13.11.2025 - Theater Center Forum/ Wien
GIN ROMME
GIN ROMME, 1976 vom US-amerikanischen Dramatiker Donald L. Coburn verfasst, avancierte schon kurz nach seiner Uraufführung zum preisgekrönten Bühnenereignis und wurde 1977 mit dem Pulitzer-Preis für Drama ausgezeichnet.
Die Inszenierung im Theater Center Forum zeigt eindrucksvoll, welche gestalterische Kraft ein Zweipersonenstück entfalten kann, wenn Regie und Schauspiel kompromisslos auf Präzision setzen. Doris Happl nutzt das konzentrierte Setting des Forum II nicht als Limitierung, sondern als produktiven Resonanzraum für die fein austarierten emotionalen Kräfte ihrer Figuren. Aus dieser bewussten Reduktion entsteht ein Kammerspiel von bemerkenswerter Dichte, das sich jeglicher Sentimentalität entzieht und gerade dadurch nachhaltige Wirkung entwickelt.
Im Mittelpunkt steht die Begegnung zweier älterer Menschen in einer Seniorenresidenz: Fonsia, höflich, kontrolliert und von stiller Wachsamkeit, und Weller, ein Mann von rauem Temperament und brüchiger Selbstbehauptung. Was mit einem vermeintlich harmlosen Kartenspiel beginnt, weitet sich rasch zu einem intensiven Schlagabtausch aus. Jede gespielte Runde legt Facetten ihrer Biografien frei, Narben, Einsamkeiten und Sehnsüchte. Die Beziehung verschiebt sich ständig zwischen Sarkasmus und unausgesprochener Nähe, zwischen Abwehr und vorsichtiger Annäherung. So entsteht ein präzises Psychogramm zweier Menschen, die versuchen, im späten Lebensabschnitt Würde und Orientierung zu bewahren.
Die darstellerische Qualität ist das pulsierende Zentrum des Abends. Doris Weiner zeichnet Fonsia mit einer minutiösen, äußerst kontrollierten Zartheit. Ihr Spiel lebt von feinen Brüchen, eine kaum merkliche Zögerlichkeit im Blick, ein Moment stockender Stimme, Nuancen, die tiefe biografische Schichten eröffnen, ohne sie auszubreiten. Weiner formt eine Figur, deren Höflichkeit weniger Konvention als Schutzpanzer ist und deren Verletzlichkeit erst durch ihre disziplinierte Zurückhaltung spürbar wird. Ihr Porträt beeindruckt durch Klarheit und feinsinnige Verantwortung gegenüber dem Charakter.
Johannes Terne setzt als Weller ein kraftvolles Gegengewicht. Seine Mischung aus Poltern, verletzter Eitelkeit und vorsichtig eingesetztem Humor ergibt ein vielschichtiges Rollenbild. Terne arbeitet die innere Unruhe seines Charakters mit analytischer Präzision heraus, das impulsive Aufflammen von Stolz, das unterschwellige Knurren, die fast trotzig verteidigte Haltung. Zugleich lässt er stets die fragile Grundlage dieser Selbstbehauptung mitschwingen. In seiner Darstellung wird Weller zu einem Mann, der um Fassung ringt, eine Ambivalenz, die Terne virtuos auszubalancieren weiß.
Das Kartenspiel bildet den dramaturgischen Kern der Inszenierung. Happl nutzt jede Partie, um atmosphärische und emotionale Verschiebungen auszuloten. Komik entsteht nicht durch laut ausgespielte Pointen, sondern durch präzise gesetzte Pausen, subtile Reaktionsmuster und feine Modulationen im Tonfall. Dieser leise, beobachtende Humor trägt entscheidend zum Rhythmus des Abends bei.
Das Bühnenbild, eine unaufdringliche, funktionale Seniorenresidenz dient als bewusst neutraler Hintergrund. Seine kühle Sachlichkeit schärft den Blick auf die Interaktion der Figuren und verstärkt die psychologischen Unterströmungen. Happls Entscheidung für diese radikale Zurücknahme führt zu einer klaren Konzentration auf das Wesentliche, den Text und die darstellerische Qualität.
Insgesamt präsentiert sich GIN ROMME als pointiert gestaltete Studie über Einsamkeit, Stolz und die fragile Balance zwischen Selbstbehauptung und Nähe. Die Inszenierung besticht durch dramaturgische Genauigkeit und zwei herausragende Darstellerpersönlichkeiten, die die leisen Töne dieser Vorlage mit bemerkenswerter Tiefenschärfe zum Klingen bringen. Ein Theaterabend, der sich behutsam ins Gedächtnis schreibt.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer

















