17.01.2025 - Freie Bühne Wieden/ Wien
KIM
Wiener Erstaufführung
Flo Staffelmayrs Theaterstück KIM, das am 14.1.2025 Wiener Erstaufführung an der Freien Bühne Wieden feierte, wagt den Schritt in die Tiefen unserer technisierten Gegenwart und Zukunft zu blicken.
Die 16-jährige Lotte verlässt ihre Heimatstadt, um einen Neuanfang zu wagen. Sie findet eine Anstellung am Institut von Professor Wilhelm, der an einer bahnbrechenden künstlichen Intelligenz namens KIM arbeitet. Lottes Aufgabe besteht darin, mit Kim über ihre Gefühle zu sprechen, um so die menschliche Seite der Maschine weiterzuentwickeln. Zu Beginn hilft ihr diese Arbeit, ihre eigene Krise zu bewältigen. Doch je intensiver die Gespräche werden, desto stärker vermischt sich die Grenze zwischen Mensch und Maschine. Kim stellt sich perfekt auf Lotte ein und so entwickelt Lotte schließlich Gefühle für Kim. Sie muss aber feststellen, dass Kim diese Fähigkeiten nützt, um Menschen im Seniorenheim Empathie vorzutäuschen. Das öffnet Lotte die Augen. Sie hinterfragt den fundamentalen Unterschied zwischen echten Gefühlen und programmierten Reaktionen und wird sich ihrer eigenen Menschlichkeit bewusst.
Das Stück greift hochaktuelle Themen auf, wie künstliche Intelligenz, Ethik der Technologien und die Frage, was es bedeutet, ein Bewusstsein zu haben.
Die Inszenierung von Michaela Ehrenstein überzeugt durch die packende und aktuelle Thematik mit emotionaler Tiefe und intellektueller Herausforderung.
Das Bühnenbild von Martin Gesslbauer ist schlicht, steril und voller geometrischer Formen, was die kühle Entstehungsumgebung von Kim widerspiegelt.
Katrin Fuchs als Kim prägt das Stück entscheidend. Ihre Darstellung ist eine Gradwanderung zwischen maschineller Präzession und menschlicher Emotionalität. Anfangs wirken ihre Bewegungen mechanisch und emotionslos. Doch im Laufe des Stückes wandelt sich ihre Körpersprache und wird weicher. Katrin Fuchs gelingt es trotz ihrer künstlichen Natur eine berührende Figur zu präsentieren.
Barbara Edinger bildet den menschlichen Kontrast, voller Emotionen und Bedürfnissen. Ihre Darstellung berührt im Chaos ihres Teenageralters. Ihre Interaktionen mit Katrin Fuchs sind poetisch und philosophisch geprägt. Aber ihre Unsicherheit, Ängste und Emotionen sind zugleich ein Spiegel der Zuschauer. Barbara Edinger als Lotte ist kraftvoll und lässt die Figur tief menschlich erscheinen.
Kurt Hexmann hat als Prof. Wilhelm eine vieldeutige Rolle. Mit einer Darstellung aus Charisma, Dominanz und latenter Verunsicherung bringt er eine wichtige Dynamik in das Stück. Seine Körpersprache ist dominant, was ihn auf der Bühne zu einer präsenten, aber auch beklemmenden Peron macht.
KIM hinterfragt intensiv die Beziehung zwischen Menschen und Maschinen. Mit tiefgründigen Dialogen wird das Publikum in den Bann gezogen und gleichzeitig gefordert. Eine Thematik die brisanter denn je. Es liegt in den Händen der Humanoiden, wie weit künstliche Intelligenz zugelassen wird und ob es Fluch oder Segen ist.
Bis 29. Jänner ist das Stück noch in Freien Bühne Wieden zu sehen.
5 von 6 Sternen: ★★★★★ Kritik: Michaela Springer