16.10.2025 - BRUNO/ Brunn am Gebirge; NÖ
Carmen darf nicht platzen!
(Österreichische Erstaufführung)
Mit der österreichischen Erstaufführung von CARMEN DARF NICHT PLATZEN! in Brunn man Gebirge setzt die Neue Bühne Wien unter der Leitung von Marcus Strahl auf eine feingeschliffene Variante klassischer Komödienmechanik. Ken Ludwigs Farce, als weibliches Gegenstück zu seinem Welterfolg Otello darf nicht platzen konzipiert, entfaltet im Gewand einer Backstage-Komödie der 1950er Jahre ein subtiles Spiel über Rollenbilder, Bühnenidentitäten und den ewigen Zwang zum Gelingen.
Regisseurin Monika Steiner begegnet der Vorlage mit klarem Gespür für deren doppelte Struktur. Vordergründig eine temporeiche Screwball-Farce, hintergründig eine Studie weiblicher Selbstbehauptung in einem von Eitelkeit und Egomanie geprägten Kunstbetrieb. Sie hält das Komödiengetriebe in ständiger Bewegung, ohne die psychologische Logik der Figuren preiszugeben, eine Balance, die im Genre selten gelingt.
Die Handlung folgt einem klassischen Verwechslungsschema. Eine ehrgeizige Operndirektorin bereitet ein Gastspiel der gefeierten Starsopranistin Elena Firenzi vor, die als Carmen brillieren soll. Doch die Diva verspätet sich, erkrankt, stirbt vermeintlich und zwingt die unscheinbare Assistentin Jo, den Abend zu retten, indem sie selbst in die Titelrolle schlüpft. Als die vermeintlich Tote wieder auftaucht, beginnt ein irrwitziges Spiel der Masken.
Anna Sophie Krenn trägt die Inszenierung als Jo mit feinem Gespür für Rhythmus und Timing. Ihr Spiel pendelt zwischen Zurückhaltung und plötzlicher Selbstermächtigung, in dem Moment, da aus der schüchternen Assistentin eine selbstbewusste Künstlerin erwächst.
Leila Strahl gibt die Elena Firenzi als ironisch gebrochene Diva, deren Pose immer auch Selbstentblößung ist, eine Figur, die ihre Theatralität genießt und zugleich an ihr scheitert. Beide Darstellerinnen überzeugen mit kluger Zeichnung und pointierter Energie.
Anita Kolbert verleiht der Intendantin der Cleveland Grand Opera eine köstlich autoritäre Präsenz, während Doris Richter-Bieber (Julia, Vorsitzende des Fördervereins der Oper), Kira Koppandi (Hotelpagin Beverly), Géza Terner (Tenor Leo), Leopold Dallinger (Jerry, der Sohn der Operndirektorin) und Alfons Noventa (Elenas Ehemann Pasquale) das Ensemble mit präziser Komik und rhythmischer Geschlossenheit abrunden. Steiner setzt konsequent auf Ensemblearbeit, die Spannung entsteht aus der Reibung der Figuren, nicht aus bloßem Gag-Feuerwerk.
Bühnenbild (Martin Gesslbauer) und Kostüme (Petra Teufelsbauer) zitieren die 1950er-Jahre mit liebevoller Stilisierung, ohne in Nostalgie zu verfallen. Der visuelle Rahmen verstärkt das konzeptionelle Prinzip der Inszenierung, eine Welt aus Spiegeln, Masken und Dopplungen, in der Authentizität stets zur Frage der Darstellung wird.
Ludwigs Komödie ist hier weit mehr als ein Verwechslungsspiel. CARMEN DARF NICHT PLATZEN! reflektiert leichtfüßig, doch mit Bewusstsein für seine Metaebene, das Verhältnis von Kunst und Krise, von Anpassung und künstlerischer Selbstbestimmung. Der Neuen Bühne Wien gelingt es, diese Dimension mit Witz, Präzision und handwerklicher Sorgfalt offenzulegen, ohne den Unterhaltungswert zu mindern.
5 von 6 Sternen: ★★★★★ Kritik: Michaela Springer;
Fotos: Robert Peres
www.nbw.at * www.marcusstrahl.at