoy – agieren stimmig, synchron und präzise. Ihr Zusammenspiel mit den Hauptfiguren der gespielten Gegenwart verleiht den Erinnerungen spürbare Intensität und Melancholie.
Auch das Ensemble trägt mit großer Spielfreude zur Gesamtwirkung bei. Besonders Sona MacDonald, Stefanie Dietrich, Martina Dorak und Ulrike Steinsky glänzen in prägnanten Nebenrollen, als enge Freunde der Hauptfiguren – ob mit Steppeinlagen, Operntimbre oder Witz, sie sorgen für Schwung, Schmunzeln und komödiantische Momente.

Juliette Khalil (Junge Sally), Drew Sarich (Benjamin Stone), Ruth Brauer-Kvam (Sally Durant-Plummer), Oliver Liebl (Junger Ben)

Das Orchester unter Michael Papadopoulos bewältigt Sondheims anspruchsvolle Partitur mit Brillanz – mal zart, mal jazzig fordernd, stets ausdrucksstark. Das Sounddesign von Martin Lukesch ergänzt die orchestrale Leistung wirkungsvoll und unaufdringlich.

Die Choreografien von Marie-Christin Zeisset greifen die Emotionen tänzerisch auf – stilvoll, erzählend, punktgenau. Unterstrichen werden sie von Alexander Djurkov Hotters Kostüme, welche präzise zwischen nostalgischer Revue-Ästhetik und Alltagsrealismus balancieren.

Trotz kleiner Längen im ersten Akt überzeugt FOLLIES an der Volksoper Wien als elegant inszenierter, musikalisch starker und emotional vielschichtiger Abend. Zwischen Ernst und Leichtigkeit verhandelt das Stück Vergänglichkeit und Lebenslügen – getragen von einem brillanten Orchester, starker Besetzung, schwungvollen Steppnummern und jazziger Atmosphäre.

5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Sophia Kriwanek; Fotos: Barbara Pálffy-Volksoper Wien

  • Eva Zamostny (Junge Solange), Martina Dorak (Solange La Fitte)
  • Julia Koci (Hattie Walker), Angelika Ratej (Junge Hattie)
  • Juliette Khalil (Junge Sally), Oliver Liebl (Junger Ben)
  • Melanie Böhm (Junge Carlotta), Sona MacDonald (Carlotta Campion)
  • Robin Poell (Theodore Whitman), Marie-Christin Zeisset (Emily Whitman), Ensemble
  • Ruth Brauer-Kvam (Sally Durant-Plummer), Peter Lesiak (Buddy Plummer)2
  • Samuel Türksoy (Junger Buddy), Peter Lesiak (Buddy Plummer)
  • Bettina Mönch (Phyllis Rogers Stone), Ensemble
  • Ulrike Steinsky (Heidi Schiller), Alexandra Flood (Junge Heidi)
  • Bettina Mönch (Phyllis Rogers-Stone)
  • Drew Sarich (Benjamin Stone), Bettina Mönch (Phyllis Rogers-Stone)
  • Ensemble 1
  • Ensemble 2
  • Ensemble 3
  • Ensemble 4


www.volksoper.at



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