15.01.2025 - Museumsquartier/ Wien
BERLIN BERLIN
Die große Show der goldenen 20er Jahre
BERLIN BERLIN ist eine schillernde Hommage an die Goldenen Zwanziger, eine Epoche die für ihren Glamour, ihre künstlerische Vielfalt und gesellschaftlichen Umbrüche bekannt ist. Mit einer Mischung aus mitreißenden Tanz- und Gesangsnummern und historischer Referenz bringt die Inszenierung die Atmosphäre der damaligen Zeit auf die Bühne und lässt nochmals Marlene Dietrich, Anita Berber, Josephine Baker und die Comedian Harmonist durch große Nummern auferstehen.
Doch hinter der glänzenden Fassade dieser Revue gibt es auch Schwächen.
Schon beim ersten Vorhang entfaltet sich die visuelle Pracht. Die Kostüme von Katia Convents und Bahram Zamani sind detailverliebt und spiegeln die Ästhetik der 20er Jahre wider. Das Bühnenbild wechselt zwischen glamourösen Tanzsälen sowie verrauchten und verruchten Nachtclubs.
Musikalisch bietet die Revue ein breites Potpourri von bekannten Hits. „Ich bin die fesche Lola“, „Ein Freund, ein guter Freund“, „Es gibt nur ein Berlin“, „Puttin On the Ritz“ oder „Mein kleiner grüner Kaktus" lassen das Publikum in Nostalgie schwelgen, wenngleich nicht alle Songs in den 20er Jahren anzusiedeln sind.
Von den Darsteller:innen besonders hervorzuheben, ist Jil Cleese als Anita Berber. Sie verkörpert die ungezähmte Energie der Ära mit einer Mischung aus Extravaganz, Tragik und Wildheit. Sie beeindruckt mit der Kombination aus Selbstbewusstsein und den Schattenseiten ihres exzessiven Lebensstils dieser Figur.
In einer weiteren Rolle verkörpert Jil Cleese die Titelfigur aus „Cabaret". Selten sieht man eine Sally Bowles-Performance mit einer solch außergewöhnlichen Intensität.
Sebastian Prange als Kutte ist ein Berliner Original. Er ist die humorvolle und bodenständige Kompetente in der Inszenierung und avanciert sofort zum Publikumsliebling.
Lena Müller bringt als Marlene Dietrich ihre eigene Stimmfarbe ein, was der Person Dietrichs jedoch die Verruchtheit und Erotik nimmt.
Dominique Jackson versucht sich als Skandaltänzerin Josephine Baker, was ihr nur bedingt gelingt.
Zurecht viel Applaus ernten die Comedian Harmonists Samuel Frenco, Yannic Blauert, Kevin Dickmann, Johannes Krimmel und Peter Fabig. Mit einem amüsanten Remix einiger der Hits der Superstars der Weimarer Republik begeistern sie das Publikum.
Die Autoritätsperson bzw. auch Conférenciers ist der Admiral (benannt nach dem Admiralspalast), in Wien vom Oberösterreicher Simon Stockinger mit einem gewissen Charme verkörpert. Er gibt sich zwar dem wilden Berlin hin, verliert aber nie die Kontrolle.
Die Tänzer:innen beeindrucken mit Präzession und Schwung nach der Choreographie von Matthew Cole. Katia Convents und Bahram Zamani haben die bunten und teils knappen Kostüme entworfen. Für die damalige Zeit wirken sie allerdings etwas zu züchtig.
Inhaltlich bleibt das Stück hinter seinen Möglichkeiten zurück. Der historische Kontext, die Spannung zwischen der ausgelassenen Lebensfreude und dem aufkeimenden dunklen Schatten des Nationalsozialismus werden gegen Ende der Revue jedoch mit dem sprichwörtlichen Holzhammer transportiert. Thematisch und musikalisch bedient man sich dabei beim Musical „Cabaret“, ohne jedoch eine gewisse Tiefe zu entwickeln. Die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche jener Zeit bleiben oberflächlich und werden schnell wieder zugunsten von Showeffekte in den Hintergrund gedrängt. Die Produzenten waren sich anscheinend nicht ganz eins, ob man sich, wie der Untertitel „Die große Show der goldenen 20er Jahre“ aussagt, eine Revue konzipieren, oder doch inhaltlich anspruchsvoller agieren soll. Vermutlich wollte man eindringlich vor den Gefahren des Rechtspopulismus warnen, wenngleich es in Österreich ohnehin derzeit keine Früchte zu tragen scheint.
BERLIN BERLIN fängt die Lebensfreude und den Glamour der 20er Jahre ein. Die Inszenierung und zeitlose Musik machen das Stück zu einem kurzweiligen Erlebnis. Thematisch und auch in den Geschichten der Hauptfiguren bleibt man oberflächlich und fängt die Komplexität der damaligen Zeit nur bedingt ein. Es ist mehr Show als Substanz.
Für Fans der Epoche und großer Revuen ist BERLIN, BERLIN dennoch einen Besuch wert.
BERLIN, BERLIN - noch bis 26.01.2025 in Wien
3 von 6 Sternen: ★★★ Kritik: Wolfgang Springer