04.06.2024 - Scala/ Wien
NETWORK
Österreichische Erstaufführung
Der Nachrichtenmoderator Howard Beale kündigt vor laufender Kamera seinen Selbstmord an, nachdem er nach 25 erfolgreichen Jahren wegen Quotenschwunds entlassen wird. Bei seiner Abschiedsmoderation wird er zum Wutbürger und die Quoten steigen ins unermessliche. Schnell erkennt die Chefetage ihre Chance auf Quotensteigerung und feiern ihn als neuen Propheten mit eigener Sendung, in der er all den angestauten Frust von sich lässt, und das ausspricht, was Millionen Amerikaner tief in ihren Herzen fühlen. Er wird zudem auch als Sprachrohr von den Geldgebern des Senders missbraucht. Sein Einfluss auf die Bevölkerung ist gewaltig, was ihm und auch dem Network schlussendlich zum Verhängnis wird.
Obwohl das Stück in den 70iger Jahren spielt, hat es an Relevanz nichts verloren. Die Macht der Manipulation der Medien für Quotensteigerung und Wutbürger wird auch heute noch effektiv für Medienzwecke eingesetzt und missbraucht. Ob „Big Brother“, „Das Dschungelcamp“, „Jackass“, „Love Island“, usw. sind noch die harmlosesten Programme, welche das Publikum vor die Fernseher locken sollen. Moralisch bedenklich und manipulativ agieren in Österreich gewisse rechte Printmedien und Privatfernsehsender.
Alexander Rossi ist eine Idealbesetzung. Seine Wandlung vom souveränen Nachrichtensprecher zum hasserfüllten, fast vom Wahnsinn besessenen Wutbürger mit stetig steigender Zerrissenheit ist beeindruckend. Seine Darbietung ist von immenser Ausdruckskraft und reflektiert auch die Emotionen und Erfahrungen der Zuschauer.
Natürlich gibt es auch eine unglückliche Liebesgeschichte in der Chefetage, die voller Klischees ist. Die junge, karriereorientierte Programmdirektorin Diane Christensen (Eszter Hollósi) verführt den älteren, verheirateten Nachrichtenchef Max Schumacher (Leopold Sellinger), der mitten in seiner Midlifecrisis ihretwegen seine Frau Louise (Christina Saginth) verlässt. Nach einem halben Jahr plagt ihn das schlechte Gewissen und sie interessiert sich nur mehr für ihre Karriere. Somit steht die unvermeidliche Trennung an. Leopold Selinger und Eszter Hollosi überzeugen schauspielerisch in ihren tragischen Rollen.
Prisca Buchholtz, Simon Brader, Felix Frank, Florian Lebek, Gunter Matzka, Christoph Prückner und Hendrik Winkler ergänzen das fabelhafte Ensemble.
Bühnenbild (Bruno Max) und Kostüme (Anna Pollack) spiegeln den Zeitgeist der 70iger. Mittels Drehbühne finden die Szenenwechsel fließend statt.
Die Mediensatire NETWORK von Lee Hall nach dem mit vier Oscars ausgezeichneten Films von Paddy Chayefsky unter der Inszenierung von Felix Metzner ist eine schonungslose Gesellschaftskritik mit großer emotionaler Kraft.
Das Stück ist noch bis 22. Juni in der Scala zu sehen.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Bettina Frenzel
Mehr Infos unter: www.theaterzumfuerchten.at