29.12.2023 - Musiktheater Linz/ OÖ
TOOTSIE - Das Musical
Das Broadway-Musical TOOTSIE, verfasst mit Musik und Liedtexten von David Yazbek und einem Buch von Robert Horn (deutsche Übersetzung Roman Hinze), hat seine Grundlage im gleichnamigen amerikanischen Film von 1982. Dieser wurde von Larry Gelbart, Murray Schisgal und Don McGuire geschrieben und rahmt die Handlung in eine Seifenoper ein, gegensätzlich dazu bietet die Musical-Kulisse den Kontext einer Theateraufführung.
Auch bei der österreichischen Erstaufführung am Landestheater Linz (Inszenierung: Ulrich Wiggers; Dramaturgie: Arne Beeker) wird der Fokus auf den Schaffensweg des hoffnungslos erfolglosen Schauspielers Michael Dorsey (Gernot Romic) gelegt. Gepaart mit seinem schwierigen Ruf, treibt Michael die Verzweiflung dazu, eine neue Identität als Frau anzunehmen, Dorothy Michaels wird erschaffen. Als jene schnell und reibungslos eine Rolle in einer neuen Musical-Adaption ergattert, häufen sich die Probleme – jede und jeder in seinem Umfeld stellt ihn vor neue Herausforderungen, allen voran das neue Alter Ego: Dorothy Michaels. Kurz vor der Premiere der neuen Musical-Adaption häufen sich die Lügen unausweichlich, vor Michael liegt die anspruchsvolle Wahl: Soll er seine wahre Identität als Michael Dorsey offenbaren und dadurch sein berufliches Fortkommen aufs Spiel setzen, oder soll er die Rolle seines Lebens weiterhin aufrechterhalten?
Gernot Romic fesselt mit seiner stimmlichen, als auch schauspielerischen Breite an Emotionen und Fluidität. Die sekundenschnellen Kostümwechsel und stimmlichen Herausforderungen werden beeindruckend leicht von Romic umgesetzt. Beginnend als Michael, über seine geschaffene Kunstfigur Dorothy, schlussendlich einen Kompromiss findend für sein zerrissenes Ich – Gernot Romic schafft es zu jedem Zeitpunkt nahbar und vollumfänglich überzeugend das Publikum einzunehmen.
Sanne Mieloo bringt eine ebenso breite Gefühlslage auf die Linzer Bühne. Als träumerische Bühnenpartnerin Julie Nichols erfährt sie eine Achterbahnfahrt der Gefühle, welche eindrucksvoll vom Publikum aufgenommen und mitgefühlt wird. Stimmlich lässt Mieloo mit ihrem klaren Soprano aufhorchen, welchen sie mit einer Prise groovigem Soul verfeinert.
Celina dos Santos (Sandy Lester) und Karsten Kenzel (Jeff Slater) runden Micheal Dorseys unmittelbare Umgebung ab, als seine engsten Freunde stehen sie ihm mit (ungefragtem) Rat und Tat zur Seite. Beide überzeugen mit ihrer Bühnenpräsenz und besonders gut gelungen sind die jeweiligen Solo-Nummern, die das Publikum mit viel Applaus honoriert. Als dümmlicher Max Van Horn sorgt Christian Fröhlich für viel Lachen im Publikum, seine spärlichen gesanglichen Einlagen sind einwandfrei und stimmungsgeladen. Enrico Treuse bleibt nachhaltig als aufgedrehter und narzisstischer Regisseur Ron Carlisle im Gedächtnis. Daniela Dett spielt als selbstbewusste Produzentin Rita Marshall auf ihrem gewohnt hohem stimmlichen, als auch schauspielerischen Niveau.
Das stimmig ergänzende Ensemble (Alexandra-Yoana Alexandrova, Alexandra Frenkel, Christian Funk, Laura Araiza Inasaridse, Valerie Luksch, Max Niemeyer, Verena Nothegger, Kevin Reichmann, Susanne Rietz, Lukas Sandmann, Stefan Schmitz, Davide Venier und Matteo Vigna) ist jeweils in mehreren Rollen eingesetzt und wird durch die energetischen Choreografien (Kati Heidebrecht) auf Trab gehalten.
TOOTSIE am Landestheater Linz behandelt das ganz persönliche Auf und Ab von Michael Dorsey, welches untermalt wird von charmant eingesetzten Kostümen (Franz Blumauer), passenden Lichteffekten (Michael Grundner) und praktischen Bühnenelementen (Leif-Erik Heine). Eben jene lassen das klangvoll dynamische Orchester (Musikalische Leitung: Tom Bitterlich) im Bühnenhintergrund, auf einem überdimensionalen Kosmetikkoffer, erstrahlen.
In der aktuell ebenfalls laufenden Produktion am Landestheater "School of Rock" (Kritik ebenfalls auf musicalcocktail veröffentlicht) wird vergeblich nach Gernot Romic auf der Besetzungsliste gesucht. Umso mehr freut es, den Tenor in voller Pracht als Hauptrolle in TOOTSIE hören und sehen zu können. Die Spielfreude, der Elan, die stimmliche Präzision – Gernot Romic bringt geschlechterunabhängige Höchstleistungen auf die Bühne, welche durch die weiteren Rollen verfeinert und unterstützt werden. Ein Theaterabend der zum Lachen, Schmunzeln und Reflektieren anregt, mit abschließenden wohlverdienten standing ovations vom Publikum.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Sophia Kriwanek; Fotos: Herwig Prammer
www.landestheater-linz.at/musiktheater
20.12.2023 - Stadttheater Mödling/ NÖ
Marlene Dietrich & Friedrich Torberg
Schreib. Nein, schreib nicht
mit Chris Lohner und Erwin Steinhauer
Eine über 30-jährige Brieffreundschaft, die mit über 100 Korrespondenzen für die Nachwelt manifestiert ist.: Schauspielerin und Sängerin Marlene Dietrich und Schriftsteller, Journalist, Publizist, Drehbuchautor und Herausgeber Friedrich Torberg.
1937 lernten sich die beiden in St Gilgen am Wolfgangsee im Salzburgischen Salzkammergut kennen. Als er im amerikanischen Exil lebte, begann diese innige Freundschaft, welche ein ganzes Leben andauern sollte. Marlene Dietrich hatte es ihm angetan und umgekehrt ebenso. Ihm konnte sie ihr Innerstes zu Teil werden lassen, ihre Versagensängste und Depressionen. Er spendete ihr Trost und Rat, reagierte oftmals aber auch eifersüchtig. Dieser intensive Briefwechsel blieb Großteils im Nachlass von Friedrich Torberg erhalten, der sich in der Bibliothek im Wiener Rathaus befindet. Daraus wurde das Buch „Schreib. Nein, schreib nicht.“ verfasst.
Zwei ebesno interessante österreichische Persönlichkeiten sind zurzeit mit dem für die Bühne adaptierten Werk an verschiedenen Spielstätten zu sehen. So auch am 20.12. im Stadttheater Mödling. Marlene Dietrich und Friedrich Torberg sind Paraderollen für Chris Lohner und Erwin Steinhauer. Sie hoffen, reagieren zynisch, sarkastisch, suchen Rat und geben Halt, verzweifeln, hoffen und verletzen sich dennoch gegenseitig. Es ist eine leidenschaftliche Beziehung mit Höhen und Tiefen.
Chris Lohner interpretiert Dietrich sehr kühl, wie es einer Hollywood- und Stilikone entspricht, die auch mal sechs Monate für einen Antwortbrief braucht, was Torberg wahnsinnig macht.
Erwin Steinhauer ist der leidenschaftliche Torberg, mal Ratgeber, mal von Sarkasmus geprägt. Von der ersten Minute wird man von den beiden Künstlern abgeholt und durch die emotionale und faszinierende Brieffreundschaft zweier tiefverbundener Menschen berührt.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
19.12.2023 - Vindobona/ Wien
Weihnachtsengel küsst man nicht
ein Musical von Rory Six
Kurz vor dem Heiligen Abend gastierte im Vindobona das weihnachtliche Beziehungs-Comedy-Musical von Rory Six, WEIHNACHTSENGEL KÜSST MAN NICHT, frei nach dem Bestseller von Sophie Andresky.
Bereits vor einigen Jahren lief ein mit deutschsprachigen Stars besetzter Film in den Kinos, der wegen der dünnen Story nur wenig Anklang bei Publikum und Presse fand.
Rory Six hat die Geschichte ein wenig überarbeitet, nochmals entschlackt und mit selbst geschriebenen Songs etwas aufgewertet. So ist ein kurzweiliges, aber amüsantes Musical entstanden, dass sich sehr gut in die Riege der unzähligen Netflix-Weihnachtsfilme einreihen lässt. So dürfen große Balladen ebenso wenig fehlen, wie witzige und heitere, wie der Ohrwurm „Drag Drag Christmas“. - Wie der Titel schon sagt, wurde eine Drag Queen als Freundin eingebaut.
Es ist das übliche Schema: Zwei Menschen, die füreinander schon im Vorhinein bestimmt sind, müssen erst durch Wirrungen erkennen, dass sie zueinander gehören. Meistens sind es Menschen, deren Gegensätze nicht größer sein könnten. So auch hier. Lina, ein ehemaliges „Prada“-Model, das schon in die Jahre gekommen ist und sich nun für Salami-Werbung vor die Kamera stellen muss. Rudi, ein Rentierzüchter, ist bodenständig, lebt in einer ganz anderen Welt und stellt sich beim Flirten nicht sehr geschickt an.
Als Buffo-Paar, das sich ebenfalls erst im Laufe der Zeit körperlich näherkommt, agiert Annette (Katrin Mersch), die Agentin von Linda und Manfred (Wolfgang Postlbauer), der Freund von Rudi. Nach einigen Irrungen finden alle Beteiligten den Weg zueinander und Weihnachten ist gerettet.
WEIHNACHTSENGEL KÜSST MAN NICHT ist ein unterhaltsames und leichtes Musical mit Linda Hold und Rory Six als eine Idealbesetzung. Sie, extrem quirlig und aufgedreht und er ruhig und gelassen.
Interessanter, weil auch komischer, Katrin Mersch als Annette und Wolfgang Postlbauer als Manfred. Auch wenn sich beide schon von Beginn an anziehend finden, braucht es seine Zeit, bis man sich einig wird. Wolfgang Postlbauers genialer Auftritt als halb nackter Weihnachtsmann ist dabei durchaus hilfreich.
Überaus wandlungsfähig Arthur Büscher, der sich als Fotograf, verschmähtes Blinddate und Drag Queen profilierte.
WEIHNACHTSENGEL KÜSST MAN NICHT bietet kurzweilige Unterhaltung und ist eine willkommene Abwechslung in der stressigen Weihnachtszeit.
4 von 6 Sternen: ★★★★
Kritik & Fotos: Wolfgang Springer
16.12.2023 - Schloss Neugebäude/ Wien
Weihnachten ist eine schöne Zeit
mit René Rumpold und Johannes Terne
Am 16. Dezember luden René Rumpold, Johannes Terne und Axel Ramerseder am Klavier mit ihrem Programm „Weihnachten ist eine schöne Zeit“ ins stimmungsvolle Renaissance Schloss Neugebäude.
Im spätmittelalterlichen Gebäude, welches von Kaiser Maximilian II. in Auftrag gegeben wurde, erfreuten die drei Künstler ihr Publikum mit einem heiteren, besinnlichen und nachdenklichen Abend mit traditionellen Weihnachtsliedern und bekannten als auch unbekannten Weihnachtsgeschichten und Gedichten. So durfte „Die Geschichte vom Lametta“ genauso wie „Advent“ von Loriot nicht fehlen, aber auch beängstigende Zukunftsszenarien, in denen Kinder nicht wissen was ein echter Baum, geschweige Weihnachten ist. Zweimal griff Johannes Terne zu seinem Akkordeon und bewies auch hier sein Talent.
Beendet wurde der Abend stimmungsvoll mit „Stille Nacht“, bei dem das Publikum freudig miteinstimmte.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
10.12.2023 - Das Vindobona/ Wien
Alexander Goebels Weihnachtsshow
Er ist Schauspieler, Musicaldarsteller, Kabarettist und Radiomacher: Alexander Goebel. Seine Wiener Phantom-Darstellung ist genauso legendär, wie seine Stimme als Jack in dem Stop-Motion Film von Tim Burton, „Nightmare Before Christmas“.
Der gebürtige Deutsche ist so vielseitig, dass man ihn nicht in eine Schublade stecken kann. Und so breit gefächert ist auch seine Weihnachtsshow: Heiter, besinnlich, tiefgründig, wie oberflächlich. Einerseits parodiert er André Heller mit seinem Bilderrahmenskandal, anderseits fragt er sich ob in der Produktbewertung befriedigend bei einem Vibrator besser ist als gut. Dass er Absolvent des Max Reinhard Seminars ist, merkt man in seinen Rollenspielen und Lesungen. Meist geht es in seinen Geschichten um zwischenmenschliche Beziehungen, vor allem zwischen Piefke und Wienern. Er selbst seit 1975 von Wien adoptiert, wie er es selbst nennt, erzählte in seiner Show über seine anfänglichen sprachlichen Hürden. Der Wiener Dialekt klang für ihn wie Suaheli. Mit großer Empörung endete der erste Würstelstandbesuch, als er gefragt wurde, ob er ein Scharfer oder Süßer wäre. Mittlerweilen kennt er die Wiener Senfgewohnheiten.
Natürlich gab es auch weihnachtliches in Form von Geschichten und Liedern. Auch hier war die Songauswahl breit gefächert. Highlight seine deutsche Übersetzung zu „Halleluja“.
Mit Humor griff er die Problematik von Bitcoin, Amazon, KI, Religionszwist, Gut und Böse, Gott und Teufel auf. Tiefgründig aber immer mit einem großen Augenzwinkern.
Dass er letzten Monat seinen 70iger feierte, merkt man ihm nicht an. Alexander Goebel scheint zeitlos zu sein. Er strotz vor Energie und beweist starke Bühnenpräsenz. Hatte er ja schon 1986 auf einer Single verlautbart, dass sein Körper der nackte Wahnsinn sei.
Oft sind seine Anekdoten aus dem Leben gegriffen, sodass sich jeder einzelne angesprochen fühlt, wie etwa beim Tixo-Inferno, schließlich kennt jeder das Problem des immer dünner werdenden Tixo-Endes und des anschließenden Fiaskos.
Der Abend mit dem Ausnahmekünstler im Vindobona war kurzweilig, heiter und besinnlich und eine Abwechslung zu den üblichen Weihnachtsshows.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
05.12.2023 - Globe/ Wien
EBERHOFER unterwegs
Die Oma wird ned g´schubst
mit Rita Falk, Christian Tramitz, Florian Wagner
Sie hat alles, was man sich wünschen kann: Ein treues Millionenpublikum als Leser:innen als auch Kinobesucher:innen: Rita Falk, Autorin der Provinzkrimi-Reihe rund um den Dorfpolizisten Franz Eberhofer, der mit seinem Hippie Vater auf dem Hof seiner schwerhörigen Oma lebt. Mittlerweilen gibt es bereits elf Bücher und neun erfolgreiche Filme. Am 18.12. erscheint die bislang letzte Verfilmung REHRAGOUT-RENDEZVOUS (Vertrieb Österreich: Hoanzl GmbH). Grund genug, mit der Hörbuchstimme von Christian Tramitz und dem Moderator Florian Wagner eine Lesetour der besonderen Art zu gestalten. Am 5. Dezember waren sie im Wiener Globe zu Gast.
Neben kurzen Leseproben aus älteren Romanen und dem neuestens Werkes STECKERLFISCH-FIASKO sind es die Geschichten hinter den Geschichten, die den Abend so besonders machen, denn sie nehmen sich selbst nicht so ernst.
Rita Falk trifft mit ihren Büchern und Figuren den Zeitgeist, schreibt so, wie der Bayer spricht und denkt. Das die Bücher humorvoll sind, ist eine Sache, dass sie selbst ein Showtalent ist, ist eine andere Sache. Es wurde aus dem Nähkästchen geplaudert, auf witzige und ironische Weise. So wird über ihre Schreibblockade genauso heiter erzählt, wie die bayerische Kulturpreisverleihung, die bei MacDonalds in Abendgarderobe endete. Aber selbst die Fahrten zu den Veranstaltungen sind ein Erlebnis. Da ist schon mal an der bayerischen-österreichischen Grenze von den Beamten gerufen worden, dass der „Hubsi“ da wäre (Christian Tramitz spielt äußerst erfolgreich die Titelrolle in der Krimiserie „Hubert ohne Staller“). Man erfuhr über Rita Falks Vorlieben zu Baumärkten und dass sie bereits von zwei Freunden nicht mehr allein in ein Restaurant eingeladen wird. Sobald nämlich am Nachbartisch geplaudert wird, sind ihre Ohren schon ganz auf dem Nebentisch gerichtet. Schließlich könnte dieser ja neuen Stoff für das nächste Buch liefern. Dass unter ihren Bekannten auch ein Gerichtsmediziner ist, hat natürlich auch Vorteile, schließlich musste sie ja wissen, das verbranntes Schweinfleich genauso riecht, wie verbranntes Menschenfleisch. Inspiriert wird sie auch von „Akte XY ungelöst“.
Christian Tramitz verriet, dass er sich für die Hörbücher nicht vorbereitet, sondern gleich loslegt.
Immer wieder wird das Publikum miteinbezogen, sei es mit einem Eberhofer-Quiz, oder Erklärungen für Eberhofer-Frischlinge, die sich zufälligen in die Veranstaltung verirrt haben. Einen fanden sie auch in Wien in der ersten Reihe und wurde immer wieder in die Gespräche eingebunden.
Rita Falk sprach auch die Diskrepanzen mit dem Produktionsteam der Filmreihe an. Im Sommer hatte sie sich in einem Interview vom aktuellen Streifen distanziert und das Ende stand im Raum. Da ist das letzte Wort nun doch nicht gesprochen. Derzeit finden konstruktive Gespräche statt. Auch hinsichtlich des riesen Erfolges von REHRAGOUT-RENDEZVOUS wäre eine Fortsetzung in aller Interesse.
„Eberhofer unterwegs: Die Oma wird ned g´schubst“ war ein kurzweiliger, heiterer Abend, der auch mit vielen unvorbereiteten Situationen für Lacher sorgte.
Im Foyer konnte man sich passenderweise mit einer Leberkässemmel verköstigen. Nach der Vorstellung standen die drei geduldig für Fotos oder Autogramme bereit.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
30.11.2023 - Schönbrunner Stöckl/ Wien
ZWEI ENGERLN UND EIN HALLELUJA
Pathetisch mit einem „Halleluja“ stimmen die zwei Engerln Tamara Trojani und Ekaterina Krylova das Weihnachtsprogramm im Schönbrunner Stöckl an. Doch Konstantin Schenk stutz ihnen die Flügerln. Er hat demokratisch beschlossen, heuer ohne Nüsse- und Flötenvorspiel gleich zum Höhepunkt zu kommen – nämlich zu den Geschenken. Denn am 25. Dezember wurde der römische Sonnengott Sol Invictus gehuldigt. Wann Jesus geboren wurde, weiß man ja bekanntlich nicht so genau. Der 24. Dezember hingegen war früher ein Gedenktag an Adam und Eva. Baum, Schmuck (Äpfel/ Christbaumkugeln) und Schwiegermutter sind Symbole des Sündenfalls. Dass die Schwiegermutter die Schlange ist, erheiterte das Publikum, genauso wie die spätere Geschichte vom 4. Hl. König aus Böhmen, der dem Jesuskind einen Quargel zur Geburt mitbringt. Schlagartig war der Weihnachtszauber aber vorbei und das Publikum wurde mit „Beiß nicht in jeden Apfel!“ von dessen Gefährlichkeit gewarnt.
Das Programm steht unter dem Motto „Wünsch dir was“. An den Tischen liegen Zettel, auf denen die Gäste ihre Wünsche für Weihnachten ankreuzen sollen - Liebe, ewige Jugend oder Freundschaft, sind nur drei von etlichen Möglichkeiten ankreuzen. Für jeden gezogenen Wunsch, hat das Trio ein passendes Lied, wie „The Rose“, ein Abba-Medley, „Maybe This Time“ oder mit „66 Jahren“ im Repertoire. Der „Big Spender“ des Premierenabends war „Baulöwe“ Richard Lugner, der von den zwei Engerl auf der Bühne verführt wurde. Für viele heitere Momente sorgt Konstantin Schenk, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit Witze und Anekdoten zum Besten gibt. Zwischen den Showblöcken wurde man kulinarisch mit einem wunderbaren 4-Gänge-Menü verwöhnt.
ZWEI ENGELRN UND EIN HALLELUJA ist die neue, bunte und musikalische und heitere Crazy Christmas Show von den Künstlerwirtsleuten Tamara Trojani & Konstantin Schenk, sowie Gaststar Ekaterina Krylova. Geboten wird ein Programm, das bestens unterhält und schmackhafte Gerichte, welche den Gaumen verwöhnen.
ZWEI ENGELRN UND EIN HALLELUJA, noch am 14., 15. und 16. Dezember im Schönbrunner Stöckl zu sehen.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
29.11.2023 - Das Vindobona/ Wien
UTE LEMPER:
Die Zeitreisende - Zwischen Gestern und Morgen
Ute Lemper ist ein Weltstar und ein ganz außergewöhnlicher Mensch. Dies zeigt sich in ihrer Autobiographie „DIE ZEITREISENDE, zwischen Gestern und Morgen“ (Gräfe und Unzer Verlag GmbH) und hautnah am Abend des 29. November im Das Vindobona. Es war eine Mischung aus Lesung und Erzählungen. Am Klavier wurde sie vom musikalischen Leiter der Vereinigten Bühnen Wien, Michael Römer begleitet, den sie erst am Nachmittag das erste Mal zu Proben getroffen hatte. Zusammen bildeten sie eine perfekt homogene musikalische Einheit. Er hat wohl das schönste Kompliment des Abends bekommen: „Michael, wo warst du mein ganzes Leben“. Und es war/ist ein Leben voller Höhen und Tiefen, die sie zu dieser starken, charismatischen Persönlichkeit formten – rebellisch, frei, offen und reflektiert. Sie selbst sagt, dass ihr Leben aus zwei Existenzen besteht, die ein unmöglicher Balanceakt zwischen Mutter sein und Bühnenkarriere sind und die viele Opfer von ihr abverlangten.
Das Buch ist keine Aufzählung der Stationen ihres bewegten Lebens, es ist ein Buch, das zu ihrer Seele führt, philosophisch und intim, voller Gedanken und Erinnerungen.
Sie las das Kapitel über Wien, ihre Anfänge bei „Cats“, die sie als freier Fall verspürte. Dennoch drückte Wien auf die Seele und so zog sie weiter nach Berlin und wurde „Peter Pan“.
Mit Ausbruch von AIDS verlor sie viele geliebte Freunde. Hilflos musste sie zusehen, wie sie nach und nach starben. Aber auch die persönliche Aufarbeitung des Holocaust prägte sie sehr und war glücklich das Liedgut der Weimarer Republik aufnehmen zu dürfen. Natürlich ist ein großes Kapitel Marlene Dietrich gewidmet. Mit 24 Jahren führte sie ein Telefonat mit DER Dietrich. Frech schrieb sie ihr einen Brief und vier Wochen später kam der Rückruf Marlene Dietrichs. Zehn Tage bevor sie als Marlene auf der Bühne stand, starb die Dietrich. Sie erwies ihr die letzte Ehre mit einer Rose an ihrem Grab.
Aber sie sprach auch die Schattenseiten an, die eine Weltkarriere abverlangt. Die verlorene Zeit mit ihrer Mutter bewegt sie sichtlich heute noch. Ute Lemper berührt das Publikum mit ihrer Verletzlichkeit. Ein ganz intimer Augenblick einer sympathischen Frau, der nicht gespielt war. Und dennoch brennt sie lichterloh für die Kunst. Mitten im Leben betrachtet sie die Geschehnisse kritisch, ist offen und reflektiert sich und die Umwelt. Mit ihrer außergewöhnlichen Bühnenpräsenz zieht sie das Publikum vom ersten Augenblick in ihren Bann. Ein Abend, den man nicht so schnell vergisst.
Am 18. März hat man nochmals die Gelegenheit Ute Lemper in Wien im Das Vindobona zu sehen, dann als Marlene. Ein Termin, den man nicht versäumen sollte.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Michaela Springer;
Fotos: Wolfgang Springer
Der musicalcocktail verlost 1x das Buch DIE ZEITREISENDE
bis 17.12.2023 !
Teilnehmen kannst du auf unserer Buch-Tipps-Seite, wenn du auf das Buchcover klickst.
28.11.2023 - Das Vindobona/ Wien
DINNER BEFORE CHRISTMAS
Seien wir mal ehrlich: Für die Wenigsten ist die Weihnachtszeit die besinnlichste und ruhigste Zeit des Jahres. Wir peinigen uns selbst mit endlosen, langen to to-Listen. Umso wohltuender ist es für Geist und Seele, einmal bewusst einen Gang runterzuschalten, sich kulinarisch und kulturell etwas Gutes zu tun und sich für ungefähr drei Stunden auf den wahren Zauber der Adventzeit einzulassen. Und genau dafür steht das DINNER BEFORE CHRISTMAS im Vindobona – eine Auszeit vom Weihnachtsstress, abschalten und genießen.
Unter der Regie von Rita Sereinig entstand ein heiteres, besinnliches aber auch nachdenkliches vorweihnachtliches Programm mit Sabrina Seibert, Sarah Zippusch, Maximilian Vogel und Konstantin Zander. Das „Duo Aquarius“ (Marlies und Walter Holecek) rundet das Programm mit ihrer atemberaubenden Akrobatik ab. Sie versetzen mit ihrer Performance das Publikum in Staunen. Unvorstellbar, was die beiden mit ihrer Körperkraft zu leisten vermögen.
Maximilian Vogel übernimmt die witzigen Parts, sei als kleiner Wichtel oder mit seinem so gar nicht dezenten Weihnachtspulli. Sarah Zippusch singt wienerisch so manch Anwesenden aus der Seele mit „Kana braucht bei uns den Santa Claus“. Sabrina Seibert und Konstantin Zander schwebten mit Tanzeinlagen über die Bühne und übernehmen so den romantischen Teil.
Das Programm ist vielfältig und stimmig. Vom meist gehassten Song „Last Christmas“ in einer interessanten Version von Sabrina Seibert über „Somewhere in My Memory“ bis hin zu „We Wish You A Merry Christmas“. Es gab auch „Ausreißer“ wie „When You Believe“ aus dem Animationsfilm „Der Prinz von Ägypten“, „Let It Go“ („Die Eiskönigin“) oder der wunderschöne Choral „Bethlehem“ aus dem Boublil/Schönberg-Musical „Martin Guerre“. Die musikalische Leitung liegt in den fähigen Händen von Andreas Brencic, der das vom Band gespielte Orchester am Klavier begleitet.
Zwischen den Showblöcken wird man mit einem schmackhaften 3-gängigen Menü verwöhnt – zur Auswahl mit Lachs zur Hauptspeise oder mit gegrilltem Ziegenkäse.
Das DINNER BEFORE CHRISTMAS ist eine ideale Einstimmung für die Vorweihnachtzeit.
Einmal durchatmen und genießen – noch am 8.12./ 9.12./ 13.12./ 15.12. und 16.12..
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
09.11.2023 - Komödie am Kai/ Wien
GOLDEN GIRLS, Teil 2
Die (Wiener) GOLDEN GIRLS sind in alter Frische in der Komödie am Kai zurück - diesmal noch witziger und sarkastischer.
Die GOLDEN GIRLS sind Kult! Mit 180 Episoden begeisterten sie von 1985 bis 1992 ein Millionen Fernsehpublikum um den Erdball. Rue McClanahan, Betty White, Beatrice Arthur und Estelle Getty verkörperten ein ganz anderes Frauenbild und waren ein Gegenstück zu „Sex in the City“, „Dallas“ und „Denver Clan“, weit weg von den Reichen und Schönen. Ihre Charaktere waren so unterschiedlich, wie sie nur sein können, überzeichnet und dennoch konnte man sich mit ihnen identifizieren. Ihr sarkastischer Humor und ihre Lebensweise mit denen sie ihre Probleme im fortgeschrittenen Alter meisterten waren erfrischend neu. Viele Tabuthemen wurden mit Leichtigkeit und viel Käsekuchen aufgegriffen. Diskriminierung, Homosexualität, Altersisolation, Wechseljahre, oder Sex im fortgeschrittenen Alter beschäftigten dieses Quartett, das lebensbejahend in die Zukunft blickte. Die vier wurden Vorbilder für Frauen über 60, denn es ist nicht notwendig sich vor dem Alter zu fürchten.
Nach dem großen Erfolg des ersten Teils der Bühnenadaption war Irene Budischowsky die treibende Kraft für den zweiten und hoffentlich nicht letzten Teil. Schließlich gibt es, wie bereits erwähnt, 180 Folgen. Mit vier neuen Episoden feierte der zweite Teil am 9. November Premiere in der Komödie am Kai. Mit spannenden und skurrilen Momenten ist es ein Anschlag auf die Lachmuskeln. Eine Pointe folgt auf die andere. Besonders Margot Ganser-Skofic hat als Sophie viele Lacher auf ihrer Seite. Mit perfektem Timing und verschmitztem Lächeln gibt es in ihren Nebensätzen gekonnt gesetzte Spitzen gegen all ihre Mitbewohnerinnen.
Ulli Fessl ist eine wunderbar naive Rose, die auch im fortgeschrittenen Alter ihre mädchenhafte Aufgewecktheit glaubhaft behalten hat.
Edith Leyrer als Blanche interpretiert die Rolle auf ihre eigene Weise und macht sie sich eigen. Ihr Männerverschleiß und ihr Drang ewiger Jugend ist köstlich amüsant anzusehen. Mit dem Ausspruch sie möchte alt werden, aber ihr Aussehen soll gleichbleiben, spricht sie vielen Frauen aus der Seele.
Einen trockenen Humor versprüht Irene Budischowsky als Dorthy. Großartig, wie sie ruhig und gelassen ihre zynischen Bemerkungen fallen lässt. Ihr abschließender Mutter-Tochter-Auftritt mit Margot Ganser-Skofic als Cher und Bono wird zum Highlight.
Die Umzüge und auch Episoden werden mit akustischen Werbeeinschaltungen der 1980iger und 1990iger Jahre getrennt. Milka, McDonalds und Udo Jürgens mit seiner Versicherungs-Werbung amüsiert das Publikum. Ein origineller Regieeinfall, von Christian Spatzek, der im Stück auch als Schönheitschirurg und Anwalt seine Auftritte hat.
Der gebürtige Ire Patrick Philips tritt als außereheliches Kind von Blanches Mann unerwartet in Erscheinung und bringt neben der Heiterkeit auch etwas Drama in die Damen-WG.
GOLDEN GIRLS Teil 2 ist ein Anschlag auf die Lachmuskeln, kurzweilig, humorvoll, sarkastisch, aber auch tiefgründig mit Leichtigkeit. Ein Tipp, nicht nur für GOLDEN GIRL-Fans! ….
„Thank you for being a friend“
Die Bühnenfassung der Kult-Comedy-Serie von Kristof Stößel ist noch bis 3. Februar 2024 in der Komödie am Kai zu sehen.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Komödie am Kai
28.10.2023 - Volksoper/ Wien
tick, tick...BOOM!
Premiere
"tick, tick...BOOM!" ist ein bekanntes Musical des Komponisten Jonathan Larson, das die Lebensgeschichte des aufstrebenden Komponisten Jon thematisiert. Die Geschichte verfolgt Jons inneren Konflikt, während er zwischen seinen künstlerischen Ambitionen und den gesellschaftlichen Erwartungen schwankt. Die Handlung spielt in New York City, und Jon steht kurz vor seinem 30. Geburtstag. Sein Traum, ein erfolgreiches Musical zu komponieren, steht unter ständigem Zeitdruck, was sich im Titel "tick, tick...BOOM!" widerspiegelt.
Die Charaktere in "tick, tick...BOOM!" sind vielschichtig und tiefgründig. Die Hauptfigur Jon, verkörpert von Jakob Semotan, ist ein leidenschaftlicher und aufstrebender Komponist. Jon durchlebt intensive emotionale Höhen und Tiefen, was sein inneres Dilemma verdeutlicht. Jons Achterbahnfahrt der Gefühle wird durch Jakob Semotan hervorragend dargestellt. Juliette Khalil beeindruckt sowohl gesanglich als auch darstellerisch als Jons Freundin Susan. Sie überträgt die Unterstützung und Hingabe gegenüber Jon ausdrucksstark auf das Premierenpublikum. Jons bester Freund Michael, ausgezeichnet verkörpert von Oliver Liebl, findet sich zerrissen zwischen Kunst und Sicherheit.
Die packende Musik und die tiefgründigen Texte spiegeln die Leidenschaft und Unsicherheiten der drei Charaktere wider und machen "tick, tick... BOOM!" zu einer eindrucksvollen Erfahrung für das Publikum. Die, vor dem Bühnenhintergrund platzierte, Band (musikalische Leitung: Christian Frank, Gitarre: Felix Reischl, Bass: Marlene Lacherstorfer, Schlagzeug: Mario Stübler) rundet diesen gefühlvollen und energiegeladenen Abend souverän ab.
Trotz der Vorhersehbarkeit der Handlung ist diese Inszenierung unter der Regie von Frédéric Buhr erfrischend und dynamisch. Mit "tick, tick... BOOM!" werden an der Volksoper Wien an vier weiteren Abenden die Türen für mehr Schwung auf der Bühne und Jugend im Publikumssaal geöffnet.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Sophia Kriwanek; Fotos: Barbara Pálffy / Volksoper Wien
27.10.2023 - Das Vindobona/ Wien
Karim Khawatmi
Hommage an Udo Jürgens
Mit Karim Khawatmi und Bea Michalski am Flügel
Er war Sänger, Komponist, Entertainer, Gesellschaftskritiker, Umweltfürsprecher, Stilikone und beim dritten Anlauf Gewinner des ESC 1966 mit „Merci, Chérie“: Udo Jürgens. In sechs Jahrzehnten schrieb er über 1.000 Songs und veröffentlichte mehr als 50 Alben. 6,5 Millionen Menschen haben diesen Ausnahmekünstler live erlebt. Er schrieb Musikgeschichte, indem er Gefühle beim Hörer auslöste. Er verstand es, Musik zu schreiben, die Geschichten, Botschaften oder Kritiken erzählen, stets am Zeitgeist. Seine Musik war in Bewegung, wandelte sich stets und floss dennoch dahin, von Ton zu Ton, von Melodie zu Melodie, berührte emotional, mal witzig, mal kritisch.
Musicaldarsteller und Fotograf Karim Khawatmi hatte die Möglichkeit mit Udo Jürgens zusammenzuarbeiten. Einerseits spielte er die Hauptrolle im Musical „Ich war noch niemals in New York“, anderseits durfte er einige Fotos für sein letztes Album „Mitten im Leben“ machen.
So war das Programm am 27.10 im Vindobona nicht nur musikalisch bereichernd, sondern auch sehr intim mit persönlichen Anekdoten. Von der Nervosität der ersten Zusammenarbeit bis zu Plaudereien, welche die ganze Nacht andauerten. Das Lieder-Repertoire reichte von seinen allbekannten Hits, wie „Bitte mit Sahne“, „Ich war noch niemals in New York“ oder „Was wirklich wichtig ist“ bis zu nicht so bekannten und gesellschaftskritischen Titeln.
Karim Khawatmi erwies sich als großer Entertainer, der auf das Publikum zuging, ohne dabei peinlich zu wirken. Er überzeugt mit seiner ganz natürlichen und sympathischen Art. Vom Publikum wurde er immer wieder lautstark unterstützt und zeigte, wie Textsicher es war.
Der Abend war eine wunderbare Hommage an eine große Legende, mit viel Nostalgie, aufgelockert mit vielen symphytischen und allzu menschlichen Anekdoten. Merci, Udo, merci Karim!
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
24.10.2023 - Stadttheater Mödling/ NÖ
OMI-ALARM!
Ein Soloabend mit Konstanze Breitebner
Helen Hampinger, erfolgreiche Anwältin im Best Ager-Alter genießt ihr Leben. Nach ihrer Scheidung ist sie in einen deutlich jüngeren Mann verliebt und bemitleidet insgeheim ihre Freundinnen, die im Omi-Modus feststecken. Für sie steht fest, dass sie auf keinen Fall so enden möchte. Doch ein Ultraschallfoto als Geburtstagsgeschenk ihrer Tochter ändert alles schlagartig. Ihr Plan, sie will alles von einer gewissen Distanz erleben und schon gar nicht mit den „O“ Wort angesprochen werden, verflüchtigt sich. Das Kind ist einfach eine Nachfahrin. Doch es nützt kein noch so heftiges wehren, gegen die Gene kommt man einfach nicht an und so schlittert sie langsam, aber sicher selbst in den Omi-Modus.
OMI-ALARM von Susanne Felicitas Wolf ist ein Einpersonenstück mit der beliebten Schauspielerin und Drehbuchautorin Konstanze Breitebner als Helen. Ihre Performance ist mitreißend, ausdrucksstark und pure Lebensfreude. Sie verleiht dieser Rolle Tiefe, indem sie in das innerste des Charakters eintaucht und dieses offenbart. Zugleich reflektiert sie die Erfahrungen und Emotionen des weiblichen Publikums im Omi-Alter mit einem solch feinen Humor, der der Entwicklung des Stückes noch mehr Intensität verleiht.
Susanne Felicitas Wolf ist auf humorvoller Weise eine authentische Charakterstudie gelungen, eine Paraderolle für Konstanze Breitebner.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
LORIOT MEISTERWERKE:
Warum Männer und Frauen nicht zusammenpassen!
Bernhard-Viktor „Vicco“ Christoph-Carl von Bülow, besser bekannt unter Loriot war ein Meister der Sprache, welche er gezielt und speziell bei seinen Sketchen über zwischenmenschliche Kommunikationsstörungen einsetzte.
„Kommunikationsgestörte interessieren mich am allermeisten.
Alles, was ich als komisch empfinde, entsteht aus der zerbröselten Kommunikation, aus dem Aneinander-vorbei-Reden.“ (Loriot)
Anita KÖCHL und Edi JÄGER haben nun einige seiner berühmten Sketches herangezogen und sie sich zu Eigen gemacht. Ganz im Stile des Autors und seiner kongenialen Partnerin Evelyn Hamann gelingt es den beiden, Loriots durchaus auch schlüpfrigen Humor („Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur blasen kann“), perfekt zu präsentieren. In Windeseile werden Rollen und Kostüme gewechselt. Es wird sinniert, getanzt und über scheinbar belangloses diskutiert. Alles in Loriots meisterhaften Texten. Das bietet viel Abwechslung und sorgte für viele Lacher im Publikum.
Im Vindobona zollte man Anita KÖCHL und Edi JÄGER durch langanhaltenden Applaus den verdienten Respekt für ihre Glanzleistung.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik & Fotos: Wolfgang Springer
13.10.2023 - Freie Bühne Wieden/ Wien
MEINE MÜTTER
Die 22-jährige Johanna lebt, wohlbehütet von ihrer Stiefmutter Charlotte, in einer kleinen Wohnung, als sich unverhofft ihre leibliche Mutter Vera, eine rastlose Influencerin, bei den beiden meldet. Drei Generationen und drei unterschiedliche Charaktere prallen aufeinander, was für humorvolle Augenblicke sorgt, aber auch Konfliktpotential bietet. Als Zuschauer:in erkennt man in so manchem Moment, sein eigenes Ich.
Katrin Wiegand hat diesen psychologisch und heiteren Selbstfindungstrip dreier unterschiedlicher Frauen geschrieben, Michaela Ehrenstein sorgt in der Freien Bühne Wieden für die gelungene Inszenierung. Sabine Muhar (Charlotte), Barbara Edinger (Vera) und Felicitas Lukas (Johanna) sind in ihren Rollen ehrlich und glaubhaft und spielen sie zudem mit einer besonderen Leichtigkeit.
MEINE MÜTTER ist noch bis 27.Oktober zu sehen. Ein Besuch lohnt sich.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Wolfgang Springer; Fotos: Philipp Hutter
07.10.2023 - Ronacher/ Wien
ROCK ME AMADEUS -
Das Falco Musical
Welturaufführung
Auch 25 Jahre nach seinem Tod ist Falco im Musikbusiness präsent. Er war eine Ausnahmeerscheinung, die polarisierte. Durch seine Abgrenzung machte er sich einzigartig und zugleich begehrenswert. Seine übertriebene Arroganz gepaart mit seiner eigenen pointierten Sprache, eine Mischung aus Wienerisch, Hochdeutsch und Englisch in Anlehnung seines großen Vorbildes Oskar Werner und sein markantes Erscheinungsbild machten ihn zu einer Marke. Doch all dies war nur Image, denn sein privates Umfeld beschrieb ihn als bescheiden, ruhig und umgänglich, solange kein Jack Daniel in der Nähe war. Als Sturztrinker hatte dieser verheerende Nebenwirkungen und Konsequenzen. Aus Jekyll wurde Hyde. Diese so konträre Doppelrolle wurde ihm schlussendlich zum Verhängnis.
Sein Leben glich einer Achterbahn mit Höhenflug und tiefem Absturz. Sein tragischer Tod passte zu seinem Leben. Ein Bus rammte seinen Geländewagen bei einer Ausfahrt einer Disco. Falco hatte 1,5 Promille und eine große Menge Kokain und Marihuana im Blut. Er starb noch an der Unfallsstelle. Das machte den österreichischen Popstar endgültig zur Legende: „Muss ich denn sterben, um zu leben?“
Und damit ist sein (Ab)leben ein interessanter Stoff für Film und Bühne. So feierte am 7. Oktober eine neue Musicalversion im Ronacher seine Premiere. Die Erwartungen waren hoch und die Last liegt auf den Schultern des 23-jährigen Newcomers Moritz Mausser, denn jeder hat seine eigene Vorstellung vom „wahren“ Falco im Kopf und dem gerecht zu werden ist unmöglich. Doch er schafft diese Gradwanderung mit einer eigenen Interpretation, die sehr nahe einer Imitation liegt, ohne ein Abziehbild des Originals zu werden. Er überzeugt sängerisch als auch schauspielerisch, hatte Gestik und Sprachbild von Falco perfekt übernommen. So wurde er zurecht am Premierenabend bejubelt. Im Gesamterscheinungsbild wirkt er dennoch softer und sympathischer als das Original.
Besonders eindrucksvoll sind die letzten Minuten der Show. Es ist der innere Kampf des Künstlers mit seinem Alter Ego bis zu seiner Befreiung durch „Out of the Dark“. Falco bezeichnet seine Kunstfigur als Monster, das er herangezogen hat. Und dieses Monster ist die Paraderolle für Alex Melcher. Mal gut, mal böse, aber stets der Verführer. Sein „Dance Mephisto“ ist ein Highlight des Abends.
Das Musical, eine bunte und schrille Show, die Bühne ein Raum der Reflexion. So spiegelt sich Falcos Zerrissenheit im Bühnenbild wider. Ein überdimensionaler Kopf als großer psychologischer Raum, aus dem sein Ego entspringt, der ihn zu den Exzessen verführt.
Falco empfindet Drogen als kreatives Werkzeug und dementsprechend setzt er sie ein. Moritz Mausser überzeugt vorallem als sensibler und verletzlicher Hans Hölzel, der vor seinen Ängsten und Sehnsüchte mittels Drogen und Alkohol entfliehen möchte. Als „Rock me Amadeus“ die Nummer 1 in den US-Charts und später auch in Großbritannien wurde, löste das keine Freunde ihn ihm aus. Er wußte, dass er dies nie wieder schaffen wird. Auch die Sehnsucht nach einem normalen Familienglück blieb ihm verwehrt.
Es gab zwei wichtige Frauen in seinem Leben, die beide sehr starke Charaktere waren, vielleicht zu stark für den sensiblen Hans Hölzel: seine Mutter Maria und seine Frau Isabella.
Tanja Golden als seine Mutter ist eine Idealbesetzung. Konservativ, mit einem großen Wiener Herz, hegt und pflegt sie ihren Buben. Wirklich loslassen kann sie ihn nicht und er selbst will es auch nicht. In einem Interview beschrieb er sich als Muttersöhnchen. Tanja Golden strahlt diese Mütterlichkeit aus, ist aber ziemlich resch in ihrer Art, eben ein Wiener Original.
Katharina Gorgi als Isabella ist eine starke und selbstbewusste Frau, die aber keine Chance gegen seine Dämonen hat und schließlich gehen muss, um selbst leben zu können. Den Song „Leb deinen Traum“ interpretiert sie stark, er ist jedoch eine typisch langweilige Musicalballade und passt nicht in das Gesamtbild, wie alle vier neuen Lieder.
Der Bayer Horst Bork und Wiener Markus Spiegel waren Falcos wichtigste Manager und Berater. Letzterer war auch sein Entdecker. Andreas Lichtenberger und Franz Frickel wurden nur mit wenigen gesanglichen Passagen bedacht sind aber dennoch sehr präsent.
Falcos Jugendfreunde Billy und Hansi werden sympathisch von Simon Stockinger und Martin Enenkel verkörpert.
Nur wenige Falco-Songs werden im Musical ausgespielt, wie etwa „Nie mehr Schule“, „America“, „The Sound of Music“, „Jeanny“ oder „Out of the Dark“. Manches wurde von Michael Reed neu orchestriert oder lediglich angespielt bzw. textlich verändert, um es der Handlung und der jeweiligen Figur, welche es singt, anzupassen. Dies ist durchaus gelungen. Das VBW-Orchester unter dem Dirigat von Michael Römer leistet hervorragende Arbeit.
Choreograf Anthony van Laast („Mamma Mia! – Der Film“) hatte keine leichte Aufgabe. Seine Tänzer:innen sind bei sehr vielen Szenen in unterschiedlichen Rollen im Einsatz. Während manche Nummern („Dance Mephisto“, „America“) sehr harmonisch und kreativ wirken, scheinen ihm bei anderen („Sound of Music“) die Ideen ausgegangen zu sein. In Summe hat sich die Verpflichtung des Star-Choreografs dennoch gelohnt.
Das Bühnenbild von Stephan Prattes ist grell, bunt und spiegelt den Zeitgeist wider. Ebenso die Videoprojektionen von Douglas O´Connell. Die Räume als Boxen, die in verschiedenen Höhen, oft mit Leuchtstoffröhren, abgegrenzt sind, verstärken die Enge und zugleich die Sehnsucht nach einem geborgenen Familienleben im Gegensatz zur großen, freien Bühne.
Autor Christian Struppeck hat sich mit ROCK ME AMADEUS - DAS FALCO MUSICAL sichtlich Mühe gegeben. Hauptaugenmerk legte er auf Falcos inneren Kämpfe und seiner Zerrissenheit als Kunstfigur. Einige Aspekte, wie etwa das liebevoll väterliche Verhältnis zu seiner „Nicht“-Tochter, werden nicht behandelt. Generell wird im Privatleben des Hans Hölzel eher spekuliert als mit Fakten geglänzt. Mit den Managern, den Bolland Brüdern und der Falco Privatstiftung hatte man genügend Material für den künstlerischen Bereich, also vor und hinter der Bühne, jedoch zu wenig Einblicke in Hans Hölzels wirklich private Gefühls- und Schaffenswelt. Seine Freunde, seine Frau, Tochter und letzte Lebensdgefährtin hätten helfen können. Aber vielleicht traute man sich nicht mehr in die Tiefe zu gehen.
Mit der Inszenierung ist Andreas Gergen den hohen Erwartungen in seine Person gerecht geworden. Viel Symbolik und Tiefgründigkeit zeichnen auch diese Produktion aus. Besonders der Schluss ist dramaturgisch beeindruckend gelöst. Es schließt sich der Kreis, bei dem man sowohl beim Beginn als auch am Ende mit Falcos Tod konfrontiert wird. Die letzten Worte gehören Falco selbst: „Wenn ich morgen meinem Gott gegenübertrete, kann ich ihm sagen: „I bin unschuldig! Ich hab niemanden was getan, ich hab niemanden g´legt, ich hab niemanden betrogen, ich hab niemanden weh getan…außer mir selber. Und das verzeiht er mir hoffentlich.“
ROCK ME AMADEUS - DAS FALCO MUSICAL ist in Summe eine großartige Bühnenshow, bei der Falco-Fans eher die Nase rümpfen, aber von der normale Musicalbesucher:innen begeistern sein werden. Schenkt man dem jubelnden Premierenpublikum Glauben, steht einem Welterfolg nichts im Wege.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Wolfgang Springer; Fotos: VBW/ Deen van Meer
14.09.2023 - Freie Bühne Wieden/ Wien
I Love You, You’re Perfect, Now Change
Gastspiel
Seit Gott die Menschen erschaffen hat, dreht sich alles um (Liebes-)Beziehungen in den diversen Formen. Mit einer Analyse in kleinen Episoden startet die Freie Bühne Wieden in die neue Saison.
In dem Gastspiel I LOVE YOU, YOU´RE PERFECT, NOW CHANGE schlüpfen vier Darsteller:innen in über 50 verschiedene Charaktere.
Es ist kein Musical im üblichen Sinn, sondern es sind lose, unabhängige Sequenzen, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, aber im Großen gesehen, dann doch, denn alles dreht sich um das eine Thema: Beziehungen. Das erste Date und wie man sich vorbereitet. Folgt das Nächste oder sucht man sich gleich einen anderen potenziellen Kandidaten? Ist es besser als Frau gleich lesbisch zu werden im angesichts der Männer, die frei sind? Soll man die Verlobung noch lösen oder doch den Schritt für die ewige Verbundenheit wagen? Ist die Dauer bis zur Ewigkeit dann doch nicht so lange, heißt es wieder an den Start zurück? Und wenn der Tod schließlich die Ehe scheidet, soll man es nochmals wagen. Der Friedhof beziehungsweise Begräbnisse sind dann ein guter Pensionisten-Single-Pool. Und was nimmt man als Resümee nach Hause mit: Romanzen und Liebschaften begleiten uns das ganze Leben.
Sophie Blümel, Katharina Lochmann, Benjamin Rufin und Fin Holzwart zeigen die verschiedensten Facetten der Liebesverhältnisse auf realistische und witzige Weise. Immer wieder erkennt man sich in eigenen bereits erlebten Episoden wieder, egal ob schüchtern, draufgängerisch, gelangweilt, verzweifelt, hoffnungsvoll oder glücklich. Die ganze Gefühlspalette wird bedient. Verstärkt durch die musikalische Leitung von Walter Lochmann am Klavier, ein Meister seines Faches. Er versteht es die Gefühle der Lieder zu transportieren und diese Empfindungen im Publikum auszulösen, wenn sie diese vernimmt. Mal leicht, dann wieder tragisch, wandelt und verändert sie sich je nach Szene und fließt dahin. Unterstützt wird er von Katharina Cerny an der Violine.
Unter der Regie von Rita Sereinig ist eine ironische, spritzige, in manchen Passagen erotisch-pikante, unterhaltsame und kurzweilige Fassung dieses Musicals entstanden, welche sich mehr als drei Vorstellungen in die Freie Bühne Wieden verdient hätte.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
09.09.2023 - Musiktheater Linz/ OÖ
SCHOOL OF ROCK
Deutschsprachige Erstaufführung
SCHOOL OF ROCK ist ein mitreißendes Musical von Andrew Lloyd Webber (Musik), Glenn Slater (Gesangstexte) und Julian Fellowes (Buch). Für die deutsche Fassung zeichnet sich Timothy Rolle verantwortlich.
Nach dem Paramount-Film von Mike White wird die Geschichte von Dewey Finn erzählt, einem arbeitslosen Rockmusiker, der sich kurzerhand als Ersatzlehrer ausgibt. Er findet sich in einer angesehenen Privatschule wieder und entdeckt das ungenutzte musikalische Talent seiner Schüler. Dewey formt die Kinder zu einer Rockband namens "School of Rock" und bereitet sie auf den Battle of the Bands-Wettbewerb vor. Während er die Schüler in den Feinheiten des Rock 'n' Roll unterrichtet, entwickelt sich eine tiefgreifende Geschichte von Selbstfindung und Teamarbeit. Doch als die Schulleitung und die Eltern Deweys Schwindel entdecken, steht die Zukunft der Band auf dem Spiel. Zusammen beweisen die Kinder, dass sie mehr sind als nur musikalische Talente.
Im Mittelpunkt der Besetzung steht das Kinderensemble, bestehend aus 14 Kindern, die nicht nur tanzen, singen und mit Schauspiel überzeugen, sondern auch musikalisch begleiten. Mit Freude, Bühnenpräsenz, jugendlichem Charme und Schlagfertigkeit beeindrucken sie das Premierenpublikum, welches immer wieder verdienten Zwischenapplaus zollt.
Enrico Treuse gibt in der Hauptrolle des Dewey Finn sein Debut am Musiktheater Linz. Obwohl er zu Beginn einige stimmliche Unsicherheiten zeigte, entfaltet er im zweiten Akt eine einnehmende rockige Bühnenpräsenz, welche vor allem im Klassenzimmer für Mitwippen im Publikum sorgte.
Neben dem Kinderensemble ist es vor allem die Rolle der Schuldirektorin, die an diesem Premierenabend aufhören lässt. Alexandra-Yoana Alexandrova glänzt mit ihrer zunächst peniblen Verkörperung, welche im Laufe des Stücks immer zugänglicher und leidenschaftlicher wird. Mit ihrem klaren Koloratursopran begeisterte auch sie an diesem Abend erstmalig das Publikum des Musiktheater Linz.
Sanne Mieloo verkörpert als Patty du Marco die bestimmende und charakterstarke Ehefrau von Ned Schneebly (Christian Fröhlich), ein schauspielerisch perfekt abgestimmtes Bühnenpaar.
In Mehrfachrollen (es wird sich stereotyper Lehrer- und Elterntypen bedient) runden Daniela Dett, Celina dos Santos, Christian Funk, Karsten Kenzel, Linda Krischke, Valerie Luksch, Richard McCowen, Max Niemeyer, Joel Parnis, Lukas Sandmann und Tina Schöltzke das Bühnengeschehen gesanglich, als auch schauspielerisch in gewohnt hoher Qualität ab.
Die Inszenierung durch Matthias Davids setzt auf Gruppendynamik und einen unkomplizierten Musical-Abend. Die drei abwechselnden Szenen der Drehbühne und die Kostüme unterstützen den Handlungsstrang, schöpfen aber nicht das gesamte Potential aus, wie man es von anderen Produktionen am Musiktheater Linz gewohnt ist. Tom Bitterlich, als musikalischer Leiter, überzeugt an diesem Abend im minimierten Orchestergraben, er nimmt Jung und Alt auf der Bühne gleichermaßen gekonnt unter seine Fittiche.
Insgesamt war es eine energiegeladene Vorstellung, wenn auch mit phasenweiser Langatmigkeit im ersten Akt. Im Musiktheater Linz wird mit SCHOOL OF ROCK noch bis inklusive März 2024 die Bühne gerockt.
4 von 6 Sternen: ★★★★
Kritik: Sophia Kriwanek; Fotos: Reinhard Winkler
www.landestheater-linz.at/musiktheater
03.09.2023 - Burg Perchtoldsdorf/ NÖ
MELODIENREISE
Die schönsten Lieder aus den Musicals von Rory Six
Man soll bekanntlich die Feste feiern, wie sie fallen und besonders die runden Geburtstage. Einen solchen, nämlich den 40igsten, feierte Musicaldarsteller und Komponist Rory Six. Seit 15 Jahren lebt und arbeitet der gebürtige Belgier in Österreich. Zuletzt spielte er die Hauptrolle des Alt- Deuteronimus im Musical „Cats“ (Ronacher). Nebenbei ist er auch der Leiter des Theatervereins „Theatercouch“.
Mit seinen 40 Jahren hat er bereits zahlreiche, teils preisgekrönte, Musicals geschrieben. Schließlich braucht er auch nur zwei Wochen pro Werk (für die Niederschrift). Davor sind einige Monate des Konzipierens. Woher er seine Inspirationen erhält, weiß er selbst nicht. Sie kommen einfach. Das kann zum Beispiel bei einem Filmschauen entstehen.
Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen feierten in der Burg Perchtoldsdorf seinen Geburtstag mit Ausschnitten aus seinen Werken „Wenn Rosenblätter fallen“, „Ein wenig Farbe“, „Luna“, „Die Mädchen von Oostende“, „Namen an der Wand“, „Weihnachtsengel küsst man nicht“, „Finder“ und der Weltpremiere „Jenseits der Masken“, darunter Andreas Bieber, Oliver Arno, Rob Pelzer, André Bauer, Katja Berg, Linda Hold, Markus Neugebauer, Nicolas Tenerani, Robert D. Marx, Denise Jastraunig, Fin Holzwart, Barbara Catska, Anja Haeseli, Lisa Radl, Rebecca Soumagné, Amelie Polak, Sarah Zippusch, Simon Stockinger und Ryta Tale.
Rory Sixs Melodien sind teilweise sehr melancholisch und emotional, berühren und bauen eine Spannung auf. Wie gefühlsbetont und leidenschaftlich die Melodien sind, konnte man bei der Zugabe erleben, bei der sich Rory Six selbst am Keyboard begleitete. Frizz Fischer (Keyboard) hatte mit seinem kleinen Orchester/Band bis dahin auf eine möglichst laute und eher monotone musikalische Umsetzung gesorgt. Schaden, denn neben zwei Gitarren, E-Bass und Drums standen auch Violine, Cello und Harfe zur Verfügung, welche aber im Rhythmus dem Beat zum Opfer fielen. Schade, denn so manch guter Song litt unter der dadurch entstandenen Eintönigkeit. Es fehlte an Sensibilität. Am besten kamen die großen der Musicalszene damit zurecht. André Bauer, Andreas Bieber, Katja Berg, Oliver Arno und Rob Pelzer konnten echte Gefühle in ihre Interpretationen legen.
In nächster Zeit gibt es einige Möglichkeiten Stücke von und mit Rory Six in Wien und Umgebung zu sehen. Spannend wird die szenische Lesung mit Musik seines neuesten Werkes „Jenseits der Masken“ im „Das Vindobona“.
Da die MELODIENREISE eine Gala für das Geburtstagskind war, sehen wir von einer Sterne-Bewertung ab.
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
02.09.2023 - Stadttheater Baden/ NÖ
MUSICALKONZERT
Noch einmal hieß es „Willkommen, bienvenue, welcome“ im Stadttheater Baden. Die Protagonistinnen und Protagonisten der Sommerproduktion Baden luden zu einem abschließenden Musicalkonzert ein: Iva Schell, Ann Mandrella, Drew Sarich und Rene Rumpold (musste die Rolle des Herrn Schulz kurzfristig krankheitsbedingt absagen).
Den Schwerpunkt dieses Abends bildeten Musicalklassiker oder Stücke, welche bereits in Baden aufgeführt wurden. Dabei erwies sich das Orchester unter der musikalischen Leitung von Andjelko Igrec als heimlicher Star des Abends. Mit messerscharfer Präzision und weichen, runden Klängen verschmolz das Orchester mit den Gesangsstimmen zu einem wahren Hörgenuß. Speziell bei den instrumentalen Selections von „Porgy and Bess“ und dem „Mambo“ aus der „West Side Story“ konnten die Musiker:innen ihre Klasse zeigen.
Die Zuschauer:innen erlebten jedoch auch leise Töne und a capella Versionen. „Moon River“ von Ann Mandrella, von ihrem Mann Drew Sarich an der Gitarre begleitet, war so ein intimer Augenblick.
Der musicalische Streifzug reichte von „West Side Story“, das gleich mit fünf Songs vertreten war, über „Jesus Christ Superstar“, „La Cage aux Folles“, „Evita“, „Kuss der Spinnenfrau“, „Les Misérables“ bis zu „High Society“, „Brigadoon“, „Nine“ und „Guys and Dolls“.
Mit „My Heart Will Go On“ (René Rumpold) und „Moon River“ (Ann Mandrella) mischten sich auch zwei Filmhits in das Musicalkonzert.
Berührend waren Ann Mandrella und Iva Schell mit „A Boy like that“, René Rumpold mit „I Only want to say“ und Drew Sarich mit „Bring Him Home“. Vom Publikum umjubelt wurden René Rumpold und Drew Sarich mit ihrem Duett „Ich bin, was ich bin“ als Duett. Mit mystischer Stimme erinnerte Ann Mandrella nochmals mit „Kuss der Spinnenfrau“ an ihre Rolle im Stadttheater Baden 2019. Iva Schell gab eine stimmgewaltige Evita.
Das MUSICALKONZERT war ein kurzweiliger und nostalgischer Abend. Es war großartig, die Musicalklassiker und wunderbaren Melodien in hervorragender Orchestrierung zu erleben und sich nicht den oftmals schmerzhaft übersteuerten Schlagzeug- Bass- und Keyboard-Klängen ausgeliefert worden zu sein. Melodien und Gesang verschmolzen zu einem harmonischen Ganzen, was man leider in den letzten Jahren bei größeren Musicalkonzerten kaum mehr zu hören bekommt.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
01.09.2023 - Teisenhoferhof/ Weißenkirchen NÖ
Wachau-Festspiele Weißenkirchen
Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben
Der Tod, in Bayern auch „Boanlkramer“ genannt, holt sich jeden Menschen, egal ob jung oder alt, sobald deren Zeit auf Erden abgelaufen ist. Doch was passiert, wenn Gevatter Tod einen schlechten Tag hat und der Auftrag misslingt?
Nachdem sein Schuss bei einer Jagd auf den 72jährigen Brandner Kaspar misslingt, folgt er ihm heim und bemüht sich den gewieften Bauern zu überreden mitzugehen.
Dieser weigert sich vehement, da er noch viel vorhat und am Leben hängt. So ist Auerhahnbalz im Frühjahr, Rehpirsch im Sommer und vor allem will er seine Enkelin Marei mit einem schuldenfreien Brautgut zurücklassen. Mit List und Tücke verführt er den einsamen und stets frierenden Boanlkramer mit Marillenschnaps und betrügt ihn beim Kartenspiel. So gewinnt er eine Frist von 18 Jahren. Da der Brandner Kaspar für die kommenden Jahre Unsterblichkeit erlangt hat, kann er sein Leben in vollen Zügen und mit jeder Menge Risko begehen. Doch der Betrug bleibt im Himmel nicht unbemerkt und fordert zudem einen hohen Preis.
„Der Brandner Kaspar und das ewig´ Leben“ ist eine Komödie mit Tiefgang. Essenzielle Fragen des Lebens stehen im Mittelpunkt, ohne aber die Leichtigkeit zu verlieren. Der Tod soll seinen Schrecken verlieren, so die Grundessenz des Stückes. Vom gefürchteten, abzuwehrenden Gegner wird er am Ende fast zu einem erlösenden Freund.
Rudi Larsen ist eine Idealbesetzung für den so am Leben hängenden Brandner Kaspar. Er verleiht der Rolle Tiefe, indem er in die Vielschichtigkeit des Charkters eintaucht. Sein Spiel ist voller Leichtigkeit, ohne die Ernsthaftigkeit zu verlieren und mit einer unglaublicher Bühnenpräsenz das Publikum begeistert.
Sein Wiederpart, den Boanlkramer spielt eindrucksvoll Stephan Paryla-Raky, ein Komödiant, dem man den Schelm schon am Gesichtsausdruck erkennt. Er vermenschlicht den Tod und macht ihn sympathisch. Köstlich, wie er dem Marillenschnaps nicht widerstehen kann oder auch, wie er versucht beim Portner im Himmel sein Vergehen zu rechtfertigen.
Neben den beiden Hauptakteuren glänzen zudem das himmlische Personal, bestehend aus dem kärntnerischen Glockengießer (Martin Gesslbauer), der nicht ganz so frommen Nonne (Natascha Shalaby), die dem Glücksspiel nicht so abgeneigt ist, dem imposanten, sehr strengen Erzengel Michael (Leila Strahl) in goldenem Outfit und dem über alles stehenden Portner (Marcus Strahl), mit Langhaarperücke ein Hingucker.
Anna Sophie Krenn als Marei versprüht Heimatfilmcharme mit viel positiver, fast überschäumender Energie.
Das Ensemble wird noch von Gerhard Karzel, Felix Kurmayer und Michael Zallinger ergänzt.
Die Bühnen entwarf Martin Gesselbauer. Es gibt mehrere Wände, welche sich drehen und verschieben lassen, um neue Spielorte entstehen zu lassen. Andreas Ivancsics versteht, es die Bühne und Wände des renaissance-trächtigen Teisenhoferhofs mit stets passenden Projektionen Stimmungen zu verstärken und Räume zu erweitern.
Die Kostüme stammen von Christine Zauchinger und sind der Zeit um Mitte des 19. Jahrhunderts angelehnt.
Der Brandner Kaspar ist eine literarische Figur aus einer Erzählung Franz von Kobells in oberbairischer Mundart, die 1871 in den Fliegenden Blättern veröffentlicht wurde. Kobells Ururgroßneffe Kurt Wilhelm bearbeitete und inszenierte 1975 das Werk seines Vorfahren für das Residenztheater in München. Die Fassung Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben stand bis 2001 über 1000-mal im Programm des Bayerischen Staatsschauspiels und wurde von über 60 Bühnen übernommen. Wilhelm fügte auch die zahlreichen und nun doch stark humoristischen „himmlischen Szenen“ hinzu.
Unter der Regie von Intendant Marcus Strahl spielt die Geschichte nun in der Wachau, mit all den Gepflogenheiten, wie Dialekt und dem allseits beliebten Marillenschnaps.
„Der Brandner Kaspar und das ewig´ Leben" ist eben nicht nur eine simple Komödie sondern liefert die Botschaft, dass jeder Tag auf Erden ein Geschenk ist und man in Anbetracht dessen das Leben genießen soll. Doch selbst vor dem Ende braucht sich niemand zu fürchten, so ferne man redlich gelebt hat.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Wolfgang Springer; Fotos: Wachauer Festspiele/ Gerhard Grail
29.08.2023 - Komödie am Kai/ Wien
PIRANHAS IM WASSERBETT
Gastspiel in der Komödie am Kai
Was haben Piranhas im Wasserbett zu suchen? Sie sind ein abstraktes Synonym des stromlinienförmigen Daseins einer Ehe, das eine Wende herbeiführen soll, als letzte Rettung, wenn der Rausch der Ekstase im Ehebett ausbleibt. Was ist dann nach einer langjährigen Ehe noch übrig? Ein Ferrari oder nur mehr ein Tretroller als Mann im Bett?
Die Komödie am Kai eröffnet die neue Spielsaison mit dem Gastspiel vom Theater Sommer Klagenfurt (2020 und 2021) „Piranhas im Wasserbett“ von Peter Limburg unter der Regie von Heinrich Baumgartner. Es stehen, wie schon in Kärnten Katarina Hartmann, Felicitas Lukas, Sebastian Krawczynski und Wilhelm Prainsack auf der Bühne.
Zwei, seit Jahren befreundete Ehepaare, die voneinander glauben die perfekte Beziehung zu führen, schlittern unausweichlich in die Midlifecrisis und dessen verbundene Zweifel an sich und das Leben.
Doreen und Armin, beruflich erfolgreich und kinderlos, beginnen nach 15 Jahren ihre Ehe kritisch zu betrachten. Es ist Doreen die ihren Ehemann in endlos, mühsame Diskussionen verwickelt. Jedes Wort, jede Geste oder jeder Blick wird auf die Waagschale gelegt, denn ihre Auffassungen über Armins Liebeskünste triften weit auseinander. So sucht sie Antworten in einschlägiger Fachliteratur.
Für Bea und Clemens ist Leidenschaft ein Fremdwort geworden, dennoch sind sie mit ihrem Leben und ihren zwei Kindern glücklich.
Die Freundschaft der Vier ist eine feste Konstante. Man kann sich alles erzählen und Rat holen. Alles läuft harmonisch, bis eine verhängnisvolle Nachricht aus alter Zeit die inneren Piranhas weckt und die Gefühle mächtig aufmischt.
Felicitas Lukas verkörpert die durchstrukturierte Weltverbesserin Doreen, mit stark ausgeprägten männlichen Attributen. Felicitas Lukas taucht dabei überzeugend in die verschiedenen Schichten der Psyche Doreens ein, in der Hoffnung, eine Wendung in ihrem Leben herbeizuführen. Sie ist zugleich der Gegenpart zu Katharina Hartmann als Bea. Diese ist der Ruhepol, ausgeglichen und umsichtig. Sie hat stets Verständnis für die anderen. Diese stoische Gelassenheit braucht sie auch bei ihrem Mann. Clemens der verschrobene Kunsthistoriker, mit Hang zum Muttersöhnchen und Hobbyornithologe, der sich ganz den Vögeln hingibt, wird hervorragend von Sebastian Krawczynski verkörpert. Sigmund Freud hätte wahrlich seine Freude mit ihm. Er lebt in seiner eigenen Welt und kann oft den Erwartungen seines Umfeldes nicht gerecht werden. Es sind seine Gestiken, Blicke, seine Unbeholfenheit, die seine Performance so mitreißend machen.
Wilhelm Prainsack, sportlich, voller Power und von sich überzeugt, hat es nicht leicht mit seiner Frau und tappt in so manches Fettnäpfchen bzw. wird regelrecht hineingetrieben. Doch er ist kein Unschuldsengel, erkennt aber auch die wahren Werte.
Das Bühnenbild von Patrice Keiner ist minimalistisch, leicht anpassbar und effektiv. Der Focus liegt klar auf den Darsteller:innen und den überzeugenden Beziehungsszenen, die teilweise überzeichnet, ironisch, vielleicht in Summe etwas zu langatmig dem Publikum einen Spiegel vor die Augen hält.
Nach diesem gelungenen Auftakt darf man sich bereits auf die neuen Produktionen freuen.
5 von 6 Sternen: ★★★★★ Kritik: Michaela Springer
20.08.2023 - Theater im Bunker/ Mödling NÖ
AVENTURA.
Vom Abenteuer im Kopf und anderswo
„Wer denkt, Abenteuer seien gefährlich, der sollte es mit Routine versuchen, die ist tödlich.“ (Paolo Coelho)
Was ist der Reiz an einem Abenteuer? Die Gefahr? Das Außergewöhnliche? Und was macht ein Erlebnis zu einem wahren Abenteuer? Diese Frage geht das Ensemble vom „Theter des Fürchtens“ unter der Intendanz von Bruno Max in „AVENTURA. Vom Abenteuer im Kopf und anderswo“ nach und nimmt die Zuschauer:innen mit auf eine spektakuläre Phantasiereise.
Das Publikum wandert in kleinen Gruppen bis zu 20 Personen durch den ehemaligen Luftschutzstollen Mödling, welcher in den Jahren 1941/43 von italienischen Zwangsarbeitern als errichtet und der Mödlinger, Wiener Neudorfer und Süd Wiener Bevölkerung während des Bombenkriegs als Zufluchtsort diente. Bis zu 9000 Menschen fanden bei Luftangriffen Schutz in den Stollen.
Im Sommer 2023 kann man hier jedoch einzelne nicht zusammengehörige Szenen der Welt- und Populärkultur erleben. Hinter jeder Biegung oder verschlossener Tür wartet ein neues Abenteuer. Mal trifft man Kapitän Nemo, lauscht Casanovas amörsen Erinnerungen, sieht die Wall Street Banker beim „Geldmachen“, hört die Ballade eines Seeräubers von Bertold Brecht oder wird in Monty Python Manier in eine satirische Afrika Geschichte verstrickt, was natürlich skurill anmutend ist. Man begegnet Helden, wie Indiana Jones, Lara Croft oder Mata Hari. Mal ist man mitten in einer makabren Wette, dann inmitten eines Krieges gefangen, um sich am Ende der Frage zu stellen: „Wer möchte man sein.“
Marcus Ganser hat mit der Raumgestaltung eine sehr detailgetreue, lebhafte Atmosphäre geschaffen. Der Seeräuber, in diesem Fall weiblich durch Bettina Soriat verkörpert, watet durch echtes Wasser, der afrikanische Dschungel erblüht mit duftender Flora, das Innere einer ägyptischen Grabkammer ist mit bunten Hieroglyphen und einem Sarkophag ausgestattet, die kühle Wall Street-Einrichtung oder das Innere eines Unterseebootes beflügeln das Kopfkino.
Bruno Max schafft mit seinem Team Theater zum Staunen und Nachdenken. Er behandelt das Thema Abenteuer auf verschiedenen Arten. In etwa 1,5 Stunden wechselt man etwa alle 10 Minuten die Location und befindet sich rasch in einem Abenteuerrausch, hin und her gerissen zwischen Zeit und Raum. AVENTURA ist mehr als Theater. Es ist eine extravagante Produktion und ein Erlebnis, welches man nicht verpassen sollte.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Bettina Frenzel
28.07.2023 - Festarena Kufstein/ Tirol
JESUS CHRIST SUPERSTAR
Musicalsommer, Premiere
Standing Ovation gab es für die Premiere des Operettensommers in Kufstein mit JESUS CHRIST SUPERSTAR am 28. Juli. Herausragende Leistungen aller Beteiligten sorgten für Gänsehaut-Momente in der ausverkauften Festungsarena. Nur die Gebete zum Himmel haben nicht geholfen pünktlich zur Ouvertüre folgten Blitz und Donner und die Bühne stand unter Wasser. Aber wie heißt es so schön: THE SHOW MUST GO ON.
Hip-Hop-Style statt Römersandalen:
Die Musik von Andrew Lloyd Webber und die Liedtexte von Tim Rice erzählen die Geschichte der letzten sieben Tage im Leben Jesu. 1971 wurde das Stück erstmals in New York City aufgeführt und sorgte damals aufgrund der modernen Adaption des biblischen Textes für Diskussionen in religiösen Kreisen. So treten bei der Vorführung die Darstellerinnen und Darsteller nicht in Römer-Sandalen auf, sondern im Hip-Hop-Style mit Sneakers und Kapuzenpullis. Ein doch eher ungewöhnliches Bild zu so einem biblischen Thema. Trotzdem fühlt man sich schon fast in die Zeit von damals hineinversetzt und konnte die Qualen Jesu gut nachvollziehen, was auch an dem äußerst hervorragenden Orchester liegt.
Zu Beginn öffnet sich im Bühnenbild ein Müllcontainer. Aus diesem springt leichtfüßig, wie ein irrer, König Herodes (Michele Anastasi), der mit all seiner großartig gespielten Affektiertheit sich schnell eine Linie Koks durch die Nase ziehen will. Da stellt sich die Frage: Muss das sein????
Nach dieser leicht verwirrenden Szene startet die Produktion unter der Regie und Choreografie von Publikumsliebling Enrique Gasa Valga endgültig mit der Ouvertüre.
Die drei Hauptdarsteller:innen, allen voran Tiziano Edini als Judas, glänzen besonders mit ihrer Leistung in Tanz und Gesang. Pia Weirather als Maria Magdalena zeigt ihr herausragendes Talent als Schauspielerin, ihre dargestellten Emotionen sind schon fast greifbar. Und auch Jocob Hetzner überträgt in seiner Rolle als Jesus die Qualen und Gefühle, die er durchstehen muss, auf die gesamte Arena. Ohne Ausnahme zeigen alle auf der Bühne zu sehenden Künstlerinnen und Künstler eine fantastische Leistung. Selbst als der Regen auf die Bühne prasselte und die Darstellerinnen und Darsteller durchnässte, verzogen diese keine Miene, was von höchster Professionalität zeugt.
Im Verlauf des zweiten Aktes beruhigte sich das Wetter auch schon wieder.
Alles in allem ist diese Inszenierung aller Ehren wert und eine Glanzleistung aller Beteiligten. Es zeigt, wie rockig Hochkultur sein kann, was auch der Altersdurchschnitt von Jung bis Alt im Publikum beweist.
Mit SISTER ACT wird 2024 erneut ein Film zum Musical erweckt, ein Stück was wahrscheinlich wenigen Tirolerinnen und Tirolern bekannt ist. Man darf gespannt sein, wer die Produktion übernehmen wird.
4 von 6 Sternen: ★★★★
Kritik: Jacqueline Hueber; Fotos: Victor Malyshev
www.musicalsommer.tirol
22.07.2023 - Stadttheater Baden/ NÖ
CABARET
Nirgendwo sind in Girls and Boys so schön wie im Kit Kat Club, sogar das Orchester ist wunderschön. Und so begrüßt diesen Sommer Drew Sarich als der Conférencier die Zuschauer:innen im Stadttheater Baden - „Willkommen! Bienvenue! Welcome!“ - und entführt sie in das verruchte, zügellose Deutschland der 1930iger Jahre.
Als transsexueller Conférencier, der mit seinem Kostüm den Umbruch symbolisiert, erzählt er die Geschichte ohne sie zu bewerten und provoziert mit einem Augenzwinkern das Publikum. CABARET ist eine schockierende Gesellschaftsanalyse als Musical verpackt und immer noch aktuell. Drew Sarich beeindruckt in seiner Rolle, sowohl gesanglich als darstellerisch. Seine kühlen Auf- und Abgänge sind geschmeidig und elegant in High Heels, mit seinen kritischen Blicken macht er sich die Figur ganz zu eigen.
Berlin in den 1930iger Jahren ist eine pulsierende Stadt voller Leben und Toleranz. Das Leben wird ausschweifend und zügellos gefeiert. Moral ist nur ein Wort. Die Geschlechterrollen werden neu definiert. Aber man spürt schon die heranrollende Wende, die nicht aufzuhalten ist. Im Kit Kat Club ist die Welt noch in Ordnung, so scheint es. Zumindest empfindet das die in politischer Hinsicht naive Sally Bowles.
Natürlich ist Sally Bowles eine fiktive Figur, basiert aber auf Jean Ross, einer britischen Schauspielerin. Die Figur erschien 1939 im Roman „Goodbye to Berlin“ von Christopher Isherwood und ist zentrale Figur im Bühnenstück „I am a Camera von John Van Druten“ (1951). Jean Ross war 19 Jahre alt, als sie Inspiration für die Figur der Sally war. Ein Alter, bei dem man jemandem diese Naivität noch abnimmt.
Ann Mandrella ist eine starke Persönlichkeit mit ebenso starker Bühnenpräsenz. Doch sie überzeugt nicht als 19-jähriges Mädchen. Aber warum muss Sally Bowles auf so jung inszeniert werden. Eine Nachtclubsängerin darf ruhig auch älter und reifer sein. In den Szenen, in denen sie die naive 19-jährige auslässt, ist Ann Mandrella überzeugend charmant, verrucht, verzweifelt und kämpferisch.
Alexander Donesch gibt einen soliden, sympathischen Cliff.
Doch Maya Hakvoort und Artur Ortens als Fräulein Schneier und Herr Schulz sind das Paar der Herzen. Sie berühren das Publikum mit kleinen Gesten. Vor allem Maya Hakvoort erschüttert mit Schwermut, Verbitterung, der aufkeimenden Verliebtheit und ihrer Selbstzerstörung durch ihr Vernunftdenken. Artur Ortens ist ihr liebevoll und positiv denkender Gegenpart mit unheimlicher Wärme und Zuneigung.
Die Frau mit den meisten Cousins, dessen Namen sie sich nicht merken kann, ist Fräulein Kost, hervorragend kokett von Iva Schell verkörpert.
Die Inszenierung von Leonard Prinsloo ist klassisch mit sehr feinen, effektiv eingesetzten Szenen, in denen der Nationalsozialismus einen bitteren Nachgeschmack bekommt und betroffen macht, wie die imposante Schlussszene, in der die offenbart wird, wie viele Juden unter den bekannten Gesichtern vernichtet wurden, welche bis vor kurzem noch ein Teil der deutschen Gesellschaft waren. Einfach mit Schüssen ausgelöscht.
Die Kostüme (Mareile von Stritzky) und auch das Bühnenbild (Alexandra Burgstaller) bieten keine kreativen Überraschungen und sind an die 1930er Jahre angelehnt. Christina Comtesse sorgt für eine dezente Choreographie, bei der auch das Ballett der Bühne Baden zum Tragen kommt.
Bis auf die Auftritte von Drew Sarich, Maya Hakvoort und Artur Ortens ist die Badener Produktion von CABARET solide und eher unspektakulär. Diese drei rechtfertigen jedoch alleine schon einen Besuch in Baden im Sommer 2023.
4 von 6 Sternen: ★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Christian Husar
21.07.2023 - Felsenbühne Staatz/ NÖ
ZORRO - Das Musical
Die Premiere
Wenn diesen Sommer die Sonne bei der Ruine von Staatz untergeht, ist die Zeit für den Rächer der Armen gekommen. Zorro hat seinen großen Auftritt, eine imposante und geheimnisvolle Figur mit Maske und Umhang, die sich wagemutig gegen das Böse und vor allem gegen den Bruder stellt.
Seit 1919 begeistert Zorro Millionen von Menschen. Zahlreiche Bücher und Filme stellten ihn in den Mittelpunkt und seit 2008 auch ein Musical von Stephen Clark und Helen Edmundson mit der Musik der Gypsy Kings. Neun Monate lang war das Musical am Londoner West End Spielplan in der Saison 2008/ 09 zu sehen. Die deutsche Erstaufführung folgte 2015 in Tecklenburg mit Armin Kahl in der Titelfigur. Und nun erklingen die spanisch lateinamerikanischen Rhythmen unter der musikalischen Leitung von Gregor Sommer auch in der Naturkulisse der Felsenbühne Staatz.
Das Stück schwankt zwischen Drama und Komödie, oft verwischt sich jedoch die Grenze und so wirken manche Szenen (un-)gewollt peinlich. Anspielungen auf andere Musicals sind inkludiert, wie die Badewannenszene von „Tanz der Vampire“.
Im Mittelpunkt der Geschehnisse steht das ungleiche Brüderpaar Diego und Ramon. Stefan Bleiberschnig überzeugt sowohl gesanglich als auch darstellerisch als Diego alias Zorro. Mal ist er Womanizer, dann Held oder Narr, wie es eben die Situation erfordert. Dabei ist er teilweise überfordert, kann sich aber stets noch vor einer Enttarnung retten. Unverständlicher Weise steht er zwischen zwei Frauen, Luisa und Inez, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Warum er sich in die naive, ungezügelte Luisa verliebt, wenn er bereits mit der selbstbewussten, feurigen Inez zusammen ist, bleibt ein Geheimnis der Autoren. Vielleicht sind es aber auch nur die sentimentalen Erinnerungen aus Kindheitstagen.
Victoria Demuth als Inez verfügt über eine starke Bühnenpräsenz und weiß ihre Reize gekonnt in Szene zu setzen. Sie hat Temperament und ihr Spiel ist voller Leidenschaft und so der Gegenpart zu Anna Burger als Luisa, die zwar Kampfgeist beweist, aber eher hitzköpfig wirkt.
Die interessanteste, weil auch vielschichtigste Figur ist Ramon, wunderbar von André Bauer verkörpert. Es sind die äußeren Umstände, die ihn zu dem Bösewicht gemacht haben, der er nun ist. Ausdrucksstark setzt er seine Zerrissenheit in Szene, schwankt zwischen Täter und Oper. Er berührt emotional, um zugleich auch abstoßend zu wirken. Er kämpft beharrlich um die Liebe von Luisa, erschießt aber im nächsten Augenblick kaltblütig einen seiner Wachleute, weil er nicht richtig singen kann.
Werner Auer als Sergeant Garcia, dessen Liebe für Inez entflammt ist, ist köstlich amüsant, sein Auftreten imposant.
Das Bühnenbild fügt sich sehr harmonisch in die Naturkulisse ein. Mittels Projektionen werden die einzelnen Szenen verstärkt. Man bedient sich nur weniger Requisiten, wie etwa einen Zigeunerwagon der Gypsy Truppe.
ZORRO ist ein unterhaltsames Musical, ohne wirklichen Tiefgang und bei dem die Hits der Gypsy Kings Stimmung und gute Laune machen.
4 von 6 Sternen: ★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Harald Schillhammer
19.07.2023 - Johann Pölz-Halle/ Amstetten NÖ
Musicalsommer Amstetten 2023
JERSEY BOYS
Die Premiere
Mit seiner packenden Handlung, eingängigen Songs und mitreißenden Performances hat sich Jersey Boys als ein Dauerbrenner auf den Bühnen weltweit etabliert und beeindruckt mit der einzigartigen Geschichte und dem Soundtrack der legendären Band „The Four Seasons“.
Das Musical JERSEY BOYS wurde von Marshall Brickman und Rick Elice geschrieben, die Idee für das Musical entstand, als Bob Gaudio, der Songwriter der „The Four Seasons“, von den Erfahrungen der Band erzählte. Das Stück gewann mehrere renommierte Preise, darunter den Tony Award für das Beste Musical. Nun begeistert die deutschsprachige Erstaufführung von JERSEY BOYS auch das Publikum in der Johann Pölz-Halle in Amstetten, im Zuge des Musical Sommer 2023.
JERSEY BOYS behandelt den Aufstieg der Band in den 1960er Jahren, ursprünglich kommend von den Straßen von New Jersey, in den Musikolymp. Der Fokus liegt auf den vier Mitgliedern der Gruppe: dem talentierten Sänger Frankie Valli (Charles Kreische), dem Songwriter Bob Gaudio (Lukas Mayer), dem Bassisten Nick Massi (Alexander Auler) und dem Gitarristen Tommy DeVito (Fin Holzwart). Der Handlungsstrang des Musicals folgt ihrem steinigen Weg zum Ruhm, während sie sich mit finanziellen Problemen, Bandkonflikten und persönlichen Herausforderungen auseinandersetzen müssen. Das Publikum wird Zeuge der Entstehung ihrer größten Hits wie "Sherry", "Big Girls Don't Cry" und "Walk Like a Man".
Die Besetzung der Bandmitglieder beeindruckt auf allen Ebenen an diesem Abend. Ausdruck, Gesang, Tanzeinlagen und Schauspiel hinterlassen einen nachhaltig mitreißenden Eindruck. Der bemerkenswerte Stimmumfang von Charles Kreische, die Besonnenheit von Alexander Auler, die ausgezeichnete Gefühlsübertragung durch Lukas Mayer und die Verkörperung des schmierigen präpotenten Bandgründers durch Fin Holzwart - ein kleiner Auszug einer fantastischen Kombination auf der Bühne, die Augen und Ohren nachhaltig fesselt. Auch die Nebenrollen und das gesamte Ensemble sind top motiviert und vor allem bei den gemeinsamen Choreografien schwappt die Spielfreude, der Elan und die Energie auf das Publikum über.
In der niederösterreichischen Stadt Amstetten vereinen sich für die Premiere des Musical Sommer 2023 mit JERSEY BOYS eine Top-Besetzung mit einer Top-Leistung. Es ist ein Musical-Abend, der das Publikum mit guter Laune und viel Respekt für alle Beteiligten zurücklässt: ein logisch aufgebauter Handlungsstrang, fetzige Choreografien, 7 Tonnen eigens angefertigtes Stahlbühnenbild, altbekannte Ohrwurm-Songs zum Mitwippen und Mitklatschen, gut platzierte Pointen und eine spielmotivierte und leidenschaftliche Besetzung.
Unsere Empfehlung: Schnell noch Restkarten sichern, um diese grandiose deutschsprachige Erstaufführung in Amstetten noch bis 12. August zu erleben – Oh, what a night!
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Sophia Kriwanek;
Fotos: Agentur ...und Punkt / Gerhard Sengstschmid
28.06.2023 - Tschauner Bühne/ Wien
TSCHAUNER ENTERPRISE
Die musikalische Stegreif Revue
Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2023. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Tschauner Enterprise, das unterwegs ist, um unentdeckte Energien für Wien zu entdecken. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt sie dabei in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.
Die Mannschaft, der Hoffnungsträger der Wiener Linien, besteht aus Captain Jörg, der wohl schönste Captain des Weltalls und wird von Jürgen Kapaun wunderbar eitel, aber sympathisch verkörpert. Er erinnert an Barbies Ken, bewaffnet mit Lipgloss und heißem Modelgang inclusive Hansi Hinterseer Föhnwelle.
Isabel Meili gibt Lieutenant Elvira, die Influencerin mit Wiener Temperament und galaktischem Sprechtempo. Da kamen die Pointen am laufenden Band in Warpgeschwindigkeit. Mit ihrem Smartphone nimmt sie ihre Follower:innen mit auf die abenteuerliche Reise und berichtet über jedes noch so unwichtige Detail.
Mr. Speck (Thomas Schreiweis), halb Waldviertler halb Mensch und sprachlich dem deutsch-böhmischen Dialekt zugewandt, befindet sich in seiner alle sieben Jahre wiederkehrenden Brunftzeit. Gerade jetzt, wo er traditionell eine Postlerin ehelichen möchte, die er allerdings erst finden muss, bekommt er keinen Urlaubsschein.
Auf ihrer Mission trifft die Mannnschaft auf die resolute Mama Vader (Eva D.), die eigennützig Energie aufsaugt. Sie ist Herrscherin des Vergnügungsparks Halli Galli. Die Crew verliert immer mehr Kontrolle über ihre Emotionen. Vorrangig möchte sie ihren Sohn Hot Dog (Bernhard Viktorin), der halb Hund, halb Mensch ist, mit einer Prinzessin (Valerie Bolzano) verheiraten. Die wiederum ist in den Schlagersänger Space Cowboy (ebenfalls Bernhard Viktorin) verliebt. Der Hundesohn verliebt sich in Elvira und Mama Vader hat ein Auge auf Jörg geworfen. Ein Highlight ist Mama Vaders Verführung von Captain Jörg in ihre Space Speis mit dem Musical-Hit „Sei bereit“. Ihre Gesichtsmimik, ihr imposantes Auftreten, gepaart mit trockenem Humor und Selbstironie begeistert das Publikum. Eine Ähnlichkeit zu Hella von Sinnen kann ihr nicht abgesprochen werden.
Die Zuschauer:innen machten bei „Ein Stern, der meinen Namen trägt“, dem einzigen Hit des Space Cowboys, tatkräftig mit Händen in der Höhe mit. Da kam Stimmung auf. Am Ende löste sich die turbulente Mission, mit viel Wiener Schmäh und passenden Songs, für alle Mitwirkenden in Wohlgefallen auf.
Unter der Regie von Andy Hallwaxx feierte die unterhaltsame und kurzweilige Stegreif Revue TSCHAUNER ENTERPRISE am 28. Juni auf der Tschauner Bühne Premiere.
Die Choreografie von Lilly Kugler-König sind flott und mitreißend. Aufwendig gestaltet das Bühnenbild von Petra Fibich-Patzelt. Der erste Akt spielt im Raumschiff, im zweiten findet man sich auf dem bunt-schillernden Planeten Halli Galli wieder. Das Ein-Mann-Orchester Florian Schäfer sorgte für die perfekte musikalische Begleitung.
Die gelungene Space Odyssey endete mit dem Queen-Klassiker „Don’t stop me now“.
TSCHAUNER ENTERPRISE bis 03.09.2023 auf der TSCHAUNER Bühne.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Bettina Frenzel
26.06.2023 - Raimund Theater/ Wien
WE ARE MUSICAL - THE NEXT GENERATION
Die Vereinigten Bühnen Wien (VBW) und die Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK) holten am 26. Juni bereits zum fünften Mal den Absolventenjahrgang der MUK auf die große Musicalbühne des Raimund Theater. Im Rahmen von WE ARE MUSICAL - THE NEXT GENERATION treten angehende Musicalstars von morgen zusammen mit aktuellen Musicalgrößen auf. Die AbsolventInnen Bianca Basler, Marlene Fröhlich, Fabian Koller, Janik Oelsch, Cedric Schröter, Victoria Sedlacek, Benedikt Solle und Ann-Charlotte Wittmann bekamen hierdurch die Möglichkeit, sich einem breiten Publikum vorzustellen und die Vielfalt ihres erworbenen Könnens unter Beweis zu stellen. Neben den MUK-AbsolventInnen des diesjährigen Abschlussjahrgangs und den Studierenden des MUK Studiengangs "Musikalisches Unterhaltungstheater" (MUNTER) standen die Stargäste und MUK-Alumni Mark Seibert, Katharina Gorgi, Martin Berger und Moritz Mausser auf der Bühne, welche mit den AbsolventInnen selbstgewählte Songs präsentierten.
Eine Bandbreite an schauspielerischen und tänzerischen Darbietungen wurde dem Publikum des Raimundtheater an diesem Abend serviert. Neben eigenständig choreografierten Tanzeinlagen und neuen Songtext-Übersetzungen wurden auch Chorgesang und Sprechtexte präsentiert. Der Hauptteil des Abends bildeten Exzerpte aus Musical-Klassikern wie "Matilda", "Chicago", "Les Misérables" oder "The Prom". Auch andere Musikstilrichtungen wurden eingebracht, repräsentiert durch "Nessun dorma" aus "Turandot" und "Der Hölle Rache" aus "Die Zauberflöte".
Regisseur und MUK-Dozent Werner Sobotka sorgte für eine reibungslose und heitere Begleitung durch den Abend, untermalt von kleinen Interview-Einschüben zwischen ihm und den Stargästen. Die Liveband mit vier Mitgliedern, unter der musikalischen Leitung von MUK-Lehrendem Peter Uwira, sorgte für schwungvolle und kräftige Untermalung der Veranstaltung.
So vielfältig der Abend aufgefächert war durch unterschiedliche Persönlichkeiten und Stimmen, allen war das große Potential und die immense Bühnenfreude gemein. Das Publikum honorierte dies nicht nur mit großzügigem Zwischenapplaus, auch der wohlverdiente tosende Schlussapplaus spiegelte die Begeisterung des Publikums wider – ein wunderbares 5-jähriges Jubiläum von WE ARE MUSICAL - THE NEXT GENERATION.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Sophia Kriwanek; Fotos: VBW/ Stephanie J. Steindl
14.06.2023 - Tschauner Bühne/ Wien
NONNSENSE
Die kleinen Schwestern vom Flötzersteig
Eine verhängnisvolle Bouillabaisse zwingt die fünf überlebenden Nonnen des missionarischen Ordens „Die kleinen Schwestern vom Flötzersteig“ zu einem Showauftritt in der Tschauner Bühne. Das Kloster wird geplündert, um die Bühne geistlich zu dekorieren, schließlich muss das fehlende Geld für die noch vier zu beerdigenden Nonnen aufgebracht werden. Schwester Oberin setzte ihre Priorität auf einen Selbstbräuner, und so verweilen die Verstorbenen in der Tiefkühltruhe. Jetzt können die fünf Überlebenden ihre versteckten Talente zeigen. Im flippigen Musical NONNSENSE (Bestes Off Broadway Musical 1986) von Dan Goggin wird gesteppt, gesungen und getanzt.
Susanne Rietzals als Schwester Oberin Maria Regina hat es nicht leicht. Sie ist oft der Verzweiflung nahe, muss die unterschiedlichen Nonnen zu Demut und Ordnung anhalten. Köstlich ihr versehentlicher Drogenrausch.
Sascha Ahrens (Schwester Hubert) ist die Nummer zwei, was sie stört und keine Gelegenheit auslässt, ihre Vorgesetzte zu kritisieren.
Nina Weiß gibt die quirlige Schwester Robert Anna, deren Traum die Bühne ist. Ihre Performances bringen großes Musical-Theater Flair auf die kleine Bühne.
Bettina Bogdany als Schwester Amnesia ist ein Highlight des Abends. Aufgrund ihrer Amnesie ist sie naiv, vergesslich und ist ständig auf der Suche nach sich selbst. Ihr Publikumsquiz ist frisch und heiter und sie zeigt dabei eine Menge Schlagfertigkeit.
Daniela Lehner träumt als Schwester Maria Leo von einer Karriere als Tänzerin.
Unter der Regie von Markus Richter – er zeichnet sich auch für die musikalische Leitung verantwortlich - entstand eine witzige, auf Wien zugeschnittene, sehr gelungene Version des Musicals. Spritzig, kurzweilig, mit tollen Einfällen, wie etwa die Zuspielung eines Videos über einen Praterbesuch im Slapstick-Stil der Stummfilmzeit.
Die schwungvolle Choreographie stammt von Lilly Kugler-König, das Bühnenbild entwarf Petra Fibich-Patzelt, das Kostümbild Barbara Langbein.
Das Musical, welches auch schon erfolgreich im Theater 82er Haus in Gablitz aufgeführt wurde, ist ein wahrer Geheim-Tipp für den heurigen Sommer. Wir wünschen gute Unterhaltung im Heurigen-Flair der Tschauner Bühne im 16. Wiener Gemeindebezirk.
NONNSENSE – von 15.06. - 04.09.2023 auf der TSCHAUNER Bühne.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Bettina Frenzel
13.06.2023 - Wiener Stadthalle
DIRTY DANCING
DIRTY DANCING ist Kult – zumindest beim Publikum! Das zeigte sich auch bei der Premiere in der Wiener Stadthalle.
Die Liebesgeschichte zwischen Baby und dem Tanzlehrer Johnny ließ bereits Generationen an jungen Mädels schmachten. Der Film aus dem Jahre 1987 spielte weltweit 218 Milionen US Dollar ein. Das Budget für den Film betrug lediglich 6 Millionen Dollar, was man ihm auch ansieht. „(I´ve Had) the Time Of My Life“ (geschrieben von Franke Previte, John DeNicola und Donald Markowitz, gesungen von Bill Medley, Jennifer Warnes) wurde 1988 bei den 45. Golden Globe Award sowie den Oscars als bester Film Song ausgezeichnet. Patrick Swayze und Jennifer Grey wurden mit diesem Tanzfilm weltberühmt. Und Sätze wie, „Mein Baby gehört zu mir“, oder „Ich habe eine Wassermelone getragen“, sind legendär.
Für die Musical-Inszenierung 2023 hat man durchaus versucht, ernstere Themen aufzugreifen. Doch der nur am Rande gestreifte Rassenkonflikt in den USA wirkt einfach zu konstruiert und störend. DIRTY DANCING ist, wie auch „Dancing Stars“ eine Tanzshow, nicht mehr und nicht weniger, mit stark kubanischen Elementen und dem Mambo als Haupttanzform. Inhalt und Gesang rücken in den Hintergrund. Unter der Regie von Alex Balga entstand eine rasante Bühnenfassung, die sich stark am Film orientiert. Durch abrupte Szenenbreaks erhält das Stück Dynamik, wenngleich der Spielfluss dadurch verloren geht und jegliches Aufkommen von Emotionen erstickt wird.
Beeindruckend hingegen die Choreografie von Austin Wilks.
Tänzerisch herausragend Isabelle Vedder als Penny.
Máté Gyenei und Deike Darrelmann als Baby und Johnny avancieren zu den Publikumslieblingen, wobei es bei Máté genügt seinen Oberkörper frei zu machen – was auch bewusst und überaus peinlich in Szene gesetzt wird. Man kann sich auch des Eindrucks nicht erwehren, dass die Chemie zwischen den beiden nicht stimmt. Die Verführungsszene wirkt doch recht einstudiert. - Dass sich Patrick Swayze und Jennifer Grey nicht ausstehen konnten, ist hinlänglich bekannt. Von den Zuschauer:innen blieb dies jedoch unbemerkt. – Nichtsdestotrotz, bei der Hebefigur am Schluss sind die weiblichen Fans am ausrasten.
Das Tanzensemble versieht einen guten Job und ist optisch ein Hingucker. Die übrigen Figuren können sich nicht wirklich entwickeln, versuchen jedoch ihr Bestes.
DIRTY DANCING ist und bleibt Kult unter den Teenies und junggebliebenen Frauen, egal, wie banal die Story ist und wie klischeehaft die Charaktere sind. Der Tanz und die Musik sprechen für sich – und das auch bei der Tournee 2023. Ein B-Movie als Musical Adaption hat ja auch schon bei „Die Rocky Horror Show“ erfolgreich funktioniert.
Die Show ist noch bis 25.6. in Wien zu sehen und wechselt dann vom 27.6.-9.7. in die Grazer Oper, bis vom 11.7.-6.8. das Landestheater Linz die Endstation der Tournee sein wird.
3 von 6 Sternen: ★★★
Kritik: Wolfgang Springer; Fotos: Jens Hauer
12.06.2023 - Das Vindobona/ Wien
MUSICAL SOUVENIRS
In einem Künstlerleben sammeln sich im Laufe der Zeit so einige Erinnerungsstücke an. Sei es Ensemble-Jacken kleine Requisiten oder Kostüme, die nicht mehr benötigt werden. Diese Souvenirs standen am 12. Juni 2023 im Mittelpunkt der Musical Show MUSICAL SOUVENIRS im Vindobona.
Denise Jastraunig, Silke Braas-Wolter, Florian Fetterle und Lucius Wolter, erweitert um Maximilian Klakow (Gesang und Klavier), hatten einige ihrer Andenken mitgebracht, mit denen Florian Fetterle die Bühne dekorierte. Sie dienten für kleine Anekdoten oder Gesangsübergänge, wie etwa ein Boxhandschuh aus „Rocky“, eine Hose und Fächer aus „Tanz der Vampire“ oder ein Armband aus „We Will Rock You“. Da Mitbringsel immer etwas nostalgisches an sich haben, schwelgten die fünf auch musikalisch in ihren Musical-Erinnerung und Stücken, die sie bereits auf der Bühne gespielt haben, schließlich haben sie gemeinsam über 70 Jahre Bühnen Erfahrung gesammelt.
Ihre persönlichen Highlights waren ein buntes Potpourri aus „Tanz der Vampire“, „Tarzan, „Cats“, „Besuch der alten Dame“ oder „Jekyll und Hyde“, um nur einige zu nennen.
Text-Änderungen und witzige Einfälle machten den Abend frisch und anders und setzte sich so von den üblichen Konzerten ab. Aber auch bei der Auswahl der Lieder wurde nicht auf das übliche Mainstream-Repertoire gesetzt. So wurde aus „Elisabeth“ „Nur kein genieren“ ausgewählt oder „Der doppelte Schwur“ aus „Les Misérables“.
Besonders einfallsreich gestaltete sich „Ein gefährliches Spiel“ aus „Jekyll und Hyde“. Maximilian Klakow nahm das Brettspiel „Mensch ärgere dich nicht“ mit auf die Bühne und mit Silke Brass Wolter wurde dies dann ebenfalls ein sehr emotional geladenes Spiel inklusive Bewurf mit Spielsteinen.
Da gleich zwei ehemalige GUS aus der Wiener „Cats“-Produktion anwesend waren, wurde der Theaterkater von beiden gesungen, einer kränklich und greisenhafter als der andere.
Mit „Heute beginnt der Rest deines Lebens“ wurde das begeisterte Publikum verabschiedet.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
09.06.2023 - Das Vindobona/ Wien
Anita Eberwein: DALIDA
Es war ein Leben voller Höhen und Tiefen. Sie lebte für die Bühne und feierte dort ihre großen Erfolge. Im Privatleben waren Depressionen und Todessehnsucht ihr ständiger Begleiter. Iolanda Cristina Gigliotti, bekannt als Dalida, war eine französische Sängerin und Schauspielerin mit italienischen Wurzeln und wurde am 17.1.1933 in Kairo geboren. Sie verkaufte über 140 Millionen Platten und entdeckte sich immer wieder neu. So blieb sie auch über Jahrzehnte erfolgreich. „Paroles Paroles“ mit Duettpartner und damaligen Lebensgefährten Alain Delon wurde ihr größter Hit. So schillernd ihr künstlerisches Leben war, so triste war ihr Privatleben. Immer wieder verliebte sie sich neu. Einige ihrer Exliebhaber begingen Selbstmord, wie als Protest Luigi Tenco, da beide nicht in das Finale des San Remo Festivals gekommen waren. Daraufhin unternahm sie selbst einen Selbstmordversuch, der missglückte. Am 3. Mai 1987 beendet sie schließlich ihr Leben mit Schlaftabletten. Sie hinterlässt die Worte: „….. das Leben ist mir unerträglich vergib mir.“
Mit dieser Todesnachricht beginnt das ein Ein-Personen-Stück von und mit Anita Eberwein. Der Fernsehbeitrag wird ausgeblendet und Dalida erhebt sich von einem Diwan, um ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Manchmal, wenn die Geschichte vorangetrieben wird, steigt sie aus der Rolle aus und Anita Eberwein fungiert als Erzählerin. Die Anekdoten bilden die Übergänge zu den Liedern, die für diesen Abend von Herbert Othal für das vierköpfige Orchester arrangiert werden. Die Umsetzung gestaltet sich sehr aufwändig mit mehreren Kostüm- und Perückenwechsel, sowie Videoeinspielungen. Bis auf die Perücken ist alles perfekt und stimmig. Diese hätten ein Styling dringend nötig, um glamouröser wirken zu können.
Anita Eberwein spiegelt geschickt mit Gestik und Mimik die Höhen und Tiefen Dalidas emotional wieder, in der Stimme wären allerdings noch mehr Nuancen wünschenswert. Da plätschert so mancher Song nur gemächlich vor sich hin. Aber, wie bei all den Stücken über bekannte Sänger:innen ist es ohnehin eine Voraussetzung, dass man die Person und deren Musik liebt.
Im Oktober gibt es für Dalida-Fans im Vindobona nochmals die Gelegenheit, die Diva in Gestalt von Anita Eberwein zu erleben.
4 von 6 Sternen: ★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
13.05.2023 - Musiktheater Linz/ OÖ
BÄM! 10 Jahre Musicalensemble Linz
In der oberösterreichischen Landeshauptstadt blickt man anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Linzer Landestheaters auf 49 Musical-Premieren zurück, davon 6 Uraufführungen und über 2 Millionen begeisterte Theaterbesucher. Das gibt Anlass, mit BÄM! 10 Jahre Musicalensemble Linz die letzten 10 Jahre der Musicalsparte inklusive Ensemble hochleben zu lassen. Die Konzeption der 12 Vorstellungen im Mai und Juni 2023 stammt von der künstlerischen und musikalischen Leitung der Musicalsparte am oberösterreichischen Landestheater, Matthias Davids (auch zuständig für Bühnenbild und Kostüme) und Tom Bitterlich. Texte und Dramaturgie der Jubiläumsveranstaltung stammen von Arne Beeker, welche durch die Inszenierung von Cecilia Ward und die Choreografie von Hannah Moana Paul vervollständigt werden.
Mit viel Begeisterung, Herzblut und Witz wird die Vorstellung von Daniela Dett, Christian Fröhlich, Hanna Kastner, Karsten Kenzel, Sanne Mieloo, Joel Parnis, Gernot Romic, Lukas Sandmann, Celina dos Santos und Bettina Schurek getragen. Zusätzlich zu dieser Besetzung werden für jede Vorstellung mindestens zwei ehemalige Ensemblemitglieder eingeladen. Am Premierenabend begeistern Lisa Antoni und Rob Pelzer das Publikum.
Die Vorstellungen werden musikalisch durch das Brucknerorchester Linz, dirigiert von Tom Bitterlich, und dem Chor des Landestheaters Linz begleitet. Orchester und Chor überzeugen bereits in der Vergangenheit durch ihre geschlossene Passion, Kraft und Konstanz. Dieser Premierenabend stellt hierbei keine Ausnahme dar. Umgarnend und vervollständigend tragen die MusikerInnen und Chormitglieder zu einem beeindruckenden Abend bei. Zusätzlich schaffen die eingesetzten Lichteffekte (Simon Wagner) szenisch passende Atmosphären.
Rob Pelzer präsentiert zusammen mit Joel Parnis die beschwingte Nummer "Verführerschule" aus In 80 Tagen um die Welt, welche von beiden mit viel Witz und charmantem Schauspiel verfeinert wird. Die, von Lisa Antoni gesungene Hitnummer "Gabriellas Song" aus Wie im Himmel wird durch die Platzierung der Chormitglieder auf den Parkettseiten eindrucksvoll intensiviert und sorgt für einen besonderen Gänsehautmoment an diesem Abend.
Exemplarisch für das hohe Niveau am Landestheater Linz sind vor allem die Auszüge aus Les Misérables und die Zugabe "Reprise Gute Fahrt" aus Titanic. Sie zeigen einmal mehr die einzelnen ausgezeichneten Qualitäten des Orchesters, Chors und des Ensembles am Landestheater Linz auf und kombinieren sie zu einer reibungslosen und eindrucksvollen Einheit.
Man darf gespannt auf das Programm der nächsten 10 Jahre am Linzer Landestheater sein, auf das sie den Esprit und die Innovation der letzten Jahre beibehalten. Wir freuen uns darauf!
Wer sich BÄM ansehen möchte, es stehen noch einige Vorstellungen bis 8. Juli auf dem Spielplan.
6 von 6 Sternern: ★★★★★★
Kritik: Sophia Kriwanek; Fotos: Reinhard Winkler
www.landestheater-linz.at/musiktheater
11.05.2023 - Komödie am Kai/ Wien
ALLE SIEBEN WELLEN
Was wurde aus Emmi Rothner und Leo Leike nach ihrem gescheiterten Happy End in „Gut gegen Nordwind“ von Daniel Glattauer?
Die beiden hatten sich im Internet kennengelernt und fanden jeweils den Menschen, der ihre Wünsche und Sehnsüchte zu erfüllen schien. Es war das Gefühl des gehalten und aufgefangen werden, wonach sie strebten, aber daran scheiterten.
Seit 11. Mai hat man nun die Gelegenheit die Fortsetzung ALLE SIEBEN WELLEN in der Komödie Kai zu erleben.
Ulrike Zemme‘s Bühnenfassung und unter der Regie von Sissy Boran und Andrea Eckstein entstand eine emotional feinfühlige Komödie, die traurig und leicht zugleich ist.
Anne Sophie Krenn und Anatol Rieger kämpfen erneut mit ihren Hoffnungen, Sehnsüchte und Enttäuschungen. Es sind gewaltige Gefühlswellen, die auf sie zukommen. „Die ersten sechs sind ausgewogen und bringen keine Überraschungen, aber Achtung vor der siebten Welle! Für sie gibt es kein vorher, nur ein jetzt und danach ist alles anders.“
Nach einer Schreibpause von einem Jahr haben beide immer noch Gefühle füreinander. Emmi lebt nach wie vor mit ihrem Ehemann Bernhard zusammen und Leo hat Pamela kennengelernt. Doch die Sehnsucht aufeinander entflammt erneut. Ihre Emails werden erneut zum Mittelpunkt ihres Lebens. Sie sind sich sofort wieder vertraut, aber zugleich immer noch fremd. Man will den anderen diesmal endlich persönlich kennenlernen, obwohl ein wenig Angst vor einer Enttäuschung noch da ist. Was ist, wenn der andere oder man selbst nicht den Erwartungen entspricht. Eine lange Zeit hat man sich ein Phantasiegerüst aufgebaut. Dieses könnte mit einem Schlag zusammenbrechen.
Doch aller Zweifel erhaben wagen sie den Schritt des persönlichen Kennenlernens.
Durch den anschließenden E-Mail-Verkehr erfährt man, wie die Treffen verlaufen sind. Dabei wird das Schreiben und Lesen von den Hauptdarstellern emotional vorgetragen. Großartig sarkastisch und eifersüchtig Anna Sophie Krenn.
Anatol Rieger berührt zutiefst mit seinen affektiven Ausbrüchen.
Die Intensivität derer beiden Spiel nimmt stetig zu. Man fühlt, man leidet mit ihnen. Die Gefühle, Gedanken und Reflexionen werden über die schnelle Mailkonversation lustig, witzig, ernst oder auch traurig und verzweifelt wieder gespiegelt.
Mit ALLE SIEBEN WELLEN hat der Autor ein sehr intimes, berührendes und zum Nachdenken anregendes Stück geschrieben, das nahtlos an den ersten Teil anschließt, mit gleich hoher Qualität verfasst und herausfordernd zu spielen, aber in jeder Hinsicht wunderbar in der Komödie am Kai auf die Bühne gebracht.
Bis 24. Juni, sowie 22. bis 26. August & 19. bis 23. September 2023
6 von 6 Sternern: ★★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Komödie am Kai
09.05.2023 - Freie Bühne Wieden/ Wien
ACHTSAM MORDEN
„Sei achtsam bei allem, was du tust! Nimm dir Zeit. Ob du Zeit mit deiner Familie verbringst, arbeitest oder mordest, sei stets achtsam.“
Work-Life-Balance erlebt derzeit einen großen Boom in unserer Gesellschaft. Überall werden Seminare und Weiterbildungsprogramme angeboten. Achtsamkeit ist das Schlagwort, mit dem man inneren Frieden erzielen soll. Dass man aber seine Karriere mit „Achtsamkeit“ auf kriminellem Weg fördern kann, zeigt Karsten Dusse in seinem Roman ACHTSAM MORDEN auf äußerst ironische Art.
Von seiner Frau zu einem Achtsamkeitsseminar bei Frau Dr. Breitner verdonnert, um seine Ehe ins Reine zu bringen, sich als guter Vater zu beweisen und die unausgeglichene Work-Life-Balance wieder herzustellen, lernt der Rechtsanwalt Björn Diemel dessen Grundzüge kennen und entdeckt.
Der Kurs trägt Früchte und Björn kann das Gelernte sogar in seinen Job integrieren, allerdings anders als gedacht. Denn als sein Mandant, ein brutaler und mehr als schuldiger Mafiaboss, beginnt, ihm ernstliche Probleme zu bereiten, bringt er ihn einfach um - und zwar nach allen Regeln der Achtsamkeit.
Nach dem großen Erfolg in Deutschland feierte das Stück ACHTSAM MORDEN von Karsten Dusse in der Bühnenbearbeitung von Bernd Schmidt seine Österreich-Premiere im Theater Wieden. Karsten Dusse, selbst Rechtsanwalt, hat mit viel schwarzem Humor seinen Berufsstand in den Mittelpunkt des Geschehens gestellt. 2018 erschien der Spiegel Bestseller im Heyne Verlag und Netflix hat eine Verfilmung in Form einer Serie für 2023 angekündigt.
Marcus Strahl als Björn Diemel ist genial, ein Mephisto im Schafspelz. Er wird vom schwer gehetzten Anwalt fürs Grobe, wie er sich selbst bezeichnet, zum tiefenentspannten Mörder.
Sein Achtsamkeitscoach Michaela Ehrenstein ist mit so mancher Extraeinlage ein Highlight des Abends, vor allem bei ihrer Buchpräsentation.
Robert Kolar und Eva Christina Binder schlüpften in die verschiedensten Rollen, mit jeweils eigenen, unverkennbaren Charakterzügen.
Unter der Regie von Nici Neiss ist eine kurzweilige, äußerst unterhaltsame Inszenierung des Bestsellers gelungen. Die immer wieder aus dem Stück aussteigenden Sequenzen von Marcus Strahl, in denen er mit dem Publikum spricht, die rasanten Szenen und der schwarze Humor machen ACHTSAM MORDEN erfrischend anders.
Für alle die entschleunigen und achtsam morden wollen, sollten zu Doktor Breitner in die Freie Bühne Wieden kommen.
Vorstellungen bis 27. Mai, 19.30 (außer So/Mo)
6 von 6 Sternern: ★★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Robert Peres
07.05.2023 - Komödie am Kai/ Wien
LOVE LETTERS
Heutzutage wäre es eine Cyberliebe, aber wir befinden sich im Jahre 1937, wo es nur die Möglichkeit des Briefschreibens gab, was eine große Herausforderung war. Nicht nur, dass man tagelang auf die Antwort warten musste, war auch Kreativität beim Verheimlichen des Empfängers gefragt. Aber bei so einer großen Zuneigung, wie sie Melissa und Andy füreinander empfinden, ist keine Hürde unüberwindbar.
Es ist eine außergewöhnliche Liebesgeschichte über vier Dekaden mit all ihren Höhen und Tiefen in vorwiegend schriftlicher Form. Sie begegnen sich nur ein paar Mal persönlich, vor allem zu Beginn ihrer gemeinsamen Schulzeit, aber sie sind wie die zwei Königskinder, die sich lieben und dennoch nie zueinander finden. Andy bezeichnet Melissa seit ihrer ersten Begegnung in der zweiten Klasse trefflich als „verlorene Prinzessin von Oz“. Sie hingegen sieht ihn als „Sklaven seiner Eltern“, der stets nach deren Wünschen agiert. Es sind zwei Charaktere, die trotz ähnlicher Voraussetzungen, nicht unterschiedlicher sein könnten. Sie können nicht ohne, aber auch nicht miteinander.
Daniela Ziegler ist Melissa, aus reichem, aber unglücklichem Elternhaus. Ihr Seelenzustand spiegelt sich in ihren oft kurzgehaltenen, manchmal sogar einsilbigen Briefen. Mal sind sie lieblich, dann wieder verbittert und ironisch. Melissa ist impulsiv, rebellisch und ein Freigeist, losgelöst von allen Zwängen. Wie bei ihrer Mutter wird der Alkohol ihr Seelentröster, in dem sie Ihre Probleme und Sorgen vergessen kann. Im Gegensatz zu Andy hasst sie Briefe zu schreiben.
Für Andy (Franz Robert Wagner) ist Briefe schreiben jedoch eine Leidenschaft. Nur in diesen Momenten fühlt er sich wahrhaftig lebendig. Er ist ruhig, sorgfältig und plant genau seinen Werdegang. Seine Entscheidungen trifft er mit großer Sorgfalt.
Obwohl ihre Leben gänzlich unterschiedlich verlaufen, bleiben sie stets in Kontakt, egal, ob es Melissa als Künstlerin nach Florenz, Frankreich oder New York verschlägt und Andy Senator und somit Hoffnugsträger vieler wird. Ihre kurzen Begegnungen hingegen sind, bis auf wenige Ausnahmen, eher enttäuschend.
Als es den Anschein eines möglichen Happy Ends hat, wird dieses durch äußere Umstände wieder unmöglich. So bleibt es eine Liebe auf Papier, bis über ihrem Tod hinaus. Erst in seinem letzten Brief an ihre Mutter, gesteht er sich seine wahren Gefühle ein.
Diese so emotionale Liebe auf Papier entdecken die beiden Schauspieler mit so viel Leidenschaft immer wieder neu. Das Stück berührt, ist mal heiter und leicht, dann wieder traurig oder zynisch. Daniela Ziegler und Franz Robert Wagner fesseln das Publikum emotional mit Ausdruck und Mimik und berühren zutiefst in dieser szenischen Lesung, die so traurig aber herzergreifend schön ist.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik & Fotos: Michaela Springer
27.04.2023 - Haus Hofmannsthal/ Wien
In memoriam Gerhard Bronner
UI JESSAS NUR NET SCHLAG´N
„Je ernster eine bittere Wahrheit war, die ich dem Publikum näherbringen wollte, desto überzeugender habe ich sie in Humor verpackt“.
„Man verließ das Kabarett in guter Laune, die Wirkung stellte sich später ein.“ (Gerhard Bronner)
René Rumpold und Johannes Terne widmen sich in ihrem neuen Programm UI JESSAS NUR NET SCHLAG´N dem Tausendsassa mit Anekdoten, Witzen, Liedern von Gerhard Bronner und welche, die er mochte.
Gerhard Bronner, Kabarettist, Komponist, Musiker und Autor schrieb unzählige Lieder mit Themen aus dem realen Alltag oder Politgeschehen. Er ist eine Legende des österreichischen Kabaretts, welches er maßgeblich mitgeprägt hat.
Als 16-Jähriger flüchtete er allein nach Palästina und hielt sich mit Gelegenheitsarbeiten am Leben. Erst 1948 kehrte er nach Wien zurück. Er war der einzige Überlebende seiner Familie mit jüdischen Wurzeln.
1969 schuf er eine Wiener Fassung von „My Fair Lady“ und bearbeitete das Musical „Cabaret“. Legendär seine Travnicek- Dialoge mit Helmut Qualtinger. Unvergessliche Lieder sind unter anderem „Der Papa wird´s schon richten“ oder „Der g'schupfte Ferdl“. Mit dem „Namenlosen Ensemble“ brachte er ab 1956 verschiedene Kabarettprogramme auf die Bühne, entdeckte junge Talente und wirkte im Radiokabarett „Der Guglhupf“ mit.
Als Deutscher war es für Johannes Terne durchaus eine Herausforderung, Wienerlieder im dazugehörigen Dialekt zu interpretieren. Er löste die auf seine charmante und liebenswürdige Art. Beim Marschlied „Ein Freund, ein guter Freund“ („Die Drei von der Tankstelle“, Musik: Werner Richard Heymann, Text: Robert Gilbert) wurden Gedanken an den unvergessenen Heinz Rühmann wach. Rene Rumpold, der Gerhard Bronner persönlich gut kannte und mit ihm auch arbeitete, sang als Höhepunkt des Abends das für ihn geschriebene Lied „Sie liebt mich, sie liebt mich nicht“.
UI JESSAS NUR NET SCHLAG´N bietet jede Menge Abwechslung und Emotionen, welche Rene Rumpold und Johannes Terne auch hervorragend transportieren konnten.
Mit musikalischer Unterstützung von Markus Vorzellner am Klavier erfuhr das Publikum einen kurzweiligen, heiteren Abend, der erst nach mehreren Zugaben ein Ende fand.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik & Fotos: Wolfgang Springer
23.04.2023 - Das Vindobona/ Wien
Das gibt´s nur einmal
Legenden des Tonfilms
Es gibt Künstler:innen, die einfach unsterblich sind. Sie sind Legenden, deren Namen noch lange nach ihrem Tod nachfolgenden Generationen ein Begriff sind.
Oft sind Künstler:in und Song fest verbunden, obwohl diese für sie nicht geschrieben wurden, doch die machten sie zu Welterfolgen. Dabei war das Leben dieser Tonfilmlegenden oft nicht leicht. So stellte sie zum Beispiel der Krieg vor die Wahl für oder gegen den Nationalsozialismus zu sein. Während Marlene Dietrich Deutschland den Rücken kehrte, avancierte Zarah Leander hier zu Lande zum Star.
Susanne Marik widmet ihr Programm DAS GAB´S NUR EINMAL diesen Legenden des Tonfilms. Es ist nur eine kleine Auswahl, wobei sie einen zweiten Teil bereits ankündigte.
Bereits der Titel ist ein unsterblicher Song aus dem Film „Der Kongress tanzt“ aus dem Jahre 1931, interpretiert von Lilian Harvey.
Liebevoll, mit vielen kleinen Anekdoten, hat Susanne Marik das Programm zusammengestellt und wusste so manch amüsantes oder auch tragisches zu berichten. Immer wieder umrahmt mit sorgfältig ausgewählten Liedern.
Special Guest war Michael Fischer als Fred Astaire mit zwei Stepptanznummern.
DAS GAB´S NUR EINMAL ist eine Hommage, unter anderem an Marlene Dietrich, Hildegard Knef, Zarah Leander, Grace Kelly, Marilyn Monroe, Heinz Rühmann, Hans Moser und Charlie Chaplin.
Bela Fischer (und Band) begleitete seine Frau zu „Fesche Lola“, „Ich küsse ihre Hand Madame“, „Davon geht die Welt nicht unter“, „True Love“ oder „Smile“.
Es war eine nostalgische Reise in längst vergangene Zeiten mit unvergesslichen Melodien.
4 von 6 Sternen: ★★★★
Kritik & Fotos: Michaela Springer
21.04.2023 - Schönbrunner Stöckl/ Wien
FLOTTER 3-ER MAGIC mit Tony Rei
In der neuen Dinner Show im Schönbrunner Stöckl wird nicht nur der Gaumen verzaubert. Der „Flotte 3-er magic“ mit dem mehrfachen Weltmeister der Magie Toni Rei verspricht einen magischen Abend. Dazu gibt es ein 4-gängiges Menü mit seinen Lieblingsspeisen.
Das Programm ist in vier Blöcke geteilt, die unterschiedlich gestaltet sind.
Constantin Schenk weist das Publikum fachkundig in die Materie Magie mit historischen Fakten ein und erzählt in Schenk-Manier Witze zur Auflockerung. Bei ihm trifft das Sprichwort, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, hundertprozentig zu. Gestik, Mimik, Betonung, der langsame Spannungsaufbau und vor allem der speziell trockene Humor erinnert stark an seinen Vater Otto.
Tamara Trojani begeistert das Publikum mit ihrer vielseitigen Stimme, welche besonders bei den klassischen Nummern zum Tragen kommt.
Im zweiten Block erzählt Tony Rei Anekdoten aus seinem Leben, in dem er oft das Glück hatte zum richtigen Zeitpunkt am passenden Ort zu sein und so seine Karriere vorantreiben konnte.
Es folgt der magische Teil mit tatkräftiger Unterstützung des Publikums, wobei sich dieser in Summer etwas langatmig entwickelt.
Der letzte Akt wird wieder von den Künstlerwirtsleut´, wie sie sich selbst nennen, gestaltet. Besonders zu erwähnen sind die kreativen Kostüme, die stets auf die Szenen abgestimmt sind.
Mit dem neuen Programm wird das Publikum kulinarisch, akustisch und visuell verzaubert. Trotz der Durchhänger bei der Zaubershow bietet der „Flotte 3-er magic! mit Tony Rei kurzweilige und spaßige Unterhaltung, vor allem für Freunde der Magie.
4 von 6 Sternern: ★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
20.04.2023 - Metropol/ Wien
The Rocky Horror Show In Concert
THE ROCKY HORROR SHOW IN CONCERT im Wiener Metropol erzählt die Geschichte rund um eine österreichische Reisegruppe, welche während einer Rast, beim Anstimmen des Songs "Science Fiction - Double Feature", auf ihre gemeinsame Begeisterung für The Rocky Horror Show aufmerksam wird.
Die Liedtexte werden mit viel Elan auf Englisch gesungen, die Zwischentexte sind meist in deutscher Sprache gehalten. Der Handlungsstrang des Musicals wird durch die Reiseteilnehmer vorwiegend flüssig wiedergegeben, vereinzelte Szenen werden zu hektisch und unübersichtlich dargestellt.
Die Story:
Der lebhafte Reiseleiter (Titus Hollweg) lässt die Geschichte rund um den schüchternen Brad Majors (Raphael Nicholas) und die überdrehte Janet Weiss (Sandra Pires) Revue passieren, die während eines Unwetters in einem Schloss unterkommen. Dort treffen die Verlobten auf den exzentrischen Schlossbesitzer und Wissenschaftler Dr. Frank N. Furter (Pogo Kreiner), der sie in seine Welt der Lust und des Transvestitismus entführt. Während ihres Aufenthalts im Schloss werden die eigenen sexuellen Begierden neu entdeckt und das Paar wird in die Machenschaften von Dr. Frank N. Furter verwickelt, welcher einen künstlichen Mann namens Rocky (Aeneas Hollweg) erschaffen hat, den er als perfekten Liebhaber betrachtet.
Spielfreudig und stimmlich passend wurden auch die weiteren Rollen besetzt. Die gesangliche Darbietung der Darsteller:innen wurde von einer beschwingten Band tatkräftig unterstützt.
Wie bei diesem Musical üblich, wird auch das Publikum im Wiener Metropol dazu aufgefordert, interaktiv an der Vorstellung teilzunehmen, indem sie beispielsweise die Darsteller:innen mit Konfetti bewerfen, oder bestimmte Schlagwörter mit Gegenrufen beantworten. Das Publikum lässt sich größtenteils darauf ein. Zusätzlich wird durch die teilweise bespielten Zwischengänge des Theaters eine nahbare Atmosphäre zwischen Bühnengeschehen und Zuschauerplätzen erschaffen.
Abgesehen von einigen Problemen bei Licht und Ton, bietet THE ROCKY HORROR SHOW IN CONCERT einen unbeschwerten und runden Theaterabend, welcher dennoch bei der schauspielerischen und stimmlichen Umsetzung Luft nach oben lässt.
4 von 6 Sternen: ★★★★
Kritik: Sophia Kriwanek; Fotos: Katharina Lochmann
19.04.2023 - Bronski & Grünberg/ Wien
Jakob Semotan
THOMAS WARTET auf Tom Waits
Im Bronski & Grünberg wird auf einen schrägen Vogel gewartet und das auf die Wiener Art - mit viel Charme, Humor und tiefgründigen Ausschweifungen über nächtliche Exzesse. THOMAS WARTET AUF TOM WAITS ist ein herrliches Wortspiel des Konzertabends auf Wienerisch und klingt im ersten Moment zu gut, um es nicht als Aushängeschild zu benutzen. Auch das Datum dieser Premiere scheint nicht zufällig gewählt: Am 19. April 1978 wurde aus einem geplanten Interview mit Musiklegende Tom Waits, ein Video mit Kultstatus- eine Mischung aus Geschichten, Lieder und Anekdoten.
Doch wer ist Tom Waits? Außerdem, was verbindet ihn mit Wien?
Hunderte Künstler haben Kompositionen von Waits bereits interpretiert, zu diesen zählen unter anderem Bon Jovi, Coldplay, Ed Sheeran, Johnny Cash und die Red Hot Chili Peppers. Waits agierte als Songschreiber für Künstler wie Rod Stewart oder Bruce Springsteen, wobei diese Songs teilweise einen höheren Bekanntheitsgrad erlangt haben als seine eigenen Songs. Zusätzlich komponiert Tom Waits auch Filmmusik, welche 1983 sogar für einen Oscar nominiert wurde. Als Schauspieler versucht er sich erfolgreich in größeren oder kleineren Rollen, wie in „Einer mit Herz“, „Bram Stoker's Dracula“ oder „Das Kabinett des Doktor Parnassus“.
Der Kalifornier verkörpert sich als Kunstfigur, die kehlig raue Stimme, die zerzausten Haare und die verknitterte Kleidung sind Teil seiner öffentlichen Repräsentation. Als Sänger, Pianist, Komponist und Schauspieler gilt er bis heute als exzentrisches Allroundtalent mit dem gewissen Etwas. Über die Privatperson Tom Waits ist nur wenig bekannt, Interviews sind selten und meist nur wenig ergiebig, da Tatsache und Fiktion häufig von ihm vermischt werden. Eines seiner seltenen Interviews war 1978 in Wien geplant, nachdem Tom Waits und seine Band für eine Tournee nach Europa flogen. Pläne wurden kurzfristig von dem Sänger geändert und ein kurzer legendärer Dokumentarfilm entstand, welcher von Rudi Dolezal und Hannes Rossacher gedreht wurde.
Im Bronski & Grünberg wird eine ganz eigene Interpretation (Inszenierung & Bühne: Julia Edtmeier) der Tom Waits Lieder angegangen. Ein Konzert von Thomas (Jakob Semotan) und seiner Band gibt Anlass auf Tom Waits zu warten, bis jener wieder nach Wien zurückkehrt.
Die Band, bestehend aus Klavier (Christian Frank; auch musikalische Leitung), Gitarre (Felix Reischl), Bass (Daniel Schober) und Schlagwerk (Lukas Wögerer) sind groovig und interpretieren die Einflüsse aus Blues, Jazz und Folk ausgezeichnet. Die Bandmitglieder halten sich unaufdringlich und zurückhaltend im Agieren, aber sie brillieren auf allen musikalischen Ebenen.
Das bietet Jakob Semotan Platz zur künstlerischen Entfaltung und zum Strawanzen. Kennt man sein Schauspiel und seine gesanglichen Kapazitäten, so scheint eine Interpretation der Lieder von Tom Waits im Wiener Dialekt wie für Jakob Semotan geschaffen. Er verkörpert einen verruchten, wilden und vor allem sentimentalen Sänger, eine grandiose Mischung in Kombination mit seiner sichtlichen Freude an Schauspiel und Gesang.
Angefangen beim tiefgründigen Start an der Theaterbar, über Konfettieinlagen auf der Bühne, bis hin zu den weniger schmeichelhaften Ausführungen ,,unseres versandelten Wiens“ und dessen Schnellbahnen – ein Abend der besonderen Art. A Hetz hamma g'habt!
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Sophia Kriwanek; Fotos: Philine Hofmann
15.04.2023 - Dschungel/ Wien
SALOME
Unter der Regie von Sebastian Kranner entstand eine zeitgemäße moderne Inszenierung des Einakters von Oscar Wilde aus dem Jahre 1896. Das Stück wurde bei der Welturaufführung wegen seines brisanten Themas zensuriert und diente Jahre später als Vorlage für die berühmte Richard Strauss Oper, die 1905 an der Semperoper in Dresden Premiere feierte.
Sebastian Kranner setzt die Figuren in das Ende des letzten Jahrtausends mit VHS Kasetten und Röhrenfernseher, Requisiten einer beklemmenden Inszenierung, die heftig ist. Der Theaterraum als Blackbox in kaltes Licht getaucht, bildet den passenden Rahmen, was die bedrückende Atmosphäre zusätzlich verstärkt. Live-Kamera-Aufzeichnungen und -Einspielungen auf einer riesigen Leinwand zeigen die Emotionen in Großaufnahmen.
Es ist die Geschichte der heranwachsenden Salome. Sie entwickelt sich vom Opfer zum Täter. Was sie begehrt, ihr aber verwehrt ist, soll dem Tod geweiht sein. Ihre Rache ist kalt und berechnend. Sie weicht keinen Schritt zurück. Zielstrebig verfolgt sie ihren klar definierten Plan.
Sie widersetzt sich ihren Eltern, beginnt mit Selbstreflexion über ihre Erziehung und Weiterentwicklung, wird vom Angebeteten Propheten zurückgewiesen und muss die sexuellen Übergriffe ihres Onkels erdulden, bis sie sich diese für ihr Vorhaben zunutze macht.
Die Nachwuchsdarsteller:innen zeigen viel Engagement. Besonders Colin Johner als im Lichtkreis gefangener Prophet Johanaan und Lustobjekt Salomes beeindruckt in seinem Spiel. Lea Witeschnik als Salome gelingt mühelos der Übergang vom Opfer zur kaltschnäuzigen Täterin. Rebecca Richter als teilweise desinteressierte Mutter Herodias und Filipp Peraus als perverser Onkel und König Herodes agieren irrational in einer surrealen Wirklichkeit. Filipp Peraus arbeitet die zwiegespaltene Persönlichkeit des frommen Mannes, der an die Vorhersehung des Propheten glaubt und den perversen Lüstling gut heraus. Hannah Rehrl ist Pagin und Beschützerin von Salome und schwebt omnipräsent, wie ein Geist, über der Geschichte.
SALOME ist eine bedrückende Geschichte, die von Sebastian Kranner mit wenigen optischen Mitteln aber mit umso mehr Kreativität und einem freudvollen Nachwuchsensemble ansprechend umgesetzt wurde. Und auch wenn noch nicht alles schlüssig erscheint und den Darsteller:innen hin und wieder die Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit im Spiel abhanden kommt, sind hier Talente zugange, welche sich nicht zu verstecken brauchen.
4 von 6 Sternen: ★★★★
Kritik & Foto: Wolfgang Springer
14.04.2023 - Das Vindobona/ Wien
LIZZI UND ELISABETH
Ein Soloabend für Zwei
Hinter Lizzi und Elisabeth steckt Elisabeth Engstler, in deren Brust zwei Herzen schlagen. Da ist Lizzi, die sich Anfang der 1980er Jahre in die Herzen des Publikums sang. 1982 trat sie mit Michael Scheickl als Duo „Mess“ beim Eurovision Song Contest an und erreichte den 9. Platz mit „Sonntag“.
Und dann gibt es Elisabeth. Sie war 1995 im ORF Gastgeberin bei Willkommen Österreich und stand von 2017-2019 im Musical „I am from Austria“ in einer Hauptrolle auf der Musicalbühne.
So gestaltete sich der Soloabend bunt und unterhaltsam. Es wurde aus dem Nähkästchen geplaudert, selbstgeschriebene Songs vorgetragen oder welche, die sorgfältig ausgesucht wurden. Begleitet wurde Elisabeth Engstler von ihrer Männerband, mit der sie schon seit vielen Jahren freundschaftlich und musikalisch eng verbunden ist.
Natürlich durfte ein Song Contest Block nicht fehlen, inclusive „Rise like a Phoenix“.
„Yes Sir“, „Nur nicht aus Liebe weinen“ und „Waldemar“ waren ein Tribut an die von ihr verehrten Zarah Leander.
Elisabeth Engstler vermochte das Publikum mit Charme und ihrer positiven Ausstrahlung zum Mitsingen zu animieren. Obwohl das Programm im kleinen Rahmen stattfand, war die Stimmung ausgelassen und beschwingt. Man spürte ihre Authentizität.
Ohne Berührungsängste und Starallüren gestaltetes sie für ihre Fans einen herzlichen Abend.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
12.04.2023 - Neu Marx/ Wien
Cirque du Soleil - LUZIA
Ein Traum von Mexiko
Mit LUZIA nimmt der „Cirque du Soleil“ das Publikum mit auf eine atemberaubende Reise durch das surreale Mexiko in seiner Vielfalt und Gegensätzlichkeit. Es ist ein anmutiger Streifzug durch Kultur, Natur und Mythologie der Vergangenheit und Gegenwart.
Man begleitet den abgestürzten Reisenden auf aneinander folgenden Episoden, wie in einem alten Filmset, in die Wüste, in eine unbekannte Unterwasserwelt, in den Dschungel oder in einen Tanzsaal. Zentrales Hauptelement ist immer wieder Wasser. Mittels Wasserbecken und Regenvorhang entstehen beeindruckende Illusionen, kombiniert mit imposanter Akkrobatik.
Mit Mexiko unmittelbar verbunden sind kräftige Farben, die sich auch in der Show widerspiegeln. So hat jede Szene seine eigene Farbe. Aber auch Tiere spielen eine wichtige Rolle, vor allem in der Mythologie. Die Gruppe von Reifenspringer:innen kommen als farbenfrohe Kolibris oder als Schmetterling im Gleichklang mit einem Metallpferd auf einem Laufband daher. In einer lyrischen Nummer gewinnt ein Artist das Vertrauen eines Jaguars in Lebensgröße. Es ist eine anmutige, schöne und berührende Nummer.
Ein Schlangenmensch bringt die Menschen zum Staunen. Akrobatinnen und Akrobaten werden mithilfe russischer Schaukeln bis zu 10 Meter in die Höhe geschleudert werden und ein Handstand auf einer 6 m Konstruktion aus flexiblen Stangen begeistern das Publikum.
Immer wieder werden die einzelnen Nummern durch Gesang begleitet, die das Lebensgefühl der Mexikaner:innen zum Ausdruck bringt. Die Nummern sind lebendig und temperamentvoll, aber auch schwermütig und melancholisch, eine Mischung aus Moderne und Nostalgie.
Cirque du Solei definiert das Genre Zirkus seit Jahren neu. Es gibt einen roten Faden, wo die Akrobatiknummern die Geschichte erzählen. Man erlebt ein imposantes Gesamtpaket aus Musik, Artistik und projizierten Illusionen. So taucht man für 100 Minuten in eine surreale Traumwelt ein.
IT´S A KIND OF MAGIC
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
11.04.2023 - Volksoper/ Wien
CABARET
In der Spielzeit 2022/23 entführt die Volksoper Wien das Publikum mit CABARET erneut in die Berliner 1930er Jahre. Das Musical ist noch bis Mitte Mai 2023 an der Volksoper zu sehen und wird vorwiegend in deutscher Sprache aufgeführt.
Berlin in den 1930er Jahren ist von zunehmender Arbeitslosigkeit, der Weltwirtschaftskrise und der Propagandahetze aufstrebender Nationalsozialisten geprägt. Dennoch werden allgegenwärtige Ängste und Entsetzen nur zu gerne verdrängt; es sind goldene Zeiten für Cabaret, Musik und Theater. Der amerikanische Schriftsteller Cliff Bradshaw hofft, in der deutschen Hauptstadt die fehlende Inspiration für einen neuen Roman zu finden. Durch seine deutsche Reisebekanntschaft Ernst Ludwig findet er ein Zimmer in der billigen Pension von Fräulein Schneider. Ernst Ludwig nimmt Cliff gleich am ersten Abend mit zum legendären Kit Kat Club, einem Animierlokal mit Cabaret Programm. Dort trifft Cliff auf die attraktive Sängerin Sally Bowles. Als Sally wenig später aus dem Kit Kat Club entlassen wird, findet sie Zuflucht in Cliffs Pensionszimmer. So beginnt eine komplexe Beziehung zwischen den beiden. Ein weiterer Pensionsbewohner, der jüdische Obsthändler Herr Schultz, wirbt parallel erfolgreich um die Hand von Fräulein Schneider. Doch mit der Zeit wird die Lage der jüdischen Bevölkerung in Berlin immer prekärer und die Verlobung wird wieder aufgelöst. Auch Cliff bemerkt die immer unruhigere Situation in Berlin und möchte zurück in seine Heimat Amerika reisen. Er versucht Sally, die mittlerweile ein Kind von ihm erwartet, von dieser Reise zu überzeugen. Doch Sally ist weiterhin von ihrer Chance auf eine große Karriere in Berlin überzeugt. Schließlich verlässt Cliff Deutschland ohne Sally und beginnt noch während der Reise an seinem neuen Roman zu schreiben.
Die Inszenierung unter der Regie von Gil Mehmert ermöglicht einen schnellen Szenenwechsel zwischen dem kultigen Kit Kat Club und einer einfachen Pension mithilfe einer praktischen Drehbühne (Bühnenbild: Heike Meixner), ohne dabei das Publikum zu verwirren. Die Inszenierung ist geprägt von animalischen Personifikationen vorherrschender politischer Prägungen und gefühlsintensiven Dialogen. Während der zweite Akt eindrucksvoll eine bedrückende und zugleich energiegeladene Stimmung projiziert, führt die erste Hälfte das Publikum näher an die zwischenmenschlichen Beziehungen und persönlichen Konflikte heran. Die Kostüme (Falk Bauer) sind extravagant und freizügig dem Kit Kat Club angepasst, während sie bei alltäglichen szenischen Darstellungen bescheiden bleiben.
Jazzige Shownummern, altbekannte Balladen und emotionsgeladene Duette (Musik: John Kander) werden von durchdachten Liedtexten (Fred Ebb; deutsche Übersetzung von Robert Gilbert) untermalt. Das Orchester (musikalische Leitung: Tobias Wögerer) schafft es gekonnt, diese Dynamik zu übertragen.
In der Rolle der Sally Bowles geht Bettina Mönch voll und ganz auf. Sie hat die energetische Sängerin bereits in der aktuellen Spielzeit am Theater Dortmund verkörpert. Diese Rollenerfahrung ist deutlich erkennbar, ihr Schauspiel zeugt von Experimentierfreude in Mimik, Gestik und Gefühl. Zusammen mit ihren beeindruckenden stimmlichen Fähigkeiten überzeugt sie als instabile Persönlichkeit, unentschlossene Geliebte und aufgedrehtes Showgirl im Kit Kat Club.
Als Conférencier begeistert Ruth Brauer-Kvam sowohl mit klarem und hellem Mezzosopran als auch mit einer bemerkenswert ausgeglichenen Balance zwischen Zurückhaltung und Nachdruck. Das ermöglicht dem Publikum eine angenehme Leitung durch das Musical und rundet Szenen passend mit Ausdruckskraft, Komik und Zynismus ab.
Oliver Liebl spiegelt als Cliff Bradshaw sowohl Sehnsucht als auch Verzweiflung oder Unverständnis eindrucksstark wider. Besonders hervorzuheben sind die Dialoge an Wendepunkten der Beziehung zwischen Cliff und Sally, die erstaunlich nahbar und gefühlsgeladen auf das Publikum übertragen werden.
Robert Meyer versieht die Rolle des Herrn Schultz mit einer charmanten Verliebtheit, deren angehimmelten Mittelpunkt ausnahmslos Fräulein Schneider bildet. Diese wird durch Angelika Kirchschlager überzeugend dargestellt und bildet zusammen mit Robert Meyer ein unbeholfenes und gleichzeitig liebenswertes Paar.
Die weiteren Rollen sind stimmstark besetzt und vervollständigen mit gutem Schauspiel den flüssigen Handlungsstrang. Die Kit Kat Boys und Kit Kat Girls räkeln sich erwartungsgemäß aufreizend zu den Choreografien (Melissa King) im Club, während sie als kompromisslose Nationalsozialisten mit geschlossener Bühnenpräsenz auftreten.
Die Inszenierung von CABARET an der Volksoper Wien bietet einen Abend mit gefühlvoller Musik und taktvollem Schauspiel. Dabei wird sowohl das direkte als auch das indirekte Ausmaß des Nationalsozialismus deutlich gemacht, so dass neben den populären Strophenzeilen und ausgeschmückten Satire-Inszenierungen auch ein eindrücklicher Nachhall der damaligen politischen Situation bleibt.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Sophia Kriwanek; Fotos: Barbara Pálffy/Volksoper Wien
31.03.2023 - Raimund Theater/ Wien
Jesus Christ Superstar
Premiere
JESUS CHRIST SUPERSTAR erzählt die Geschichte des biblischen Jesus und fokussiert sich auf die letzten sieben Tage vor seiner Kreuzigung. Es handelt sich um eine Rock-Oper mit Musik von Andrew Lloyd Webber und Liedtexte verfasst von Tim Rice, ohne gesprochene Dialoge. Das Musical basiert lose auf den Evangelien und behandelt die persönlichen Konflikte zwischen Jesus, seinen Jüngern, dem Volk Israel und der römischen Führung. Es stehen hierbei die Beziehungen zwischen Judas Iskariot und Jesus, sowie zwischen Jesus und Maria Magdalena im Fokus. Neben dem inneren Kampf von Judas bei der Entscheidung, Jesus zu verraten, geht die Rock-Oper auch auf die menschliche Psychologie von Jesus ein, welcher nach unterschiedlichen Stadien seiner Gefühle schließlich seine Rolle als Autorität und Märtyrer akzeptiert.
Die in englischer Sprache gesungene, konzertante Fassung der Vereinigten Bühnen Wien ist 2023 für zehn Tage zu sehen. Die zeitgemäß moderne Inszenierung (Regie Alex Balga) lässt über ein handlungsintegriertes Film-Team mittels Videoprojektionen (Videodesign Sam Madwar) auf dem Backdrop, eine Parallele der Bibelgeschichte in das jetzige Zeitalter, rund um öffentliche Zurschaustellung, zu. Das schlichte Bühnenbild ist durch ein T-förmiges weißes Podest gesetzt, welches viel Spielfläche bietet. Neben dem Bühnenbild stellen sich auch die simplen alltagstauglichen Kostüme (Nicole Panagl) des Ensembles bewusst in den Hintergrund, scheinbar um den Fokus nicht auf die physische Präsenz, sondern mehr auf die gesungenen Personifizierungen zu leiten. Bei dem Kostümbild der Hauptrollen wird mit der altbekannten Assoziation von Gut durch helle Farben und der Darstellung des Bösen durch dunklere Farbtöne gearbeitet. Nichtsdestotrotz werden bewusst passende Details bei der Kostümwahl gesetzt, welche die unterschiedlichen Charaktere unterschwellig umrahmen.
Besonders hervorzuheben ist das, auf der Bühne platzierte, 43-köpfige Orchester unter der Leitung von Herbert Pichler, welcher neben dem Dirigat auch in Handlungsinteraktionen eingebaut wird. Das Repertoire des Musicals aus Rock-, Gospel-, Folk- und Funk-Aspekten ist eine perfekte Möglichkeit alle musikalischen Register zu ziehen, was bei der Premiere definitiv gelungen ist. Das Orchester präsentiert sich als eine tongewaltige, geschlossene Einheit hinter den SchauspielerInnen, was vom Publikum mit langem Applaus belohnt wurde.
Drew Sarich verkörpert Jesus in einer schier unglaublichen Anzahl an Facetten. Bei seiner Verkörperung Jesu fühlt man sich mit- und hingerissen vom anfänglichen überschwelligen Lobpreisen seiner Person, bis zur scheinbar einsamen Kreuzigung. Es sind viele stimmliche Highlights zu nennen, der minutenlange Showstopper mit Standing Ovation bei seinem Paradesong „Gethsemane“ ist aber dennoch (abseits von seiner Jesus-Interpretation) keine alltägliche Beobachtung in der Wiener Theaterszene.
Alex Melcher brilliert als stimmgewaltiger Judas, welcher besonders in Szenen der Wut und Verzweiflung mit ausgezeichnetem Schauspiel nahbar wirkt. Seine Stimmkraft schafft es, auch bei leichteren Nummern herauszustechen.
Nienke Latten überzeugt als einfühlsame und ausdrucksstarke Maria Magdalena, was besonders bei Solo-Szenen fesselt. Ihre Gefühle der Trauer und des Verlusts nach der Kreuzigung Jesus Christus haben beim Publikum eine greifbar erdrückende Atmosphäre erschaffen, was das ein oder andere Taschentuch hervorblitzen ließ. Ihr klarer und kontrollierter Sopran rundet auch mühelos Nummern wie ,,Could we start again, please?“ oder ,,Everything´s alright“ ab.
James Park beeindruckt mit einem zunächst arrogantem Pontius Pilatus, welcher auf Jesus Christus hinabsieht. Kurz vor der Kreuzigung Jesus werden diese Rollen vertauscht und der, von Selbstzweifel geplagte, Judas kniet vor Jesus nieder und realisiert seinen Fehler.
Dennis Kozeluh dominiert stimmlich als Kaiphas, welchen er mit einer unnahbaren und kalten Aura versieht. Raphael Gross gibt einen stets authentischen und stimmlich prägnanten Petrus, welcher durch ihn mit fast kindlicher Unschuld interpretiert wird. Christian Rey Marbella besticht mit großer Spielfreude als König Herodes, seine mitreißende Nummer ,,King Herod´s Song“ begeistert mit Esprit und Charme.
Die weiteren Rollen sowie das Ensemble wurden durchwegs stimmstark besetzt und unterstützen den Handlungsstrang, ohne den Fokus zu nehmen. Bedeutend gemacht wird die schauspielerische Leistung des ganzen Ensembles als Gefolgschaft Jesus Christus, was als eine geschlossene Einheit überzeugend gelingt.
Getreu dem Song ,,Whats the Buzz?“ schaffte es dieser Premierenabend von JESUS CHRIST SUPERSTAR, das altbekannte biblische Thema auf die Neuzeit zu projizieren. Man darf definitiv keinen Theaterabend erwarten, der eine kurze Auszeit verspricht, da die außergewöhnliche Inszenierung zu einer Achterbahnfahrt der Gefühle anregt, welche beim Publikum nicht ohne Nachklang bleibt.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Sophia Kriwanek; Fotos: VBW/ Herwig Prammer
28.03.2023 - Freie Bühne Wieden/ Wien
CHAPLIN, 1939
Deutsche Erstaufführung
„Seine Gestik ist extrem präzise. Alles ist bis ins Detail gearbeitet. Die Posen! Seine Art die Reden zu bellen, die Intensität, die er hineinlegt. Nichts ist dem Zufall überlassen. (…) Und vor allem hat dieses Schwein meinen Schnurbart gestohlen.“ (Zitat Charlie Chaplins aus dem Stück)
Charlie Chaplin wurde am 16.4. 1889 in London geboren, vier Tage später kam Adolf Hitler im oberösterreichischen Braunau am Inn zur Welt. Charlie wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Sein Vater starb an den Folgen seiner Alkoholsucht, seine Mutter musste mehrmals in die Psychiatrie. Adolf Hitler war obdachlos. Beide waren den Künsten zugewandt, Charlie als Filmschaffender, Adolf als Maler. Chaplin zählt zu den Gründungsvätern der Traumfabrik, Hitler scheiterte mit seiner Malerei. Beide waren von ähnlicher Statur und vor allem, Hitler bediente sich desselben Schnurbarts, wie Chaplins Kunstfigur der Tramp, mit dessen Hilfe er die seelischen Schmerzen aus seiner Kindheit und Jugend aufarbeitet.
Eigentlich hatte Chaplin ein Napoleon Projekt im Kopf, lies dies aber 1936 fallen, denn die Idee einer Hitler Satire ließ ihn nicht mehr los.
Wir schreiben das Jahr 1939. Sydney, der Bruder von Charlie reist zu ihm, um ihn von den Gefahren solch eines Filmes zu warnen. Charlie will es Hitler aber heimzahlen. Er findet ihn verrückt, lächerlich und gefährlich. Es soll über den Führer gelacht werden.
„Der Humor sorgt, dass die Bösartigkeit des Lebens uns nicht ganz überwältig.“ (C. Chaplin)
Die Realität soll durch künstlerische Umsetzung in ihrer abgrundtiefen und verabscheuenden Niederträchtigkeit entlarvt werden. Charlie Chaplin ist am Höhepunkt seiner Karriere. „Der große Diktator“ auch ein Wendepunkt. Mit diesem Film soll der Übergang vom Stumm- zum Tonfilm gelingen und zugleich die Verabschiedung seiner Tramp-Figur. 76 Filme drehte er als Tramp. Auch Drohbriefe und die Bezeichnung „Widerwärtiger kleiner Zappeljude“ im Buch „Juden sehen Dich an“ können ihn nicht an seinem intensiven Schaffensprozess hindern. Er klärt weder auf, keine jüdischen Wurzeln zu haben, noch kümmert er sich um seine Familie. Mit seiner Perfektion bringt er seine Frau, die selbst Schauspielerin ist, an den Rand der Verzweiflung. Sie ist es auch, die ihn auf die Parallelen zu Hitler aufmerksam macht – und auch auf die Doppelexistenzen, die sie sich geschaffen haben. Die Ehe scheitert.
Stundenlang sichtet er Filmmaterial über Hitler und studiert ihn ganz genau. Charlies Einfall mit dem Luftballon als Weltkugel ist genial. Angesprochen auf seine Ideen meinte er, „Man muss die Fähigkeit haben über lange Zeit Seelenqualen zu ertragen und dann den Enthusiasmus durchhalten“. „Der große Diktator“ wird Chaplins größter Erfolg, sein Schlussmonolog an die Nächstenliebe ein Meisterwerk.
CHAPLIN, 1939 von Cliff Paillé behandelt diesen Entwicklungsprozess. Alexander „Sascha“ Wussow spielt Charlie Chaplin mit Intensität und Leidenschaft. Er zieht das Publikum in einen Wirbelsturm der Gefühle, zeigt authentisch Charlies innere Unruhe, seinen Humor, seine Zweifel und seine Genialität. Mal ist er aufbrausend, enthusiastisch, dann wieder leise und berührend. Wussow lebt diese Rolle. Seine funkelnden Augen, wie er zufällig beim „Kaugummiblasenbilden“ den Einfall zur Luftballonszene hat und sie choreographiert, fasziniert ebenso, wie seine geistige Abwesenheit, wenn er schreibt und dadurch sein Desinteresse an seine Frau Paulette bekundet.
Anna Sophie Krenn spielt die liebevolle Frau, die sich aber nicht scheut, bestimmend zu sein und ihn mit seinem schwierigen Charakter konfrontiert. „Du bist nervös, wenn du schreibst, du bist nervös, wenn du drehst. Du bist nervös, wenn du zwischen zwei Filmen im Kreis gehst. Du bist immer nervös. (…) Du bist unfähig zu lieben, Charlie.“ Schließlich erkennt sie die Sinnlosigkeit ihrer Ambitionen und geht.
Robert Ritter als Bruder Sydney ist einerseits eine Art Gewissen, lässt sich aber schließlich von Charlie überzeugen. Er spielt seine Rolle sehr bedacht und wird zum Gegenpol des extravertierten Charlie.
Unter der Regie von Helmuth Fuschl und der Übersetzung von Michaela Ehrenstein und Uta Szyszkowitz wird ein 90-minütiges emotionales und psychologisch eindringliches Portrait eines großen Künstlers und Menschenkenners gezeigt, der weit mehr als der König des Slapsticks war!
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: FBW/Philipp Hutter
CHAPLIN, 1939 ist noch bis 15. April in der Freie Bühne Wieden zu sehen.
23.03.2023 - Komödie am Kai/ Wien
WINTERROSE
Die Winterrose, auch Schneerose oder Christrose genant, ist eine ganz besondere Pflanze. Sie blüht schon sehr früh im Jahr, ist edel und zerbrechlich. In der Blumensprache steht sie für Hoffnung und „hilf mir, meine Angst zu überwinden“. Ist es ein Zufall, dass sich Elisabeth in ihren Annoncen Winterrose nennt? Wirklich nur Zufall? In diesem Fall ist es eher nomen est omen, denn sie hilft Anton, ohne es wissen.
Anton Kleber sitzt seit 27 Jahren regelmäßig jeden Donnerstag lesend im Stadtpark. Er scheint im Reinen mit sich und der Welt zu sein, schätzt und liebt die Einsamkeit, die Stille der Natur und wird nur ungern gestört. Darauf reagiert er abweisend.
Als Antons Yoga-Kurs auf Donnerstag verschoben wird, muss er nun auf den Mittwoch ausweichen. Doch seine Stammbank ist an jenem Wochentag stets von der Witwe Elisabeth Leitgeb belegt. Mit der Einsamkeit ist es fortan vorbei. Sie ist das genaue Gegenteil von ihm, lebhaft und sprudelt nur so vor Energie. Jeden Mittwoch verabredet sich die kontaktfreudige Witwe vis a vis im Kaffeehaus. Zuvor aber beobachtet und analysiert sie die möglichen Kandidaten von der Parkbank aus. Bei den Treffen erfährt sie eine Enttäuschung nach der anderen. Jedes Mal kehrt sie zu Anton auf die Bank zurück und berichtet ihm ausführlich darüber, obwohl dieser von all dem nichts wissen möchte. Doch die Wochen und Monate vergehen, die Treffen werden zur Gewohnheit, ein fehlen wird immer mehr bedauert, auch wenn sie es sich nicht eingestehen möchten. Zum Glück gibt es den Gärtner mit seinen trockenen Kommentaren und Lebensweisheiten. Er hat das Herz am rechten Fleck, ist die gute Seele des Parks und hat instinktiv ein Gespür für die beiden. Er wird zum Psychologen und Verkuppler.
Johannes Terne ist Anton, der scheinbar mit allem im reinen ist und ein Freund anspruchsvoller Literatur ist (Dantes „Die göttliche Komödie“). In Wirklichkeit versteckt er seine verletzten Gefühle unter seiner rauen Schale, die eine Schutzmantel für ihn ist. Er hat für sich eine nicht der Wahrheit entsprechende Version seiner gescheiterten Ehe zurechtgelegt. So ist er äußert erzürnt, als ihn Elisabeth damit konfrontiert. Zugleich ist es aber der Wendepunkt, an dem er Gefühle wieder zulässt.
Ulli Fessl spielt Elisabeth, temperamentvoll, charmant und mit Esprit. Im Herzen ist sie jung geblieben, teilweise mit jungenhafter Neugier und lebensbejahendem Optimismus.
Rochus Millauer ist der ruhige und liebenswerte Gärtner Emil, ein Google-Freund und ein mit „Asterix und Obelix“-Weisheiten ausgestattete Hobby-Psychologe mit Verkuppler-Ambitionen.
Das Hauptaugenmerk liegt natürlich auf den zwei Hauptprotagonisten. Ulli Fessl und Johannes Terne zeichnen prägnant ihre Charaktere. Sie sind zwei, in den Herbst ihres Lebens gekommene, die nochmals ihren Frühling erleben, nachdem sie so einige Hürden überstanden haben und schlussendlich doch noch ihr Glück finden.
Unter der Regie von Sissy Boran und Andrea Eckstein ist eine amüsante, kurzweilige und charmante Komödie entstanden, ideal, um für einen Abend Auszeit vom Alltag zu nehmen und Spaß zu haben.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Komödie am Kai
Das Stück steht noch bis 29. April 2023 auf dem Spielplan.
11.03.2023 - Haus der Musik/ Wien
Gernot Kranner
PIPPI LANGSTRUMPF
In der Zeit voller Reizüberflutungen von TV-Angeboten, Computer und Handy Aktivitäten ist es wichtig, bereits in jungen Jahren den Kindern ein breites Kulturprogramm zu bieten und so ihre Phantasie zu beflügeln. Seit vielen Jahren ist es Gernot Kranner ein Anliegen den Kleinsten auf spielerische Weise Kinderklassiker näher zu bringen. In seinen Programmen geht er auf Kinder zu, animiert sie mitzumachen und vor allem mitzusingen.
Nun ist Pippi Langstrumpf neu zu seinem Repertoire dazugekommen.
Die Melodien und die Liedtexte sind simpel, sodass selbst kleine Kinder problemlos mit einstimmen können. Liebevoll erzählt er die Geschichte von Pippi und ihren Freunden mit großen Gesten und mit liebevollen Handpuppen. Spontan reagiert Gernot Kranner auf Zwischenrufe und bindet sie in den Ablauf ein. Er schafft es, die Fantasie zu beflügeln, Kindern das Theater näher zu bringen und Lust auf mehr zu machen.
Gernot Kranners Programme sind pädagogisch wertvoll und daher ein wichtiges Kulturerlebnis für die ganze Familie.
Beim Verlassen des Saals hörte man noch so manches Kind und Elternteil die Lieder nachsingen.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
Gernot Kranner kann mit seinen Märchenstücken unter anderem für Aufführungen in Kindergärten und Schulen gebucht werden.
Kontakt: Tel: 0676/ 32 69 289; gernot.kranner@aon.at
www.gernotkranner.com
06.03.2023 - Kasino am Schwarzenbergplatz/ Wien
EXTREM TEURES GIFT
von Lucy Prebble
nach A VERY EXPENSIVE POISON von LUKE HARDING
aus dem Englischen von Michael Raab
Nichts ist grauenhafter als das wahre Leben.
Was sich die Menschen, getrieben von Macht und Gier, gegenseitig antun, ist oft von unbeschreiblicher Grausamkeit.
EXTREM TEURES GIFT ist die Anatomie solch einer Gräueltat am ehemaligen FSB-Offizier Alexander Litwinenko im November 2006 in London durch die Vergiftung mit Polonium 210, einer hochradioaktive Substanz. Um auf Nummer sicher zu gehen, wurde ihm die 100 fache tödliche Dosis mittels grünen Tees verabreicht. Das mittels Füller in das Getränk gespritzt Gift hat einen Marktwert von 29 Millionen Euro. Diese Substanz kann nur aus einem einzigen Atomlager in Russland stammen, dessen Zugriff nur von ganz oben genehmigt werden muss. Der scharfe Kreml Kritiker wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Zustimmung von Wladimir Putin durch den FSB ermordet. Kurz vor seinem Tod hatte Litwinenko Putin beschuldigt. Der Kreml bestritt jedoch jeden Zusammenhang. Litwinenko war zum Zeitpunkt seiner Ermordung britischer Staatsbürger.
Fotos: (c) Marcella Ruiz Cruz
Der britische Journalist und Autor Luke Harding verfasste 2016 ein Buch über den Fall, A VERY EXPENSIVE POISON. Er widmete sich außer dem Mordfall Litwinenko unter anderem dem russischen Mafiastaat, WikiLeaks, Edward Snowden und dem Ukraine-Konflikt. Für seine Berichterstattung als Russland-Korrespondent der Zeitung The Guardian in den Jahren 2007 bis 2011 wurde er 2014 mit dem angesehenen James Cameron Memorial Trust Award ausgezeichnet.
Die Theaterautorin Lucy Prebble, bekannt für ihre Bearbeitungen von Schlüsselereignissen der jüngeren Wirtschafts- und Politgeschichte, hat den Stoff 2019 zu einem Bühnenstück adaptiert. Nach der Uraufführung im Old Vic in London, kam es nun im Kasino am Schwarzenbergplatz unter der Regie von Martin Kušej zur Deutschsprachigen Erstaufführung.
EXTREM TEURES GIFT ist eine Mischung aus Politthriller sowie dem verzweifelten Kampf einer starken Frau um Gerechtigkeit und deren große Liebe zu ihrem Mann.
Knapp und rasant werden die Stationen seines Lebens szenisch angerissen. Da fließt Wodka, Satiresendungen aus England werden argwöhnisch betrachtet und jene, welche man beim Sehen solcher erwischt, werden bedroht, und man trifft sich bei ausschweifenden Partys von Oligarchen. Als Alexander Litwinenko sich gegen das Patriarch wendet und die Missstände an die Öffentlichkeit trägt, wird erstmals sein Leben bedroht.
Die Spurensuche nach dem Giftanschlag erfolgt schließlich präzise mit den Litwinenkos und dem besonnenen und konsequenten Inspektor Hyatt (Maximilian Pulst).
Charismatisch und dekadent auftretend wie König Lear agiert Johannes Terne als betrunkener Oligarch in Pelzmantel und Sturmgewehr.
Die meisten Szenarien stehen unter der Beobachtung von Wladimir Putin (Dietmar König), zuerst als Chef des FSB, später als russischer Präsident. Wenn er auch selbst nicht immer in die Szene involviert ist, ist er stets präsent. Im Hintergrund beobachtet er oder liest einfach nur eine Zeitung. Nichts entgeht ihm. Dietmar König reduziert sein Spiel, dadurch wirkt er diabolisch, unnahbar und berechnend, ohne den Versuch den wahren Putin nachzuspielen.
Daniel Jesch als Litwinenko ist ein Kämpfer, der durch seinen Widerstand gegen die Korruption im FSB sowie das Regime, sein Todesurteil besiegelt.
Seine Frau Marina (Sophie von Kessel, Buhlschaft im „Jedermann“ 2008, 2009) weicht ihrem Mann nie von der Seite, unterstützt ihn in allem, was er tut, und kämpfte selbst Jahre nach dem Tod Alexanders noch für die Aufklärung und Veröffentlichung der Namen der Mörder.
In weiteren Rollen brillieren Tim Werths, Johannes Zirner, Johannes Zirner, Wolfram Rupperti und Laura Dittmann.
Das Bühnenbild besteht aus einem großen Tisch und Stühlen, somit liegt der Hauptfokus auf die Darsteller:innen. Vereinzelt eingeblendete Fotos und Videos sind sparsam, aber umso effektiver eingesetzt. Das Kino selbst, ein altes, großes, düster anmutendes Palais, gibt dem Stück den passendenden, drückenden Rahmen. Das Drama wird ohne Sentimentalität und unnötigen Ausschmücken erzählt. Es ist direkt und ernüchternd. Ein Kampf gegen Windmühlen, denn die Mächtigen sich zu mächtig, um zu Fall gebracht zu werden. Was bleibt ist Betroffenheit.
Fotos: (c)Matthias Horn
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Wolfgang Springer
02.03.2023 - Amtshaus Brigittenau/ Wien
Einmal Wien - Berlin und retour
René Rumpold & Johannes Terne
Unter dem Titel „Einmal Wien - Berlin und retour“ begaben sich René Rumpold und Johannes Terne mit dem Publikum auf eine musikalische, literarische Reise in längst vergangene Zeiten. Zu den zahlreichen Anekdoten, Gedichten und Geschichten erfreute sich das Publikum auch am freundschaftlichen Wettstreit zwischen einem Ösi und einem Piefke. Musikalisch umrundet wurde das Programm mit Liedern aus dem Alpenraum und Norddeutschland, wie dem „Fiakerlied“, „Es ist einmal im Leben so“, „Ein Freund, ein guter Freund“ oder „Mein Vater war ein Hausherr“, was die Zuschauer:innen in Nostalgie schwelgen ließ.
Die beiden sympathischen Künstler verstanden es ihre Fans einen Abend lang auf einen amüsanten Trip zwischen Wien und Berlin zu begleiten.
Text: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
01.03.2023 - Scala/ Wien
Die Frau in Schwarz
Glauben Sie an Gespenster, so wie 22% der Österreicher? Denn DIE FRAU IN SCHWARZ hielt als klischeehaftes Gespenst Einzug im Theater des Fürchtens in der Scala.
Ihr wurde Unrecht zuteil. Den Schmerz nahm sie ins Grab und nun rächt sie sich, auch an Unschuldigen. Jeder, der sie sieht, erfährt unendlich tiefen Schmerz, den dessen Kind kommt auf tragische Weise ums Leben. Ihr Auftreten ist diabolisch und erschreckt so manchen Zuschauer. Plötzliches Aufschreien im Publikum erzeugte gruselige Stimmung im Saal, gefolgt von einem überspielten Lachen. Im Programmheft stehen nur zwei Namen, jenen der schwarzen Frau sucht man vergebens. Aber wie sagte schon Arthur Schnitzler „Manche Leute sind gerade noch aufgeklärt genug, um an Gespenster nicht zu glauben, aber immerhin in Zweifel, ob nicht vor hundert Jahren noch welche existiert haben.“ Für diese schaurigen Momente zeichnet sich Sam Madwar verantwortlich. Das Bühnenbild ist einfach, aber genial. Der Theaterraum kann auch in das ehemalige Anwesen verwandelt werden. Hinter dem beleuchteten Vorhang sieht man einmal einen verlassenen Friedhof, dann wieder ein verborgenes Kinderzimmer. Mit Projektionen und Bühnennebel wird das Publikum in die düstere und schauderhafte Geschichte gezogen. Die visuellen Effekte kommen von Eva-Christina Binder. Das Stück ist die Bewältigung eines traumatischen Erlebnisses, deren Anfang etwas langatmig ist, aber zunehmend an Mystik und Spannung zunimmt.
Als junger Anwalt reist Arthur Kipps in ein gottverlassenes Provinznest, um dem Begräbnis einer verstorbenen Klientin beizuwohnen und den Nachlass zu ordnen. Die wortkarge Dorfgemeinschaft meidet ihn und am verwaisten Haus der Toten begegnet ihm eine rätselhafte Frau in Schwarz. Neugierig versucht er ihr Geheimnis zu ergründen, bis er merkt, dass die Geister, die er nicht ruhen lässt, auch auf sein eigenes Leben eine entsetzliche Wirkung entfalten. Jahrzehnte später engagiert Kipps einen jungen Schauspieler, um die beunruhigenden Ereignisse von damals noch einmal nachzuspielen und damit abschließen zu können. Es kommt aber anders …
Seit 1989 ist Stephen Mallatratts raffinierte Bühnenadaption von Susan Hills Roman DIE FRAU IN SCHWARZ ein Dauerbrenner im Londoner West End und damit, gleich nach Agatha Christies „Die Mausefalle“, das Stück mit der längsten durchgehenden Laufzeit überhaupt.
Thomas Kamper ist Arthur Kipps, der mehrere Rollen übernahm, während er mit dem Schauspieler (Thomas Marchart) sein Werk umsetzt. Damit kann er ein breites Spektrum seiner Wandlungsfähigkeit zeigen: Als Kipps schüchtern, als Rechtsanwalt selbstsicher, als Kutscher eine gute, grummelige Seele und als reicher Dorfbewohner ein versnobter Gentleman. Diese Vielschichtigkeit macht ihm offensichtlich sehr viel Freude.
Thomas Marchart in seiner Rolle als Schauspieler, der Kipps in jungen Jahren darstellt, ist da schon mehr eingeschränkt. Besonders stark sind seine Momente des Fürchtens. Ansonsten spielt er überzeugend den reich an übertriebenen Gesten von sich selbst überzeugten Schauspieler.
Und dann gibt es noch die Frau in Schwarz, die immer mal wieder aus dem Nichts erscheint und verschwindet, zuweilen auch mit rote-leuchtenden Augen.
DIE FRAU IN SCHWARZ sorgt für einen schaurigen, schönen Abend voller Spannung, Mystik und Schrecken.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Bettina Frenzel
23.02.2023 - Das Vindobona/ Wien
CulinarICAL 6.0 - Changes
Premiere
Es begann vor acht Jahren mit einer privaten Geburtstagsüberraschung und endete in einem jährlichen Fixpunkt im Wiener Musicalkalender. Seit Wolfgang Ebner das Vindobona übernommen hat, hat CulinarICAL auch einen festen Standort.
Am 23.2. feierte die 6. Auflage mit dem Titel „Changes“ am 23. Februar seine Premiere. Der Hausherr des Vindobona widmete diese dem am 2. Februar überraschend verstorbenen ehemaligen Musikdirektor der Vereinigten Bühnen Wien, Caspar Richter, der im Dezember noch mit einem stimmungsvollen Adventkonzert das Publikum auf die besinnliche Weihnachtszeit einstimmte. Ein schönes Zeichen, wie Wolfgang Ebner dem großartigen Dirigenten Tribut zollte und sich für seine Zusammenarbeit bedankte.
Die rund vier Stunden dauernde Dinnershow mit den Blöcken Leben, Schicksal, Liebe und Hoffnung betitelt, beinhaltet Highlights unter anderem aus „Elisabeth“, „Les Misérables“, „Miss Saigon“, „Moulin Rouge“, „Avenue Q“, „& Juliette“, „MJ: The Musical“, „Wicked“, „Rudolf“, „In the Heights“, „Rock of Ages“, „Dirty Dancing“, „Jekyll & Hyde“, „Rent“, „Anastasia“, „Hinterm Horizont“ und „Sister Act“ präsentiert von Tanja Petrasek, Lena Weiss, Sabina Auer, Victoria Sedlacek, Martin Pasching, Markus Krenek, Fabian Koller und Philipp Tobias Hägeli.
Ein besonderes Anliegen von Wolfgang Ebener und Rita Sereinig ist es, den Nachwuchs zu fördern. Fabian Koller (tänzerisch ausdrucksstark) und Viktoria Sedlacek (überzeugende Anastasia), die ihre Ausbildung im MUK absolvieren, ergänzen das diesjährige Ensemble.
Seit Anbeginn zeichnet sich Rita Sereinig für das Konzept, Regie und künstlerische Leitung verantwortlich. Auch heuer überrascht sie mit originellen Regieeinfällen. So ließ sie bei „Man in the Mirror“ (MJ: The Musical) das Ensemble um Leadsänger Philipp Hägeli mit Spiegeln kreisen, sodass diverse Spiegelbilder erscheinen.
Warum Eponine hingegen an einem Schulterdurchschuss stirbt, will sich einem nicht erschließen.
Für die visuelle Stimmung auf der LD-Wand im Hintergrund sorgt erneut Christian Ariel Heradia. Die Kostüme, stets passend zu den Stücken und das Thema, stammen von Susanne Ebner und Andrea Baumgartner.
„CulinarICAL 6.0" ist ein abwechslungsreicher Mix aus alten und neuen Musicals, wobei auf die Vielfalt geachtet wurde und so ein relativ breites Musikspektrum abgedeckt wird.
Vom Ensemble besonders hervorzuheben sind Tanja Petrasek („Being Alive" - Company), Lena Weiss („Frei und schwerelos" - Wicked) und Philipp Hägeli, die in all ihren Songs, gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen, überzeugen konnten. Diese hatten während des Abends helle, aber auch weniger helle Momente. „I Believe“ (Book of Mormon) war ein Highlight des Abends, von Philipp Hägeli emotional dargeboten. Mit Tanja Petrasek bildet er ein schönes Paar beim „Elephant Love Medley" (Moulin Rouge).
Die Musik kam vom Band. Der Ton war gut auf die Solistinnen und Solisten abgestimmt. Bei den beiden „Dear Evan Hansen"-Nummern gegen Schluss des letzten Akts hat man sich jedoch überbordet. Ein Fehler, der bei nahezu allen Musicalshows zu beobachten ist. Die Lautstärke wird auf Maximum gedreht und die Sänger:innen gehen (zumeist) über ihre Grenzen.
„CulinarICAL" steht für Genuss aller Sinne und so wird zwischen den Showblöcken ein 4-gängiges Menü serviert. Zur Auswahl stehen zwei Varianten, um auch Vegetariern einen fleischlosen Genuss zu bereiten.
Mit dem passenden Titel „Heute beginnt der Rest deines Lebens“ (IWNNINY) klang der Premierenabend erfolgreich aus.
Bis 15. Mai bietet sich noch die Chance, sich das Musicaldinner zu genießen.
Für das Gesamtpaket vergeben wir ...
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik & Fotos: Michaela Springer
22.02.2023 - Wiener Stadthalle F
This is the Greatest Show!
Tourneestart in Wien
In Wien startete am 22. Februar die Neuauflage der THIS IS THE GREATEST SHOW!-Tournee 2023. Als prominente Solistinnen und Solisten stehen heuer Jan Ammann, Maya Hakvoort, Andreas Bieber (er fungierte auch als Moderator), Drew Sarich, Michaela Schober, Jonas Hein und Friedrich Rau auf der Bühne und bekamen etwas mehr Spielraum als die Gaststars im letzten Jahr.
Es ist eine Show mit Höhen und Tiefen. Defizite gibt es bei manchen Gesangsdarbietungen, am Programm, dem Ton und der musikalischen Umsetzung. Ist der erste Teil abwechslungsreich, wirkt der zweite durch große Nummernblöcke einzelner Musicals sehr zäh.
Der erste Akt bestand unter anderem aus „Robin Hood“, „3 Musketiere“, „Disneys Die Eiskönigin“, „Kuhdamm 56“, „Joseph“ und „Hamilton“ und endete mit einem Abba- Medley.
Im zweiten gab es nur wenige Blöcke, wie „Greatest Showman“, „Prom“ und „Elisabeth“.
Fast 30 Minuten dauerte der „Greatest Showman“-Block. Und wäre das nicht schon genug, war dies auch die Zugabe aus dem Film.
Die Highlights des Abends waren Interpretationen aus Stücken, welche die Solistinnen und Solisten bereits gespielt haben. So rief Andreas Bieber als Joseph, Drew Sarich mit „Draußen“ („Der Glöckner von Notre Dame“) und natürlich „Ich gehör´ nur mir“ (Elisabeth“) von Maya Hakvoort, diesmal mit passendem Kleid und Perücke, Erinnerungen wach. Das musikalische Arrangement von „Sei bereit“ (Tanz der Vampire) mit Maya Hakvoort, Michaela Schober und Jan Ammann als Disconummer klang einfach nur grausam. Es ist schade, dass bei solch einer groß angekündigten Show am Orchester gespart wird. So manche Nummer würde etwa Streicher verlangen. Programmierte auf einem Keyboard klingen einfach billig. So sorgten Schlagzeug, E-Gitarren und zwei Keyboards für jede Menge lauten Beat, oft so laut, dass die Melodie unterging. Mit diesem Konzept kam Drew Sarich am besten zu recht. Er ist eine „Rampensau“ und gibt auf der Bühne stets 100 Prozent.
Ein weiteres Problem ist das Ensemble. Anstatt es im Hintergrund ergänzend agieren zu lassen, bekam es eigene Nummern. Die/ der eine oder andere aus dem Chor erhielt sogar solistische Einlagen. Das ist zwar aller Ehren wert, doch ein Hörgenuss klingt anders.
Auch 2023 wirbt THIS IS THE GREATEST SHOW! mit große Musicalnamen, die eigentlich auch für höchste Qualität stehen. Bis auf wenige Ausnahmen kamen sie jedoch mit der Umsetzung der Show nicht zurecht und schienen etwas unglücklich über die Produktion und die musikalische Umsetzung zu sein. Es gibt einiges, wo man den Hebel ansetzen müsste. Dazu wäre es einmal wichtig sich auf die Prioritäten einer guten Musikshow zu besinnen – der Symbiose von Musik und Künstler:in.
So ist der Titel nicht Programm.
3 von 6 Sternen: ★★★
Kritik: Wolfgang Springer; Fotos: 360 Grad Design
19.02.2023 - Wiener Stadthalle D
Disneys
DER KÖNIG DER LÖWEN -
In Concert Live to Film
Disneys DER KÖNIG DER LÖWEN von 1994 ist der kommerziell erfolgreichste Animationsfilm. Maßgebend am Erfolg des Klassikers sind die Lieder von Elton John und die Musik von Hans Zimmer.
25 Jahre später (2019) versuchte sich Disney an einer computeranimierten Neuverfilmung, welche technisch seinesgleichen sucht. Mit unglaublicher Genauigkeit wurde die Tierwelt und die Landschaft Afrikas auf die Leinwand gezaubert, sodass man sich in einem Realfilm wähnt. Diese neue Version wurde mit größtenteils überflüssigen Szenen um fast 30 Minuten erweitert, welche die Geschichte immer wieder ausbremst. Sorgt dies im (Heim)Kino für Langeweile, bot sich für Hans Zimmer die Chance, musikalische Ergänzungen vorzunehmen.
Am 19. Februar machte nun DISNEYS DER KÖNIG DER LÖWEN – In Concert Live to Film Halt in der Wiener Stadthalle. Das City of Prague Philharmonic Orchestra unter der erfahrenen Leitung des Wiener Star-Dirigenten Gottfried Rabl spielte live den Oscar-prämierte Soundtrack von Hans Zimmer und die legendären Hits von Elton John („Kann es wirklich Liebe sein“, „Hakuna Matata“ und „Der ewige Kreis“). Afrikanische Rhythmen und Klänge gepaart mit monumentalen, epischen Melodien begeisterten das doch schon ältere Publikum. Das Orchester war hervorragend auf die Gegebenheiten der Stadthalle abgestimmt. Lediglich in wenigen Passagen übertönte das Gesprochene im Film. Verdienten Zwischenapplaus gab es gleich zu Beginn bei „Der ewige Kreis“ und „Sei bereit“, bei denen das Orchester seine Opulenz und Vielseitigkeit unter Beweis stellen konnte.
Nach der unnötigen und zu langen Pause wurde ein kurzes, musikalisches Intro vor den Beginn des zweiten Akts gesetzt. Dabei freute man sich schon über den Abspann des Films, der sämtliche Highlights beinhaltet und dem Orchester nochmals ausgiebig die Gelegenheit bietet, sein gesamtes Potential zu zeigen. Die Enttäuschung war jedoch groß, denn der Abend endete abrupt mit der letzten Einstellung am Königsfelsen. Nach kurzer Ratlosigkeit setzte der Applaus ein, als sich die Musiker:innen mit ihrem Dirigenten verneigte.
Beim Verlassen der Halle war unter den Besucher:innen eine etwas gedämpfte Stimmug spürbar. Dieses Konzert hätte sich einen schöneren Ausklang verdient. So verließ man es mit gemischten Gefühlen.
Durch das unmotivierte Ende gibt es leider nur ...
... 5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Wolfgang Springer
18.02.2023 - Das Vindobona/ Wien
DOPPELBUCHUNG -
mit Magda Leeb und Gregor Seberg
Endlich wieder Theater! Jede Künstlerin, jeder Künstler dürstet danach, wieder im Scheinwerferlicht zu stehen. So werden Termine für Shows und Tourneen festgelegt. Nur zu dumm, wenn zwei verschiedene Leute am selben Tag, zur selben Zeit und am selben Spielort durch eine Irrtum gebucht wurden. Jeder will auftreten und nicht von der Bühne weichen. Das eigene Soloprogramm zu spielen, geht dadurch nicht. So bleibt nur eines übrig: Improvisieren.
Das ist die fixe Rahmenbedingung von DOPPELBUCHUNG mit Gregor Seeberg und Magda Leeb. Der Rest ist Improvisationstheater. Die Show nimmt dadurch einen Verlauf, den das Publikum durch Zurufe oder Kärtchen beeinflusst.
Magda Leeb ist Profi im Improvisationstheater, für Gregor Seeberg ist eher Neuland ist. Beide ergänzen sich aber hervorragend. Kurze Szenen werden durch das Mitwirken des Publikums kreiert, wie zum Beispiel, dass G. Seeberg in einem Geschäft etwas umtauschen soll, wovon er aber nicht weiß was es ist. Das Publikum hat zuvor das „Ding“ bestimmt und Magda Leeb manövriert ihn durch gezielte Fragen in witzige Antworten. Er, ahnungslos, soll auch erraten, um welchen Gegenstand es geht. Ein Töpferkurs oder eine Sitzung beim Psychiater bekommt durch Zuruf verschiedener Emotionen einen ganz anderen Verlauf.
Es ist bewundernswert und faszinierend, wie schnell sich die beiden auf eine Situation oder Emotion einstellen können und Stegreif eine Szene darstellen können.
DOPPELBUCHUNG ist unterhaltsam, voller Überraschungen und Attacken auf die Lachmuskeln und jeden Abend einzigartig – Eine Show mit Mehrwert.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik & Fotos: Michaela Springer
14.02.2023 - Metropol/ Wien
SOUL SISTERS -
Das Ladypower-Muscial
Premiere im Wiener Metropol
Der Soul in seinen verschiedensten Variationen ist ins Metropol gezogen. Die drei stimmgewaltigen Soul Sisters Claudia Rohnefeld, Carin Filipčić und Dagmar Bernhard lassen die Ära von Diana Ross, Tina Turner, Aretha Franklin und Whitney Houston wieder aufleben. Und auch Van Halens „Jump“ und Simon & Garfunkels „Bridge Over Troubled Water“ fanden Platz im neuen Metropol-Musical. Mit dem Soul im Blut rockten sie die Bühne.
Die Erzählung ist trivial, aber gespickt mit mitreißenden, alten Songs, großen Balladen und viel Wiener Schmäh, ein bisschen zynisch, ein bisschen bissig aber stets mit einem Augenzwinkern.
Die Figuren sind frei erfunden. Es ist nur Zufall, dass eine männliche Hauptfigur Sebastian, „Kurz“ Basti (Martin Oberhauser) heißt und dessen WhatsApp Verlauf ihm Schlussendlich zum Verhängnis wird. Sowas kann ja schon mal vorkommen. Das Charisma seines berühmten Vornamenvetters fehlt ihm allerdings.
Alles dreht sich um zwei Schwestern (Diana und Marie), die von ihrem Onkel Willi (Stimme: Peter Hofbauer) ein desolates Schlössl geerbt haben. Außer viel Nostalgie klebt noch mehr Schimmel an den Wänden. Es hat einen eigenen Charme, wenn aus der Steckdose Wasser fließt, den Strom jedoch vergebens sucht. Mit einem Wort, das Anwesen ist eine Abrissbude. Diana (Carin Filipčić) in der nostalgischen Schwärmerei verfallen, will das Erbe unbedingt erhalten und renovieren. Da kommt ihr Florence (Dagmar Bernhard) gerade recht, die zufällig vorbei joggt und hier schockverliebt ihre Hochzeit mit Basti feiern will. So gleich werden die beiden Seelenfreundinnen. Doch Marie (Claudia Rohnefeld) sieht die Sache pragmatischer. Sie ist eine knallharte Businessfrau, die nur Gewinn aus diesem Kapitel erzielen möchte. So tut sie sich mit dem schmiereigen Sebastian zusammen. Nach einigen Turbulenzen und Liebeleien kommt es schließlich doch noch zu einem Happy End und die ehemaligen Soul Sisters treten nun als Trio und nicht mehr als Duo auf.
Das Buch von Markus Gull und Peter Hofbauer ist durchschnittlich, punktet jedoch mit spritzigen, teils spitzen Dialogen und einigen Seitenhieben.
Das Bühnenbild von Sam Madwar ist sehr detailgetreu, egal ob man seinen Blick in den prächtigen Garten oder das demolierte Mauerwerk im Gebäude schweifen lässt.
Regie führte das Duo Irene Marie Höllwerth und Petra Kreuzer.
Zu erwähnen sind auch Bernhard Viktorin als Bausanierer Alex, genannt McGyver aus Simmering, sowie Cornelia Mooswalder als seine Gehilfin Alexa, die kurzfristig für die erkrankten Reinwald Kranner und Petra Kreuzer einsprangen und so die Premiere rettete.
Unter der musikalischen Leitung von Max Hagler ließ die Band einige Hits aus dem letzten Jahrhundert aufleben. Kreativität in Arrangements vermisste man. Sie sollten teils old, teils new, teils bluesig, teils funkig werden, vieles klang jedoch nach musikalischem Einheitsbrei, den die drei Hauptprotagonistinnen stimmlich allerdings immer wieder aufverbessern konnten.
Mit „Respect“ wurde die Show unter tobenden Applaus des Premierenpublikums beendet.
Peter Hofbauer und sein Team haben in altbewährter Weise ein Jukebox-Musical kreiert, welches einen Abend kurzweilige und nette Unterhaltung bietet, am Tag danach aber wieder vergessen ist.
Wer Zeit und Lust hat, der kann sich SOUL SISTERS – Ladypower-Musical noch bis 18. März im Metropol ansehen.
4 von 6 Sternen: ★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wiener Metropol Peter Burgstaller
28.01.2023 - Stadttheater Baden/ NÖ
FUNNY GIRL
Premiere in Baden
FUNNY GIRL ist die wahre Geschichte von Fanny Brice, die vom hässlichen Entlein durch unermüdliche, harte Arbeit zum Star wurde. So erfolgreich sie beruflich ist, so unglücklich ist sie in ihrer Ehe mit Nick Arnstein. Es ist immer schwierig, wenn ein Partner erfolgreicher ist, als der andere, noch schwieriger, wenn es die Frau ist und das zu der damaligen Zeit, wo der Mann in der Regel das Geld verdiente. Ihre Bemühungen, Nick durch ihr Geld und Beziehungen erfolgreich erscheinen zu lassen, scheitern und stürzen ihn in eine noch größere Krise, die in schlussendlich ins Gefängnis bringen und die Ehe zum Zerbrechen bringt.
Fanny Brice wurde 1891 geboren und ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, bis sie eine erfolgreiche Komikerin, Entertainerin, Sängerin und Theater und Filmschauspielerin wurde. Mit nur 59 Jahren wurde sie durch einen Schlaganfall aus dem Leben gerissen.
Doch mit FUNNY GIRL assoziiert man einen anderen großen Star: Barbra Streisand. Mit diesem Musical hatte sie 1964 ihren großen Durchbruch. Für die Verfilmung mit Omar Sharif erhielt sie 1968 den Oscar.
2006 wurde der Film vom American Film Institute als einer der wichtigsten Filmmusical der amerikanischen Kinogeschichte taxiert. Der Song „People“ wurde 2004 auf Platz 13 der 100 bedeutendsten Liedern im amerikanischen Film gewählt.
Am 28. Jänner feierte das Musical Premiere im Stadttheater Baden mit Johanna Arrouas in der Titelpartie.
Isabella Gregor belässt das Stück in dessen Zeit, was ein Flair von Nostalgie aufkommen lässt. Die Szenen und Dialoge sind oft lang und führen die Geschichte nicht weiter. Eine Straffung wäre durchaus möglich gewesen.
Die Rolle der Fanny Brice gehört zu den wohl anspruchsvollsten Frauenrollen des Musicals. Permanent auf der Bühne, muss sie singen, tanzen, performen und außerdem ein Talent zur Situationskomik mitbringen. Johanna Arrouas überzeugte schauspielerisch als ehrgeiziger Showstar. Gegen Ende des Stückes hatte sie jedoch gesanglich zu kämpfen. Vor allem die langsameren, leise Passagen bereiteten ihr Probleme. Zudem konnte sie ihre spielerische Leichtigkeit oft nicht in ihre Lieder mitnehmen.
Erfrischen natürlich brachte Shlomit Butbul als Mutter Schwung in das Stück.
Jens Janke ist der sympathische Chefchoreograph Eddie Ryan und treue Freund von Funny Girl, der eigentlich mehr für sie sein möchte. Seine tänzerischen Fähigkeiten beeindruckten.
Thomas Weissengruber spielt Nick Arnstein charmant, aber mit einem enormen Ego und einer gewissen Arroganz und Selbstüberschätzung.
An Natürlichkeit, Frische und Bühnenpräsenz strotzte Christoph Wagner-Trenkwitz als Theatermogul Florenz Ziegfeld, Jr.. Dies wurde auch beim Schlussapplaus gebührend honoriert.
Sven Niemeyer hat für das Ballett ein paar schöne Revuenummern choreografiert. Die Kostüme sind teilweise eigenwillige Kreationen, passen aber mit der Ausstattung von Alexia Redl ins Gesamtbild.
Das Orchester unter Andjelko Igrec agierte routiniert. Es fehlen ihm jedoch die Streicher für den notwendigen klassischen Sound in der großartigen und geschickt ausbalancierten Musik von Jule Styne. Der Jazz hat somit die Oberhand, was das Klangerlebnis schmälert und sich ein wenig Eintönigkeit breit macht. Showstoppern, wie etwa „People“, mangelt es daher an musikalischer Raffinesse.
Alles in allem hat man FUNNY GIRL im Stadttheater Baden recht ansprechend umgesetzt. Was jedoch weiterhin fehlt, ist der Mut, etwas mehr Kreativität in die Inszenierungen zu legen, alte Stücke vielleicht musikalisch auch mit neuen Orchestrierungen in die Neuzeit zu bringen. Die Bühnen Baden verfügt über ein altes Stammpublikum, welches man nicht enttäuschen möchte. Und der Intendant Michael Lakner versucht sein Programm über das Jahr verteilt auch sehr abwechslungsreich zu gestalten, aber ich denke, dass man es den Leuten durchaus zumuten kann, Altes in neuem Gewand erfolgreich zu präsentieren. Die Produktionen im Theater an der Wien, der Volksoper oder jene der Salzburger Festspiele sind oftmals innovativ, teils natürlich kontrovers, aber laden ein, sich diese anzusehen.
FUNNY GIRL kommt, trotz der teils etwas altbacken daher und wird es kaum schaffen, neues, junges Publikum anzulocken. Gerade während der Pandemie haben die Leute erkannt, dass man sehr wohl ohne Theater leben kann. Die nun stark gestiegenen Lebenserhaltungskosten tragen ihr übriges dazu bei, dass die Besucher:innen wählerischer geworden sind. Es gilt neues, spannendes, attraktives und kreatives Theater zu machen, um die Menschen für sich einzunehmen.
Ich bin mir sicher, die Bühne Baden wird dabei ihren Weg finden.
FUNNY GIRL steht noch bis Ende März auf dem Spielplan des Stadttheater Baden. Schauen Sie sich das an, denn, trotz dem einen oder anderen Manko, die Liebe zum Theater ist auch in diesem Stück spürbar.
4 von 6 Sternen: ★★★★
Kritik: Wolfgang Springer; Fotos: Christian Husar
26.01.2023 - Komödie am Kai/ Wien
Vier linke Hände
Dass die Komödie am Kai ein Garant für gute Unterhaltung ist, beweist sie derzeit mit der turbulenten Beziehungskomödie VIER LINKE HÄNDE von Pierre Chesnot. Mit Susanne Hirschler und Christian Spatzek wurde somit erfolgreich ins neue Jahr gestartet.
Sophie, die Tochter eines Bonbonfabrikanten und Single will sich zu ihrem 40. Geburtstag wieder einmal das Leben nehmen. All ihre Freunde sind auf Urlaub und sie feiert in ihrer neuen Pariser Wohnung mit sich selbst ihren Jahrestag. Sie ist wohlhabend, aber unglücklich über ihr unerfülltes Leben. So laufen die Vorbereitungen zu ihrem Selbstmord auf Hochtouren. Doch ihre Freundin ruft sie an und kann sie überreden, noch drei Tage zu warten, bis sie aus ihrem Urlaub zurück ist. Bis dahin soll sie einen Menschen glücklich machen, und zwar den ersten Mann, dem sie begegnet.
Und dies dauert nicht lange! Sie hat ihr Badewannenwasser vergessen abzudrehen und so steht kurze Zeit später der Mieter der Wohnung unter ihr triefend nass vor ihrer Tür, da er unfreiwillig geduscht wurde. Bertram ist Professor für Geschichte des Altertums, ein Eigenbrötler und emotional verkümmert. Er ist so gar nicht Sophies Typ, aber sie will ihr Versprechen einlösen. All ihre Bemühungen und Verführungskünste scheinen jedoch bei Bertram abzuprallen. Aber irgendwie können sie nicht miteinander, aber auch nicht ohneeinander. Es entwickelt sich eine turbulente Liebesgeschichte mit jeder Menge Situationskomik und heiteren Dialoge.
Das Stück ist ideal besetzt. Susanne Hirschler mit großer weiblicher Ausstrahlung und etwas chaotisch, Christian Spatzek, der emotional sehr verschlossen ist und in seiner eigenen abgesicherten Welt lebt. Seine Tage sind fix durchstrukturiert und Spontanität ist ein Fremdwort für ihn. Sophie ist das Gegenteil und bringt sein Leben gehörig durcheinander. Gegensätze ziehen sich eben an. Es sind zwei so unterschiedliche Charaktere, die aber auf ihre Art liebenswert sind.
Das Bühnenbild von Siegbert Zivny ist verhältnismäßig aufwendig. Der Umbau zwischen den beiden Wohnungen erfolgt während kurzen Pausen, hinter dem Theatervorhang.
Die Inszenierung von Christian Spatzek ist kurzweilig, stimmig und unterhaltsam und lässt einen den tristen Alltag vergessen.
Im Abschluss an die Premieren-Vorstellung wurde das „Komödie am Kai“-Familienmitglied Andrea Eckstein auf der Bühne von Direktorin Sissy Boran zur Co-Direktorin ernannt. Die beiden bilden bereits seit vielen Jahren ein Dreamteam, dass es hoffentlich noch sehr lange bleiben wird.
VIER LINKE HÄNDE ist noch bis 11. März 2023 in der Komödie am Kai zu sehen.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Komödie am Kai
20.01.2023 - Freie Bühne Wieden/ Wien
CHAIM und ADOLF
Österreichische Erstaufführung
Chaim Eisenberg, ein Jude mit deutschen Wurzeln, kommt jedes Jahr zum Schifahren im Winter nach Österreich. Doch er ist auch leidenschaftlicher Schachspieler. In dem Tiroler Dorf gibt es allerdings nur einen, der ebenfalls diesem Gehirnsport frönt. Der Dorfwirt Martin schlägt ihm einen Mann aus dem Nachbarort vor: Adolf Oberhuber. Nach einigem Zögern erscheint sein Schachpartner in der Wirtsstube. Chaim ist über die Namensgebung nach 1938 irritiert. Der Krieg längst vorbei, starten sie eine Probepartie. Es hat den Anschein, als sei es eine zufällige Begegnung eines Skiurlaubers und eines Einheimischen, der einer der wenigen ist, der Schachspielen kann. Wirklich ein Zufall? Schon bald ist das Spiel nur mehr Nebensache. Es wird ein Schlagabtausch, beginnend, warum man sein Kind Adolf nennt. Soll man die Tradition, den Namen des Großvaters weiterzugeben, unterbrechen, weil dieser Adolf hieß? Was ist mit der Erbschuld?
Adolf ist in der Mythologie gewandt, analysiert seinen Gegner und hält sich über seine Person bedeckt. Aber nicht nur er spielt mit doppeltem Boden. Chaim verfolgt ein klares Ziel, hat diese Begegnung bewusst arrangiert und provoziert seinen Gegner. Als das Thema Zwangsarbeiter aufkommt, glaubt man als Zuschauer, dass die Ausbeutung Chaims Vorfahren der wahre Grund seines Kommens ist. Falsch gedacht! Nicht nur, dass der Großvater von Adolf ein guter Mensch war und seine Zwangsarbeiter gut behandelt hat, steckt eine große Liebesgeschichte dahinter. Chaims Großmutter und Adolfs Großvater liebten sich: Eine polnische Zwangsarbeiterin und ein österreichischer Nazi? Für beide eine äußerst prekäre Situation, die tödlich hätte enden können. Zu Kriegsende kehrt sie zu ihrem, aus dem KZ entlassenen, Mann zurück. Fünf Monate später bringt sie Chaims Vater zur Welt. Nicht schwer zu erraten, wer dessen biologische Vater war. Die Liebschaft wurde totgeschwiegen und die betrogene Ehefrau von Adolf bestochen. Aber jetzt war die Zeit gekommen, um die Wahrheit nicht länger zu vertuschen, eine Wahrheit, die der Dorfwirt längst schon wusste, denn ein Wirt weiß immer alles.
Der Hauptfokus dieses Kammerspieles von Stefan Vogel liegt zur Gänze auf den drei Protagonisten Leopold Dallinger, Markus Tavakoli und Géza Terner.
Das Bühnenbild ist einfach, statisch, aber effektiv, da man sich durchgehend in einem Gastraum aufhält. Tische, Sessel und eine Theke reichen. Eine Berglandschaft als Hintergrund erinnert, dass man sich in Tirol befindet.
Das Schachspiel wird ein Psychospiel mit zwei hervorragenden Schauspielern als Gegner. Der eine ein Hitzkopf, der andere sensibel, aber aufbrausend. Ein scharfsinniges, schlagfertiges Duell wird geboten, dass die Zuschauer in Spannung versetzt. Es gibt immer wieder überraschende Wendungen.
CHAIM UND ADOLF unter der Regie von Reinhard Hauser ist ein Kammerstück mit Witz, Charme, Intelligenz, Schwung und großartig gespielt. Es ist ein Geheimtipp unter den derzeitigen Wiener Theater Produktionen und in der Freien Bühne Wieden noch bis 31.1.2023 zu sehen.
Ein Besuch lohnt sich!
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Robert Ritter
09.01.2023 - Das Vindobona/ Wien
Hedwig And The Angry Inch
Was für eine Premiere! Der Ausnahmekünstler Drew Sarich als Hedwig in HEDWIG AND THE ANGRY INCH rockte das Vindobona. Es war bunt, schrill mit nachdenklichen und viel zweideutigen Momenten.
Unter der Regie von Werner Sobotka wurde es ein homogenes Gesamtpaket von Punk Rock, 1970iger Glamour, Standing Comedy und Schauspiel. Hedwig liebt, hasst und lebt intensiv. Wird vom Opfer und Täter, vom Verletzten zum Verletzer. Seinen Schmerz verpackt er in bitteren Sarkasmus und Witz. Hedwig ist eine faszinierende Persönlichkeit: Die Dragqueen, hinter der sich doch der sensible Hansel versteckt.
Die Zuschauer sind quasi die Gäste eines Rockkonzerts von Hedwig mit seiner Band „The Angry Inch“. Hedwig spielt im Vindobona, sein Ex-Geliebter zur gleichen Zeit in der Stadthalle mit seinen Songs. Es wühlt ihn auf, dass Thommy solch einen großen Erfolg feiert. In seiner tiefen Verletztheit beginnt er über sein Leben zu erzählen. Wie aus dem Ostberliner Hansel Schmidt durch die Heirat mit einem US GI Hedwig wurde. Für die Ausreise aus der DDR war eine Geschlechtsumwandlung von Nöten, die schief ging. Der Chirurg war betrunken und das Messer stumpf und so blieben ihm 2,5 cm, die ihn stets erinnern, dass er nie ganz zu einer Seite gehören wird. Die Ehe dauerte nicht lange. Mittellos wohnte er in einem Wohnwagen und hielt sich mit Gelegenheitsjobs, wie Babysitten, über Wasser, wo er auch Thommy kennenlernte. Ihm lernte Hedwig alles über Musik, gab ihm einen Künstlernamen und schrieb Songs. Aber auch dieses Glück ist nur von kurzer Dauer. Thommy verlässt ihn und feiert große Erfolge mit den gestohlenen Liedern. Hedwig selbst ist von einem großen Erfolg weit entfernt. Er schafft nur Low-Budget Tourneen und blickt neidisch auf seinen Ex. Dabei behandelt er seinen neuen Mann zunehmend schlechter. Gerade er, der so viel Schmerz erfahren hat, wird nun selbst zum Täter.
Drew Sarich beeindruckt mit seinem intensiven Spiel. Er nimmt das Publikum mit auf eine Achterbahn der Gefühle, mit all seinen leidenschaftlichen Facetten. Seine Figur ist stark, ein Kämpfer, der nicht aufgibt und doch so verletzlich ist.
Ann Mandrella begeistert stimmlich als ihr Ehemann, die sehr zurückgenommen im Hintergrund agiert.
HEDWIG AND THE ANGRY INCH ist eine Genderstory mit Tiefgang über einen schillernden Paradiesvogel und dessen tragischen Leben, begleitet von einer 4-köpfigen Band unter der musikalischen Leitung von Drew Sarich.
Bis Ende Jänner steht das Stück noch auf dem Spielplan des Vindobona.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik & Fotos: Michaela Springer