09.11.2020 - Statement
MARTIN BERMOSER und CORONA
Die Kunst- und Kulturszene befindet sich seit Anfang November im zweiten Corona-Lockdown. Ob es wirklich mit 1. Dezember wieder losgehen kann, wird von vielen Seiten angezweifelt. Manche Theater sehen voller Enthusiasmus der Weihnachtszeit entgegen und beginnen bereits mit den Proben für die anstehenden Produktionen. Nicht wenige sehen jedoch der näheren Zukunft pessimistisch entgegen und haben ihre Stücke auf unbestimmte Zeit oder zumindest in den Herbst 2021 verschoben. Planbarkeit wäre schön, ist aber in dieser Zeit kaum möglich. Auch für die KünstlerInnen heißt es "bitte warten".
Der gebürtige Kärntner Schauspieler und Sänger MARTIN BERMOSER (u.a."I Am From Austria", "Tatort", "Vorstadtweiber", "Mission Impossible - Rogue Nation") ist einer der Betroffenen der Branche. Er hat uns erzählt, wie er mit dieser Situation umgeht und was seine nächsten Projekte sind:
Die Lage ist ernst. Es sind nicht nur die Schließungen Verschiebungen, Vertröstungen u.ä.. Es ist die Aufgabe, die uns als Künstler lebendig und aktiv, wach und positiv hält, nämlich das Auftreten, die Bühne, die Reaktionen des Publikums, die Lust am Spielen und Singen, die uns dieser Tage und Monate, vielleicht Jahre genommen wird! „Stillstand ist der Tod“ schreibt Grönemeyer in seinem Song „Bleibt alles anders“ und thats the problem! Ohne live vergeht der Sinn und das Sinnliche... das darf nicht mehr so bleiben!
Ich persönlich tu alles, um in Bewegung zu bleiben, körperlich trainiere ich viel, und ich möchte in der nächsten Zeit mein erstes Album herausbringen, ich hab an 15 Songs während dieser 6 Monate gearbeitet und das wird spannend! Somit tu ich alles, um positiv zu bleiben und geistig nicht zu versauern! Stay tuned!!!!
Ich halte es diesmal mit dem Song „4:33“ von John Cage! Der besteht aus einer einzigen laaaangen Pause und wurde dadurch berühmt! Möge diese Pause jetzt auch asap vorbei sein und der Hunger auf Kunst und geile Shows baldigst gestillt werden! Ich nehme „hoffentlich“ ab April dann wieder Fahrt auf mit dem Löwen im „Zauberer von Oz“ an der Volksoper Wien und nächsten Herbst, also 2021, als Conférencier in der verruchten Show der 20er Jahre „Berlin Berlin“.
Mehr zu Martin Bermoser findet ihr etwa auf seiner Homepage: Fotocredits: oben: Elena Zauke |
27.10.2020 - Stadttheater Baden
RENÉ RUMPOLD -
Edith Piaf und Freunde
Immer wieder treten SängerInnen im Max-Reinhard-Foyer im Obergeschoss des Stadttheaters Baden auf, um im kleinen Rahmen hautnah bei den Fans sein zu können. So auch am 27.10. René Rumpold mit seinem Chanson-Programm EDITH PIAF UND FREUNDE. Darunter große Namen, wie Jacques Brel, Charles Aznavour, Marlene Dietrich und natürlich Edith Piaf, der freche Spatz.
Barbara Rektenwald begleitete René Rumpold musikalisch am Klavier durch die Geschichte des französischen Liedes des 20. Jahrhunderts.
Cornelia Schäfer hatte als Erzählerin biografisches und geschichtliches zu berichten und konnte auch sonst mit der einen oder anderen Anekdote aufwarten. Viele der angesprochen SängerInnen standen mit Edith Piaf in irgendeiner Weise in Verbindung einige künstlerisch, so manche auch erotisch. Eine Liaison mit der von ihr vergötterten Marlene Dietrich ist nicht eindeutig geklärt.
René Rumpold stand in gewohnt stattlicher Manier auf der Bühne und dankte den Fans für die Treue, die sie ihm und dem Theater entgegenbringen.
Gesanglich überzeugte er einmal mehr mit seiner kräftigen Stimme. Doch auch die leisen Töne waren treffsicher gesetzt und gehalten.
Selbst wer der französischen Sprache nicht mächtig war, konnte dank Rumpolds ausdrucksstarker Gestik und Mimik die passenden Stimmungen herauslesen. Dennoch wäre es durchaus anzudenken, kurz vor den Songs zwei oder drei Sätze zum Inhalt zu erzählen.
Eine überaus ergreifende Interpretation gelang René Rumpold mit dem Marlene Dietrich-Klassiker „Sag' mir wo die Blumen sind", eindringlicher als das Original. Da verschwand wohl so manche Träne unter der Maske.
Nach drei Zugaben und insgesamt 90 Minuten ohne Pause zeigte sich das vorwiegend ältere Publikum sichtlich begeistert von diesem Abend und freute sich gemeinsam mit dem sympathischen und ausdrucksstarken Künstler, dass man sich trotz der prekären Corona-Situation im Stadttheater Baden einfinden konnte.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik & Fotos: Wolfgang Springer
24.10.2020 - Bühne Baden
ANATEVKA
Premiere
Zufälle, die nur das Leben schreiben kann: Eine Woche vor dem zweiten Lockdown feierte gerade jenes Stück Premiere im Stadttheater Baden, welches als Inbegriff der Lebenslust und des Überlebenswillen gilt, nämlich ANATEVKA.
Ein einsamer, musizierender Fiedler auf dem Dach, ein Symbol des Lebens, von der Geburt bis zum Tod.
In der Badener Inszenierung waren dessen Haare grün, was man als Hommage an den Geiger im Waldgemälde „Musik“ von Marc Chagall deuten kann, auf dem das Gesicht ebenfalls grün ist.
Und wie eben dieser Geiger nur einen schmalen Grat auf dem Dach zum Wandeln hat, so hat es auch das jüdische Volk um 1905 zwischen seiner Lebenslust und dem aufkeimenden Antisemitismus.
Das Leben der Juden ist geprägt von Traditionen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden und welche die Grundpfeiler ihrer Lebensgemeinschaft sind. Doch die junge Generation will sich nicht von diesen Vorschriften unterjochen lassen. Sie wollen ihr Leben selbst in die Hand nehmen. So gerät Tevje zwischen die Fronten, da drei seiner Töchter nicht den von der Heiratsvermittlerin ausgesuchten Mann ehelichen wollen, sondern ihre Geliebten. Hin und hergerissen sucht er in Zwiegesprächen die Nähe zu Gott.
Georgij Makazaria ist eine Idealbesetzung. Er ist ein Tevje mit starker Bühnenpräsenz, dessen Leben von Traditionen geprägt ist, die er aber durch die Liebe zu seinen Töchtern und deren Eigenwilligkeit bricht.
Herrlich sind seine Gespräche mit Gott und seine eigene Bibelinterpretation. Er fühlt sich als Familienoberhaupt, doch in Wirklichkeit hat seine Frau Godel, wunderbar von Maya Hakvoort verkörpert, die Hosen an. Das Leben hat sie geprägt und ihr Ziel ist es, eine möglichst gute Partie für ihre Töchter, egal wie alt die zukünftigen Schwiegersöhne auch sein mögen, auszuhandeln. Auch sie hat ihren Mann nicht aus Liebe geheiratet, aber bei dem Lied „Ist es Liebe“ muss sie sich nach 25 Jahren Ehe eingestehen, dass doch Liebe entstanden ist. Amüsant ihre Dispute mit Tevje und die Frage, wer in Wahrheit der Herr im Haus ist.
Anna Burger verkörpert die ältere Tochter, die viel von ihrer Mutter geerbt hat. Sie beugt sich als erste nicht den alten Traditionen - und mit ihrer reschen Art bringt sie ihre große Liebe, den Schneider Motel - herrlich dargestellt von Alexander Donesch, dazu, bei ihrem Vater um ihre Hand anzuhalten.
Hodel (Marianne Lisa Herzig) wird von Perchik (Stefan Bleiberschnig) immer mehr ermutigt, aufgeschlossen gegenüber den neuen Dingen zu sein, die Traditionen nicht als gegeben hinzunehmen und sich selbst darüber Gedanken zu machen. Beide harmonieren ganz wunderbar als Paar auf der Bühne.
Valerie Luksch ist die dritte Tochter. Sie ist ein wahrer Sonnenschein und trifft es am schwersten. Sie wird von ihrem Vater verstoßen, als sie sich für ihre große Liebe entscheidet. Man spürt ihren Schmerz und fühlt mit ihr mit. Das Publikum vermag sie tief zu berühren.
Eine herrlich erfrischende Heiratsvermittlerin ist Shlomit Butbul. Sie ist geschwätzig, gewieft, immer über alles informiert und mit einem besonderen Charme ausgezeichnet. Shlomit Butbul strahlt eine offene, herzliche, überaus positive Wärme aus.
Oma Zeitler wird wunderbar schräg von Tanja Gilden verkörpert.
Volker Wahl und Michaela Ramoni schafften ein altes Werk erfrischend lebendig zu inszenieren. Die Musik von Jerry Bock ist gefällig. Das karussellartige Bühnenbild symbolisiert die Einfachheit und Schlichtheit der Familie. Durch durch ihre Werte führen sie dennoch ein glückliches und zufriedenes Leben. Die Darsteller*innen sind in die typisch jüdischen Gewänder gehüllt.
ANATEVKA am Stadttheater Baden ist eine gelungene Inszenierung, die leider viel zu früh dem Lockdown zum Opfer gefallen ist.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★ |
09.10.2020 - Orpheum, Wien
FALCO Convention
Nur wenige Künstler sind in der Musikszene unsterblich und nach wie vor präsent. Falco gehört definitiv dazu.
Das Leben von Hans Hölzl glich einer Achterbahnfahrt. Kein österreichischer Musiker schaffte je zuvor und danach die Nummer 1 in den amerikanischen Charts zu sein. Doch seine großen Selbstzweifel konnte er nur mit Suchtmittel in den Griff bekommen. Die selbst erschaffene Kunstfigur wurde zum Fluch und Segen. Er war innerlich zerrissen, sehnend nach einem normal Leben eines Hansi und dem ausschweifenden, exzentrischen Daseins eines Falcos. So spektakulär sein Leben war, so auch sein Tod. Ein Verkehrsunfall unter Drogeneinfluss riss ihn kurz vor dem großen Comeback aus dem Leben: „Out Of the Dark” wurde zu seinem Vermächtnis. Musste er erst sterben, um zu leben?
Am 9.10. fand im Wiener Orpheum die FALCO CONVENTION statt, eine alljährliche Veranstaltung, deren Initiatoren es sich zum Ziel gemacht haben, seine Musik mit Live-Gigs am Leben zu erhalten.
Die Besetzung auf der Bühne setzte sich aus Bernhard Rabitsch (tp, voc, perc), Otmar Klein (sax) und Peter Paul Skrepek (git) von Falcos Original-Band, sowie Harry Sokal (sax), Clemens Hofer (Posaune), Rue Kostron (b), Peter Barborik (dr), Barnabas Juhasz (kb), Martin Böhm (voc) und Bella Wagner (voc) zusammen.
Die Fans durften sich auf den diesjährigen Stargast Stefan Wessel, bekannt als Hauptdarsteller des Musical FALCO, freuen.
Seine Performance und seine gesangliche Umsetzung erinnerten an den Musiker, ohne ihn jedoch zu kopieren. Da genügte eine typische Handbewegung oder ein Blick, mit kleinen Gesten ließ er den exzentrischen Künstler im Kopf der Zuschauer*innen erscheinen.
Martin Böhm und vor allem Bella Wagner begeisterten mit gänzlich eigenen Interpretationen der Songs, die interessant anmuteten.
Falco ist eben zeitlos und seine Songs elektrisieren auch heute noch das Publikum, welches textsicher nicht nur einmal lautstark mitsang. Das Orpheum bebte unter dem Jubel der Menge.
Der Abend war eine gelungene Hommage an den großen Falken.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★ |
02.10.2020 - Kammerspiele, Innsbruck
QUARANTÄNE - Die Revue
in den Kammerspielen Innsbruck
Das Jahr 2020 ist ein ganz besonderes und die Theaterwelt hat sich komplett verändert. Dies hat Mareike Zimmermann bewogen, zur Corona-Krise eine passende, musikalische Schauspiel-Revue zu schreiben. Hansjörg Sofka hat das musikalische Material passend dazu aufbereitet und sitzt zudem selbst als betroffener Pianist inmitten des Schauspielensembles.
Einlass wird, wie in allen Theatern, nur mit Mund- und Nasenschutz bzw. Gesichtsvisier gewährt. Auf den Plätzen muss aus Vorsichtsmaßnahme immer ein Sitzplatz leer bleiben. Die Premiere war ausverkauft, sofern man die freien Plätze dazwischen nicht mitgezählt hat.
Das Tiroler Landestheater ist wegen einer weltweiten Pandemie nicht in Betrieb, alle MitarbeiterIinnen sind zu Hause. Fast alle. Denn bei einer besonders feuchtfröhlichen Premierenfeier am Abend vor dem überraschenden Lockdown haben fünf Mitglieder des Schauspiel-Ensembles so ausgiebig gefeiert, dass sie am nächsten Morgen im Theater aufgewacht sind und in Quarantäne bleiben müssen - für 42 Tage.
Nun ist Tag 29 angebrochen, die verschlissenen Cocktailkleider und Smokings kombiniert man jetzt schon mal mit bequemeren Jogginghosen.
Die Figuren haben keine richtigen Rollennamen. So waren Frau P. (Petra Alexandra Pippan), Frau W. (Janine Wegener), Herr B. (Phillip Henry Brehl), Herr R. (Stefan Riedl), Herr N. (Kristoffer Nowak), Frau N. (Sara Nunius) und Herr S. (Hansjörg Sofka) auf der verwaisten Bühne zum Nichtstun verdammt. Doch ihre Liebe zum Theater und Lebenslust haben sie nicht verloren - und das Ende der Quarantäne ist absehbar. Die letzten Tage versucht man sich also unter anderem mit Essen und Trinken die Stimmung erhalten, was man bei einem der Schauspieler sehr gut an seinem (falschen) Bauch ablesen kann. Auch die Verzweiflung und Langeweile bei der Theater-Diva ist unübersehbar, denn dank einer Handy App ist sie in der Lage sich quasi selbst zu applaudieren. Wieder ein anderer treibt Sport und motiviert die KollegInnen zu den Klängen von „Stayinˋ Alive” mitzumachen.
Als eine weitere Schauspielerin auftaucht, wird das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppe gehörig durcheinandergewirbelt.
Aber man hält sich in Innenräumen nicht an die Corona-Bestimmungen. Da wird geknuddelt, umarmt und auch sonst kein Kontakt gescheut. Die logische Konsequenz: Die Quarantäne muss um zwei Wochen verlängert werden.
Lagerkoller, Frustration und Rivalitäten wechseln sich ab mit Solidarität, Zuneigung und Euphorie.
Mareike Zimmermann hat den ersten großen Lockdown zum Anlass genommen eine satirische Geschichte zu schreiben und darin die unterschiedlichsten KünstlerInnen- Typen auftreten zu lassen. Jede und jeder versucht auf ihre/seine eigene Art und Weise mit der schwierigen Situation umzugehen. Auf Social Media konnte man dies sehr gut im Frühjahr mitverfolgen. Also auch, wenn das Stück vordergründig eine Satire ist, gewisse biografische Züge zu real lebenden Personen sind erkennbar.
QUARANTÄNE - Die Revue bedient sich an Cover Songs aus Schlager bis Pop, von den Spice Girls bis zu Freddie Mercury was dem Stück doch etwas Schwung gibt. Dies verhinderte, dass das Publikum, wie die Darsteller in ihrer Quarantäne in Langeweile verfiel. Für das durchaus auch ältere Publikum sind Stücke dabei, wie „Für mich soll es rote Rosen regnen” (Hildegard Knef), „Ich bin nur gut, wenn keiner guckt” von Max Raabe oder „Schifoan” (Wolfgang Ambros).
Der eine oder andere Durchhänger ist vielleicht dabei, doch mit dem Erscheinen des unbedarften weiblichen Eindringlings kommt wieder Schwung in die Geschichte. Mit ihrem atemberaubenden ersten Auftritt mit „Don’t stop me now“ (wird zu „Please touch me now“) wird die zweite Hälfte des Stückes witziger und schwungvoller gemacht.
So schnell wie die Quarantäne begonnen hat, ist sie auch wieder vorbei, mit einem Ende das eigentlich gar kein Ende ist. Es bleiben einfach viel zu viele Fragen offen, wie es weiter gehen könnte. So entsteht das Gefühl eines regelrechten Cliffhangers. Aber da sich gerade die zweite Corona-Welle über die Erde ausbreitet, wird es vielleicht 2021 oder 2022 eine Fortsetzung geben.
Im Großen und Ganzen war es ein durchaus amüsanter Abend, der für einige Zeit die aktuelle angespannte Situation von Covid-19 etwas vergessen ließ, und einem ein Gefühl von Normalität gab.
4 von 6 Sternen: ★★★★
Kritik: Jacqueline Cerny; Fotos: Birgit Gufler
01.10.2020 - Metropol, Wien
Viel bejubelte Wiederaufnahme des 70er Jahre Musicals
ROCK MY SOUL
im Wiener Metropol
Aufgrund der strengen Corona-Sicherheitsauflagen stellen Wiederaufnahmen von (Musik-)Theater Produktionen die Direktoren und Intendanten vor große logistische Herausforderungen. Als BesucherIn ist man dann stets dankbar, wenn es doch gelingt.
Das Wiener Metropol konnte die Vorlagen des Gesundheitsministeriums weitgehendst umzusetzen und so seine erfolgreiche Eigenproduktion ROCK MY SOUL in eine zweite Spielserie zu führen. Start war am 1. Oktober unten den Argusaugen einiger Journalistinnen und Journalisten. Auch zahlreiche KünstlerInnen sowie Leute aus der Schickimicki-Gesellschaft ließen es sich nicht nehmen vom Seitenblicke-Team des ORF ins rechte Licht gerückt zu werden. Doch auf der Bühne waren Andy Lee Lang, Stella Jones, Vincent Bueno, Conny Mooswalder, Reinwald Kranner, Valentin Frantsits und Stefan Altenhofer die Stars.
Die Story um die international-österreichische Musikgruppe mit Wien als Ausgangspunkt ist schnell erzählt:
Andy schwimmt als Besitzer eines kleinen Tonstudios in Wien nicht gerade auf der Erfolgswelle, hat aber große Pläne. Der Plattenboss sitzt ihm im Nacken, soll er doch endlich Hits liefern. Da schleppt eines Tages seine Freundin Conny den begabten doch ständig bekifften Straßenmusiker Reini an. Gemeinsam casten sie zwei weitere Sänger*innen. Als Gruppe sind sie bald im gesamten deutschsprachigen Raum bekannt. Doch der Führungsstil Andys stößt immer mehr auf Wiederstand, denn alle müssen nach seiner Pfeife tanzen. Eine Auflösung der Band scheint unausweichlich.
Andy Lee Lang gibt den ehrgeizigen Studioboss, der zwar immer einen trockenen Schmäh auf Lager hat, aber seiner Truppe kaum Freiraum für eigene Ideen gibt. Tief und tragend auch die Stimme des Rock n Roll-Urgesteins. Auch mit seinen schauspielerischen Qualitäten kann er überzeugen.
Seine hübsche, wenngleich durch das ständige Kiffen leicht benebelte Freundin Conny ist durch und durch Steirerin und versucht stets mit viel Good Vibrations ihren Freund und die gesamte Truppe bei Laune zu halten. Großartig in dieser Rolle Conny Mooswalder mit steirischem Dialekt und augenzwinkerndem Humor.
Reinwald Kranner überrascht mit wallender Mähne als Vollblutrocker und ebensolcher Stimme. Da seine Rolle fast ständig zugedröhnt sein muss, wirkt sein übertriebenes Spiel nach einiger Zeit ermüdend auf die Zuschauer*innen. Dennoch ist es überaus erfrischend Reinwald Kranner in dieser Show zu erleben - vor allem auch wegen seiner vollen Lockenmähne a la Brian May.
Die oberösterreichische farbige Sängerin Stella (Stella Jones) und ihr Ex-Freund Vincent (Vincent Bueno), werden mangels Anmeldungen bei der Audition, in die Gruppe aufgenommen. Stella Jones verstärkt diese mit ihrer leicht verruchten Soul-Stimme, während Vincent Bueno primär seinen Charme einbringen kann. Natürlich dürfen ironische Seitenhiebe zu seiner bevorstehenden Song Contest Teilnahme nicht fehlen.
Stefan Altenhofer darf gleich, zur Erheiterung des Publikums, in mehrere Rollen schlüpfen. Als Exekutor und Fan der Gruppe ist er zwischen Pflicht und Leidenschaft für die MusikerInnen hin und hergerissen, als Mutter vom Tonstudio-Matador Andy darf er/sie den Sohn drangsalieren, als Lakai des Plattenbosses kümmert er sich darum, dass der bezahlte Vorschuss auch in die Produktion von Hits gesteckt wird und zu guter Letzt darf er als ZDF Moderator noch die erfolgreiche Rock-Gruppe interviewen. Eine umfangreiche Aufgabe, welcher Altenhofer absolut gerecht wurde.
Unter der Regie von Andy Hallwaxx entstand eine Persiflage aber auch Hommage an das Musik- und Showbusiness der "Swinging 70ies", wo noch alles erlaubt zu sein schien und "Sex, Drugs und Rock'n'Roll einhergingen. Allerdings geht einem das ständige Gekiffe nach einer Weile auf die Nerven. Conny und Reini wurden damit fast schon auf zwei abhängige Junkies reduziert.
Die für dieses Stück verwendeten Rock-Songs aus den 1970er-Jahren sind schwungvoll und verleiten zum Mitklatschen. Die ursprünglichen Texte wurden teilweise umgeschrieben und vorwiegend in Deutsch interpretiert.
Für die vierköpfige Live-Band wurde links auf der Bühne eine Nische eingerichtet. Sie gehörten damit quasi zum Equipment des Soundstudios.
Das Bühnenbild von Ilona Glöckel besteht primär aus einem kleinen Tonkämmerchen, in dem Valentin Frantsits als Tontechniker und Freund von Andy die Songs abmischt, sowie einem Klavier und einer Couch. Einzelne Teile, wie Paravents, werden immer mal wieder eingeschoben. Die Kostüme bestehen aus Glockenhosen, Miniröcken und auch die Herren konnten in den 1970ern Stöckelschuhe tragen ohne aufzufallen.
Mit dieser Eigenproduktion liefert das Metropol eine schwungvolle Musical-Revue ab, welche vielleicht nicht mit tiefgründigen Texten aber durchaus etlichen treffsicheren Pointen und hervorragend agierendem Ensemble punkten kann.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Wolfgang Springer
24.09.2020 - Ronacher, Wien
CATS
Umjubelte Wiederaufnahme
Als eine der ersten Long-Run Musical-Produktionen weltweit fand am 24. September die viel umjubelte Wiederaufnahme von CATS im Wiener Ronacher statt. Bereits im Juli setzten Intendant Christian Struppeck und sein Team mit zwei Probedurchläufen vor ausgewähltem Publikum ein wichtiges Lebenszeichen der VBW-Musicalsparte. Nun wurde der Spielbetrieb unter einem strengen COVID-19 Präventionskonzept wiederaufgenommen.
Neben den Premierengästen (u.a. Maya Hakvoort, Martin Oberhauser, Peter Hofbauer, Vera Russwurm, Steffen Hofmann) freute sich auch VBW-Musical-Intendant Christian Struppeck, dass es endlich wieder losging: „Nach langer Spielpause feierte CATS endlich seine große Wiederaufnahme-Premiere. Die Situation in den letzten Monaten war oft schwierig, dennoch haben wir stets nach vorne geblickt. Nun eröffnen wir als eines der ersten Musicalhäuser weltweit die von uns allen so sehnsüchtig erwartete neue Musical-Saison. Mit unserem umfassenden Präventionskonzept sind wir zudem bestens auf den Spielbetrieb vorbereitet, um unserem Publikum ein sicheres und gleichzeitig entspanntes Theatererlebnis zu bieten.“
Wie bereits die Volksoper verfügen auch die Vereinigten Bühnen Wien über ein farblich markiertes Leitsystem die Publikumsströme leitet, um Menschenansammlungen zu vermeiden. Die Personalien werden beim Türeingang jedoch (noch) nicht kontrolliert. Der Mund-Nasenschutz ist im gesamten Theater zu tragen und darf erst unmittelbar vor Beginn der Vorstellung abgenommen werden. Die BilleteurInnen achten hier sehr genau auf die Umsetzung. Durch eine neue Sitzordnung wird der erforderliche Mindestabstand unter den ZuschauerInnen auch im Saal eingehalten. Im ganzen Haus gibt es zahlreiche zusätzliche Hygienespender, zudem wird die gesamte Raumluft durch eine über die gesetzlichen Standards hinausgehende leistungsstarke Frischluftanlage und entsprechende Filter kontinuierlich gereinigt und erneuert. In der verlängerten 30-minütigen Pause werden alle Türen zur Straße hin weit geöffnet. Inwieweit dies in den Wintermonaten durchführbar sein wird, wird sich zeigen.
Auch die Inszenierung des Stücks ist von den Präventionen betroffen. Zum Schutz der DarstellerInnen und des Publikums ist jeglicher Kontakt untersagt. Das Herumtreiben der Katzen im Zuschauerraum, was gerade für Kinder etwas Besonderes war, wurde gestrichen. Auch der pompös inszenierte Einzug des Altdeuteronimus wurde Opfer des Virus. Der Auftritt von der Seite nimmt der Szene jegliche Erhabenheit. Da gibt es sicherlich kreativere Lösungen, so wie es auch beim Abgang Grizabellas in den Katzenhimmel gelungen ist, ein angenehmes Kribbeln bei den Anwesenden zu erzeugen. Aber man hat sich bemüht das Beste aus der schwierigen Situation zu machen. Die Abstriche nimmt man gerne in Kauf, in Anbetracht der Alternative keine Vorstellung von CATS mehr erleben zu können.
Das Publikum hatte sich sichtlich auf die Wideraufnahme gefreut. Schon als das Licht im Saal ausging und nicht einmal noch der erste Ton gespielt wurde, gab es minutenlangen Applaus.
Star des Abends war Carin Filipčić als Grizabella. Ihre darstellerische und gesangliche Darbietung berührte zu tiefst. Obwohl durch das Leben körperlich und seelisch sichtlich gezeichnet und von den anderen Katzen gemobbt, hat die einstige Glamourkatze ihren Stolz nicht verloren. Auch wenn die Hülle alt und schäbig ist, strahlt sie immer noch eine gewisse Erhabenheit aus.
Schon in ihrem ersten Auftritt im ersten Akt, in dem Grizabella von allen gemieden und schikaniert wird, zeigte Filipčić, dass ihre Figur keine weinerliche oder verrotzte (Jennifer Hudson in der Verfilmung von 2019) Straßenkatze ist, sondern standhaft, wie eine Diva und immer noch erkennbare Grazie willensstark ihrem Alter trotzt. Nur durch kleine Nuancen verschmolzen Verzweiflung und aufkeimende Hoffnung in einem herzergreifenden Spiel.
„Erinnerung" wurde zum Höhepunkt des Abends. Mit ihrer warmherzigen und herzzerreißenden Interpretation eroberte sie die Herzen der ZuschauerInnen und bekam zurecht minutenlangen Zwischenapplaus.
Ein weiteres Highlight war Felix Martin als Theaterkater Gus und Bustopher Jones. Gerade als Pirat Growltiger kam seine kräftige Stimme eindrucksvoll zur Geltung.
Charmant und frisch wirkte Gerben Grimmius als Skimbleshanks. Sein Song hat Ohrwurmqualität und verleitet zum Mitklatschen.
Dank Bühnentechnik bereitete auch noch Stephen Martin Allan als Mister Mistoffelees dem Publikum wirklich magische Momente.
Die Wiederaufnahme wurde durch die imposante orchestrale Umsetzung unter der Leitung von Carsten Papp und dem spielfreudigen Ensemble zurecht mit stehenden Ovationen bejubelt.
Obwohl CATS inhaltlich nicht gerade tiefgründig ist, verfügt es über seinen eigenen Charme, der gerade im Ronacher bei dieser Produktion voll zum Tragen kommt.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Michaela Springer; alle Szenenfotos © Deen van Meer
18.09.2020 - Bühne am Kai, Wien
René Rumpold singt Popdiven
Besonders hart trifft die momentane Situation vor allem die kleinen privaten Theater. Die Auflagen und die daraus folgenden Einschränkungen werden zum Überlebenskampf. Es wäre leichter aufzugeben, doch die Direktorinnen und Direktoren kämpfen mit großer Liebe für ihre Theater. Solch eine Direktorin ist Sissy Boran. Unermüdlich im Einsatz und mit großer Kreativität in der Corona-Sicherheitsmaßnahmen standen zu Saisonbeginn erstmal eine Reihe von Benefizveranstaltungen für die Bühne am Kai auf dem Spielplan.
Am 18.9 trat schließlich René Rumpold mit seinem Programm „René singt Popdiven“ auf.
Barbara Rektenwald sorgte für die musikalische Begleitung am Klavier. Johannes Terne führte durch das Programm.
René Rumpold: Sänger, Schauspieler und Popdiva. Ob Piaf, Dietrich, Leander, Dion, Knef, Page oder Houston, René Rumpold interpretierte sie auf seine eigene Art und Weise. Besonders ergreifend war er als Edith Piaf zu erleben.
Zu jedem Star hatte Johannes Terne biografisches zu erzählen, und hielt auch die eine oder andere (amüsante) Anekdote parat. So gab es für die ZuschauerInnen nicht nur etwas feines für die Ohren, sondern auch etwas informatives für den Geist. Die Auswahl der Songs bestand aus Raritäten und Klassikern, welche viele schon mitsingen hätten können. Es war ein bunter Mix aus jahrzehnteübergreifenden Liedern einiger der größten Diven der Musikgeschichte, von René Rumpold berührend, erfrischend und mit viel Leidenschaft in Stimme und Mimik vorgetragen.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★ |
18.09.2020 - Musiktheater, Linz
PIAF - Das Musical
Premiere am Linzer Musiktheater
Edith Piaf war eine Naturgewalt von zierlichen 1,47 m, stets schwarz gekleidet und mit verruchter Stimme. Kompromisslos waren ihre emotionalen Auftritte, in denen sie sich völlig verausgabte. Sie lebte in vollen Zügen und hatte zahlreiche Liebhaber.
Ihr Aufstieg aus der Armut bis zur Diva, ihr exzessiver Lebensstil bis zum tragischen und viel zu frühen Tod, das macht den Mythos Piaf aus. Ihr Biograf Bellert bezeichnete sie als weiblichen Don Juan und schreibt: „Sie brach alle Rekorde der Verführung, der Leidenschaft, des Leidens, der Verrücktheit, der Provokationen und der Ausschweifungen“. Nach Zusammenbrüchen, Entziehungskuren und Krankenhausaufenthalten verstarb sie Morphiumabhängig mit nur 47 Jahren an den Folgen einer Leberzirrhose.
Die britische Autorin Pam Gems nahm sich der Ikone an und schrieb 1978 für die Royal Shakespeare Company das biografische Musical PIAF, das rasch die Bühnen der Welt erobern sollte. 2008 überarbeitet die Autorin das Stück. Die deutsche Version feierte nun am 18. September seine Linzer Erstaufführung.
Die Inszenierung stammt vom Musicalchef des Musiktheaters, Matthias Davids. Das Bühnenbild kreierte Matthias Fischer Dieskau. Besonders zu erwähnen ist das Video, welches senkrecht durch einen im schräg stehenden Spiegel auf dem Boden projiziert wird.
Die Kostüme, die dieser Zeit und jeweiligen Gesellschaftsschicht angepasst sind, entwarf Judith Peter. Das ausgefeilte Lichtdesign, welches bei dieser Inszenierung stets Edith Piaf im Fokus hat, stammt von Michael Grundner.
Publikumsliebling Daniela Dett spielt nicht Edith Piaf, sie ist Edith Piaf. Mit einer großartigen schauspielerischen und gesanglichen Leistung nimmt sie die ZuschauerInnen mit auf eine Achterbahn der Gefühle. Sie ist vulgär, exzentrisch, Männer verschlingend und doch im Innersten zutiefst einsam. Diese vielen Facetten vermag Daniela Dett mit sehr viel Fingerspitzengefühl zu interpretieren. Mal sind es nur Nuancen, mal stürmisch, der Wechsel gelingt ihr fließend und sie bewirkt Großes damit. Das Stück ist gespickt mit Piafs größten Chansons, die Dett mit einer solchen Leidenschaft interpretiert, dass die ZuschauerInnen zutiefst berührt werden.
Emotionaler Höhepunkt ist, als sie vom Tod ihres geliebten Boxers Marcel Cerdan erfährt. Sein Tod brach ihr das Herz, war sie doch indirekt daran beteiligt, da sie ihn anbettelte, einen früheren Flug zu nehmen. Der Flieger sollte nie am Zielort ankommen. Diese Tragödie war der Anfang vom Ende der Sängerin. Den zunehmenden Verfall bis hin zu ihrem leisen Tod setzt Dett beeindruckend um.
Nina Weiß, als ihre lebenslange Freundin Toine, entwickelt sich vom koketten Freudenmädchen zur biederen Hausfrau. Nina Weiß setzt diese Wandlung glaubwürdig um.
Auch wenn die beiden die Umstände und die Zeit trennen, bleiben sie stets innerlich verbunden.
In unterschiedlichen kleinen Rollen beeindrucken besonders Gernot Romic und David Arnsberger.
Das Ensemble ist bis auf die kleinste Rolle ideal besetzt. Deren Leistung gerät aber durch die grandiose Leistung von Daniela Dett in den Hintergrund. Der ganze Fokus gehört ihr, die zierlich, fast zerbrechlich, wirkt, aber mit umso kräftigerer Stimme und Ausstrahlung die Bühne beherrscht und PIAF - Das Musical zu IHRER Show macht.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★ Kritik: Michaela Springer; |
13.09.2020 - Volksoper, Wien
SWEET CHARITY
Premiere an der Volksoper Wien
Am 13.September startete die Wiener Volksoper mit ihrer ersten neuen Musical-Produktion in die Saison 2020/21. Man hatte sich für Bob Fosses (Idee) und Cy Colemans (Komponist) SWEET CHARITY entschieden, welches auf dem Buch von Neil Simon und Frederico Fellinis Film „Die Nächte der Cabiria“ basiert. Das Musical feierte 1966 seine Welturaufführung
Die Story:
Erzählt wird die Geschichte des Bar- und Escort Mädchens Charity Hope Valentine. Sie hat schon viele Enttäuschungen erlebt, ist jedoch eine unbeirrbare Optimistin. Gerade in der Liebe ist ihr das Glück nicht hold. Von den Männern wird sie stets nur ausgenutzt. Aber aufgeben ist keine Option für sie. Sie lebt nach dem Motto: „Am Ende wird alles gut, und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.“
Die Erwartungen an ein Broadwaymusical der 1960iger Jahre mit großen Revuenummern, Pom Poms, Glanz und Flitter wurden vollends erfüllt. Bunte Leuchtbuchstaben wechseln mit tristen Bühnenbildformationen als Spiegel von Charitys Leben zwischen Optimismus und der kalten Wirklichkeit eines Escort Mädchens. Die Kostüme von Tanja Liebermann sind von den 1960er-Jahren inspiriert, bunt und sexy, stehen jedoch im krassen Gegensatz zum biederen und farblosen Anzug- oder Cordhose tragenden Oscar Lindquist, dem Freund von Charity.
Lisa Habermann als rothaariger Lockenkopf wirbelt regelrecht durch das Stück. Mit ihrer positiven Ausstrahlung und wunderbaren Stimme spielt und singt sie sich in die Herzen der ZuschauerInnen. Dies beginnt schon beim im Intro gezeigten slapstickartigen Film, der sie mit fremden Männern durch Wien ziehend zeigt und endet berührend mit der Einspielung eines in ihren Gefühlen ertrinkenden Mädchens.
Peter Lesiak glänzt als biederer, verklemmter sowie klaustrophobischer Oscar Lindquist. Durch seine gesetzte Art vermittelt er die Sicherheit und Konstante, nach der sich Charity immer schon gesehnt hat. An dieser scheitert jedoch auch ihre Beziehung. Obwohl sie ihren Beruf kündigt, kämpft er mit seinen Gefühlen und kann nicht darüber hinwegsehen, dass sie als Escort-Mädchen tätig war. Seine Verklemmtheit steht einer glücklichen Langzeitbeziehung im Weg.
Ein Höhepunkt des Abends ist Drew Sarich als viel Haut zeigender und extrovertierter Sekten-Guru Daddy Brubeck. Seine Darstellung erinnert an Frank N Furter, sexy und lasziv. Seine markante Stimme macht den Song „Rhythm of Life“ zu einem besonderen Erlebnis.
Ebenso grandios Axel Herrig. Er verkörpert Vittorio Vidal, einen italienischen Filmschauspieler der 1960er Jahre per exzellente - extravagant, herausfordern und charmant im Stil von Cary Grant.
Auch die anderen Rollen des Ensembles sind passend besetzt. Jakob Semotan kann dabei immer wieder positiv in Erscheinung treten.
Zu den Showstoppern gehören die großen Tanznummern, welche von Damian Czarnecki schwungvoll choreographiert wurden. Die Szene, in der alle TänzerInnen zu einer riesigen Discokugel verschmelzen, ist ein absoluter Höhepunkt der Show. „Big Spender", der Song der Bar-Girls, bleibt jedoch weniger in Erinnerung.
Die Musiker des Volksopern Orchesters unter der Leitung von Lorenz C. Aichner spielen groß auf und verschmelzen zu einem fantastischen Klangkörper.
Die Inszenierung von Johannes von Matuschka und darstellerischen Leistungen der Erstaufführung von Colemans Musical an der Wiener Volksoper sind großartig und auf hohem Niveau. Leider gibt das Stück inhaltlich nicht viel her.
Der Premierenapplaus war bescheiden aber wohlwollend. Man wird sehen, ob das Publikum SWEET CHARITY annehmen wird.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer;
Fotos: Barbara Pálffy/ Volksoper Wien
11.09.2020 - Theater im Park, Wien
4 VOICES OF MUSICAL
mit Maya Hakvoort, Missy May, André Bauer und Lukas Perman
Wenn man dem COVID Virus etwas Positives abgewinnen möchte, dann, aus der Not eine Tugend zu schaffen. Michael Niavaranis Konzept des Theater im Park hat diesen Sommer vielen KünstlerInnen die Möglichkeit gegeben, sich öffentlich und vor allem auch zahlendem Publikum zu präsentieren. Und das in einem stimmungsvollen Ambiente inmitten der Stadt.
So durften sich Musicalfans am 11. September auf die aktuelle 4 Voices of Musical Konstellation Maya Hakvoort, Missy May, André Bauer und Lukas Perman freuen.
Das Programm war vielseitig und hat ein breites Publikum angesprochen.
Neben altbekannten Klassikern aus „West Side Story", „Chicago", „Hair", „Der Zauberer von Oz", „Funny Girl" oder „La Cage aux folles" hatten die vier auch eine bunte Mischung mittelalterlicher Hits aus „Wicked“, „Aida“, „Ich war noch niemals in New York“, „Les Misérables“, „Cats“, „Bodyguard“, „Der König der Löwen" „Jekyll & Hyde" oder auch neues, wie „I am from Austria“ im Gepäck. Natürlich durften auch zwei Songs aus „Elisabeth" nicht fehlen.
So gab es Heiteres, Stimmungsvolles, Nachdenkliches und neu Arrangiertes.
„Memory" als verjazztes Duett hatte man auf diese Weise noch nicht gehört - und muss man auch kein zweites Mal. Doch nicht wegen der gesanglichen Darbietungen von Maya Hakvoort und Missy May, sondern aufgrund der musikalischen Aufbereitung.
Gänsehaut verursachte Maya Hakvoort mit „Ich gehör' nur mir". Ihre Interpretation war großartig und der Schlusston kraftvoll.
Andre Bauer glänzte mit „Stern", berührte mit „I Am What I Am" und mit Maya Hakvoort bei „Boote in der Nacht".
Missy May, in anderen Umständen, war das Energiebündel der Truppe und in großer Plauderlaune. Am liebsten hätte sie die Bühne gar nicht mehr verlassen. Gesanglich wurde das Duett „I Still Believe" („Ich glaub' an dich") aus „Miss Saigon" zu ihrem persönlichen Highlight. Sie harmonierte hervorragend mit Maya Hakvoort.
Lukas Perman eroberte mit den Fendrich Songs „Weus'd a Herz hast wia a Bergwerk" und „I Am From Austria" die Herzen der ZuschauerInnen. Besonders stimmungsvoll wurde es bei „I am from Austria". Im Publikum gingen spontan die Handy Taschenlampen an und wurden geschwenkt. Bei manchen wurde auch das Display zur Verstärkung angelassen. So manche Textnachricht vom Vordermann bzw. von der Vorderfrau konnte dadurch unbewusst mitgelesen werden.
Musikalisch unterstützt wurden die 4 Voices, von zwei der sechsköpfigen Voices of Musical Band unter der Leitung von Rens Newland, die beiden Musiker reichten bei den meisten Songs auch aus. Doch mehr Orchester ließ die kleine Bühne nicht zu.
Auch bei dieser Veranstaltung spürt man die gegenseitige Dankbarkeit. Die DarstellerInnen waren über diese Location und Möglichkeit eines Auftrittes glücklich und das Publikum genoss es, wieder Musical erleben zu können, auch wenn es durch diverse COVID Maßnahmen anders als üblich ablief. Aber zurzeit muss man für jede Kulturveranstaltung dankbar sein und hoffen, dass der Herbst und Winter der Theaterbranche nicht erneut einen Einbruch bescheren. Daher auch von uns die unbedingte Empfehlung: Haltet euch an die von unserer Regierung beschlossenen Maßnahmen.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
09.09.2020 - Metropol, Wien
Österreich Premiere
Thomas Borchert in
NOVECENTO - Die Legende vom Ozeanpianisten
Allroundkünstler Thomas Borchert stand am 9. September nicht als Musicaldarsteller auf der Bühne des Metropol, sondern als Schauspieler, Erzähler und Pianist. Er hatte sich den in Prosa gehaltenen Monolog "NOVECENTO - Die Legende vom Ozeanpianisten" des italienischen Schriftstellers Alessandro Baricco vorgenommen und eigene Klavierstücke dazu komponiert.
Bereits 1994 wurde das Schauspiel uraufgeführt, für die Neuinszenierung stand Borchert Martin Maria Blau als Regisseur zur Seite.
Die fiktive Geschichte über den außerordentlichen Pianisten namens Novecento am Anfang des 19. Jahrhunderts gehört zu den erfolgreichsten postmodernen italienischen Theaterstücken. Thomas Borchert brillierte in der Rolle des Erzählers. Er vermochte die Anwesenden mit seiner lebhaften und inspirierenden Interpretation in die Mikrowelt von Novecento mitzunehmen.
Die Story:
Danny Boodman entdeckt im Ballsaal des Ozeandampfers „Virginian" eine Zitronenkiste mit einem Säugling. Noch ahnt keiner, welch Schicksal dieses Findelkind haben wird, dem man den Namen seines Geburtsjahres gibt: Novecento, 1900. Boodman nimmt sich seiner an, doch als der Matrose stirbt, beschließt der Kapitän, den Jungen an Land zu schicken. Kaum im Hafen angelangt, ist Novecento jedoch verschwunden – und taucht erst wieder auf, als das Schiff bereits auf hoher See ist, klavierspielend, wie man nie zuvor jemanden spielen gehört hat.
Von da an spielt der hochbegabte Musiker in der ersten Klasse widerwillig nach Noten, aber nachts, in der dritten Klasse, erklingt seine eigene Musik, die alle verzaubert.
Ohne je einen Fuß aufs Festland gesetzt zu haben, da er voll Angst vor dem Unbekannten und der Unendlichkeit ist, übt dieses dennoch eine magische Anziehungskraft auf ihn aus. Er kennt sämtliche Orte und Plätze durch die Erzählungen der Passagiere und saugt diese regelrecht in sich auf. Aber sein eigenes Ich hemmt ihn, dies real zu erleben. Nur während er Klavier spielt, träumt er sich wie in Trance an die magischsten Orte.
So bleibt nicht aus, dass sein Ruhm irgendwann ans Festland gelangt, wo der selbsternannte „Erfinder des Jazz" aufhorcht und Novecento auf dem Schiff zum Klavierwettstreit herausfordert.
Novecento ist ein faszinierender Charakter, der sein ganzes Leben auf dem Schiff verbringt, für die Armen und Reichen spielt, und virtuos diesen Wettkampf bestreitet.
Eine tragische Wende nimmt sein Schicksal, als die „Virginian" im Krieg eingesetzt wird und danach im Meer versenkt werden soll. Selbstbestimmt beschließt er mit SEINEM Schiff aus dem Leben zu scheiden.
Thomas Borchert beweist einmal mehr, dass er nicht nur ein hervorragender Sänger und Schauspieler ist, sondern auch ein grandioser Musiker. Durch seine Kompositionen und deren Interpretationen wirkte die Erzählung noch lebhafter und realer. Man tauchte förmlich in die Gefühlswelt Novecentos ein, fühlte seine Leidenschaft, Sehnsüchte und Ängste. Die Musik ist der Zeit angelehnt und doch anmutend anders, was dem Charakter der Hauptfigur entspricht. Thomas Borchert, selbst ein begnadeter Pianist, verzauberte mit einer unbeschreiblichen Leichtigkeit, wenn er seine Finger über die achtundachtzig Tasten gleiten ließ.
Wer an diesem Abend nicht im Metropol dabei war, hat definitiv etwas versäumt. Thomas Borcherts Kreativität, Vielseitigkeit und Können sind Gaben, welche nur wenige MusicaldarstellerInnen in sich vereinen können.
6 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Wolfgang Springer
06.09.2020 - Theater am Spittelberg, Wien
MUSICAL MEN
Hinter diesem Namen verbergen sich Christoph Apfelbeck und Charles Kreische, zwei Stimmen, die nicht nur gemeinsam hervorragend harmonieren, sondern auch Entertainerqualitäten besitzen. Besonders der Gastgeber Christoph Apfelbeck führte charmant durchs Programm.
15 Musicals in 90 Minuten, Klassiker und Gustostückerl, Heiteres und Nachdenkliches, von „Tanz der Vampire", über „Elisabeth", „3 Musktiere" bis hin zu „Hamilton" waren in Themenblöcken zusammen gefasst.
Und wie im richtigen Leben geht es ohne Frauen eben nicht. Auch wenn beide „Ich gehör' nur mir“ und „Frozen" bravourös meisterten, unterstützte Anja Backus die Männer stimmgewaltig - eine Powerfrau, die eine Bereicherung des Abends war.
Ein Highlight war sicherlich das Männerduett „Wenn Liebe in dir ist“. Das Publikum wählte drei Emotionen aus. Mit diesen musste das Lied weiter vortragen werden. Darunter war auch eine Interpretation von „Germany´s Next Topmodel“. Eine Zeile aus Reinhard Fendrichs Lied „Macho Macho" trifft es dabei auf den Punkt. Apfelbeck „... hat einen Hüft Schwung wie Apollo. In seinen Hüften schwingt Elan". So manches Topmodell würde ihn um seine Grazie beneiden.
Außergewöhnlich war der Disneyblock. „Der Glöckner von Notre Dame", „Hercules" und „Pocahontas" in einem eigenständigen Song ineinander verflochten. Jeder hatte seinen eigenen Part zu singen jedoch auch jeder aus einem anderen Filmmusical parallel. Dennoch harmonierte es hervorragend als Ganzes.
Im finalen Abba-Block tobte das Publikum und hielt es nicht mehr auf seinen Stühlen.
Dieses Konzert wurde mit sehr viel Enthusiasmus und Herzblut zusammengestellt, und das spürte man in jedem Augenblick des Abends.
6 von 6 Sternen: ★★★★★ |
04.09.2020 - Volksoper, Wien
KISS ME KATE
Wiederaufnahme unter strengen Sicherheitsvorkehrungen
"Premierenfieber ist ein Gefühl, halb fast wie sterben, halb doch nur Spiel...."
Besonders intensiv ist dieses Gefühl, wenn die letzte Vorstellung schon ewig lange her ist. Endlich, am 2. September, war es wieder soweit, die Wiederaufnahme der musikalischen Komödie KISS ME KATE von Cole Porter läutete die Musical-Saison an der Wiener Volksoper ein.
Bereits am zweiten Spieltag dieses speziellen Theater-Jahres verliefen die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen reibungslos ab:
Beim Erwerb der Tickets sind Namen und Email-Adresse bzw. Telefonnummer hinterlassen werden. Die Karten sind nicht übertragbar. Ein Ausweis muss beim Einlass vorgezeigt werden. Auf jedem Ticket ist zudem eine Farbe geschrieben. Anhand eines Farbleitsystem, werden die Besucherströme durch mehrere Eingänge ins Haus gelotst. Am Weg sind Desinfektionssäulen aufgebaut.
Im Saal herrscht Masken- bzw. Visierpflicht bis zum Sitzplatz. Abwechselnd gibt es Zweiersitze getrennt von einem leer bleibenden Stuhl. Billeteure passen akribisch auf die Einhaltung auf.
Während der Vorstellung wird ein Mund- und Nasenschutz empfohlen. Dieser Empfehlung wurde bei besuchter Vorstellung allerdings nur von wenigen nachgekommen.
Aus Sicherheitsgründen bleibt das Buffet in der Pause geschlossen. Für Durstige gibt es jedoch kleine Mineralwasserflaschen zur freien Entnahme.
Nicht nur beim Publikum, sondern auch bei den DarstellerInnen, war die Freude groß wieder Theaterluft schnuppern zu dürfen und so fieberte man einer Wiederaufnahme unter ganz besonderen Voraussetzungen entgegen.
Die Inszenierung von Bernd Mottl ist frisch und lebendig.
Sue Blane hat tief in den Farbtopf gegriffen und kreative und vor allem bunte Kostüme kreiert. Sie setzt auf eine strikte Trennung von aktuell modern, wenn die Schauspieler privat sind und den Gewändern aus dem aufzuführenden Shakespeare-Stück "Der widerspenstigen Zähmung".
Das Bühnenbild von Friedrich Eggert ist nicht üppig, gefällt dennoch und erfüllt zudem seinen Zweck. Auch darf es sich ruhig im Kreis drehen.
Die Choreografie von Alonso Barros ist schwungvoll und wird vom Volksopernballett elegant und voller Energie beeindruckend synchron umgesetzt.
Andreas Lichtenberger (Fred Graham/ Petruchio) und Ursula Pfitzner (Lilli Vanessi/ Kate) sind die Idealbesetzung für das leidenschaftliche Paar, erfüllt von starken Emotionen wie Liebe, Hass und Eifersucht. Beide sind überaus authentisch in ihren Rollen. Andreas Lichtenberger mit seiner markant warmherzigen Stimme vermag in den leisen Momenten besonders zu berühren.
Christian Graf und Jakob Semotan, die zwei liebenswerten Gauner mit Wiener Schmäh und Herz, avancieren spätestens bei "Schlag nach bei Shakespeare" zu den Publikums-Lieblingen.
Juliette Khalil überzeugt als naive Nachwuchsschauspielerin Lois Lane (Bianca), die den Traum ein Star zu werden, träumt und dafür ihre Liebreize bei den Männern gekonnt einsetzt.
Das Leading-Team unter der Direktion von Robert Meyer hat mit KISS ME KATE erneut bewiesen, wie man alte Stücke in die Gegenwart führt, ohne aber am Charme des Originals zu kratzen. Die Inszenierung an der Wiener Volksoper wirkt weder angestaubt noch antiquarisch, sondern frisch und modern und die Melodien sind zeitlos schön.
Robert Meyers Abgang 2022 wird ein herber Verlust für die Volksoper sein. Ihn bei der Ausschreibung bereits im Vorfeld abzulehnen, ist nicht nachvollziehbar. Unter seiner Intendanz stand stets eine ausgewogene Mischung aus klassischen Stücken und Raritäten aus Ballett, Schauspiel, Oper, Operette und Musical auf dem Programm. Mit dem Musical "Vivaldi - die fünfte Jahreszeit" hat er einen neuen Musical-Klassiker geschaffen.
Man wird sehen, wer in Zukunft das Haus führen wird. Die Fußstapfen, welche Robert Meyer hinterlässt, werden schwer zu füllen sein.
|
29.08.2020 - Theater im Park, Wien
ROBERT MEYER
Häuptling Abendwind oder das gräuliche Festmahl
Robert Meyer hatte sich für den 28. August im Theater im Park die indianische Faschingsburleske "Häuptling Abendwind oder das gräuliche Festmahl" von Johann Nestroy aus dem Jahre 1862 zum Programm gemacht und es als Ein-Mann-Show auf die Bühne gebracht.
Die Geschichte dreht sich um einen Staatsbesuch auf einer Südseeinsel voller Kannibalen und deren Vorbereitungen zum Festmahl, bei dem die adäquate Hauptspeise fehlt. Nur gut, dass ein junger Schiffbrüchiger auf der Insel strandet. Daraus ergeben sich irrwitzige Verwicklungen, eine verzwickte Liebesgeschichte und über den Haufen geworfene Familienverhältnisse.
Das Stück mit Musik von Jacques Offenbach kann durchaus als Operette oder Musical bezeichnet werden. Die Melodien sind zeitlos, schön und modern anmutend. Hinter diesem heiteren, skurrilen, ja grotesken Stück steckt aber eine messerscharfe Abrechnung Nestroys mit dem von ihm so verhassten aufkeimenden Nationalismus und Kolonialimperialismus der europäischen Großmächte. Das aufgeblasene, in sich aber leere, Gerede der Häuptlinge verstand Nestroy als Spiegel sämtlicher diplomatischer Verhandlungen der damaligen Zeit. Das Stück selbst hatte wenig Erfolg und wurde bald abgesetzt. Das damalige Publikum verstand offensichtlich nicht die Doppeldeutigkeit und scheiterte an der Satire. Nicht so gestern Abend.
Schauspieler, Regisseur, Direktor der Wiener Volksoper (nur noch bis 2022) und Träger des Nestroy Rings, Robert Meyer, brillierte in sämtlichen männlichen und weiblichen Rollen. Er gab jeder einzelnen Figur eigenständige Charakterzüge und Dialekte. Da waren etwa der Wiener Häuptling Abendwind der Sanfte, der Berliner Artur der Fremde, sowie der Bayrische Häuptling Biberhahn der Heftige, dessen Vater von der Nachbarinsel. Meyers Enthusiasmus übertrug sich auch auf das Publikum. Selbst ein gewittriger Schauer änderte an der heiteren Stimmung nichts. Die Zuschauer trotzten dem Wetter und blieben gebannt auf ihren Sesseln sitzen.
Robert Meyer ist einer der letzten großen Charakter-Schauspieler, die ohne jegliche Requisiten und Bühnentechnik das Publikum mit seiner lebhaften und ausdrucksstarken Präsenz für sich einnehmen und begeistern kann.
6 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer
21.08.2020 - Wachauerhof, Melk (NÖ)
OCULTO
Die mystische Krimi - Dinner - Show
Die Mittelalterzeit ist bekannt für seine dunkle Epoche. Es gab Kriege, schwere Krankheiten, eine Menge Ungerechtigkeit und zahleichen MORDE. Und um einen solchen Mord handelt es auch bei der neuen „OCULTO: Die mystische Krimi – Dinner – Show“.
In den zirka vier Stunden genießen die Besucher der Show nicht nur ein ausgezeichnetes und kreatives Rittermenü, sondern müssen auch ihre Spürnasen unter Beweis stellen, denn sie sollen den Mörder entlarven.
Die Premiere fand nun am 21. August im Wachauerhof Melk statt.
Dieses Theatererlebnis vergisst man nicht so schnell. Es war ein Abend, der alle Sinne ansprach. Kulinarisch wird man vom jeweiligen Standort und Saison entsprechend verwöhnt. Das Stück selbst ist unterhaltsam und spannend und fördert auch die eigenen kriminalistischen Fähigkeiten zu Tage.
OCULTO ist spannend, witzig und eine ironische Charakterstudie des Typus Schauspielers.
Die Story:
Die Show beleuchtet die Theaterwelt aus nicht nur einem Blickwinkel. Es ist ein Wechselspiel zwischen der realen Probewelt und dem Stück „Maleficae“. Es zeigt, wie schwierig es oftmals sein kann im Team zu arbeiten, vor allem, wenn verschiedene Charaktere, speziell Alpha-Menschen, aufeinander treffen. Die Zusammenarbeit wird zum Spießrutenlauf. So ist es nicht verwunderlich, dass ein Mord geschieht. Doch wer ist der Mörder?
Das Stück switched zwischen der realen Probenwelt und dem aufzuführenden Stück „Maleficae“.
René Rumpold brilliert in seiner Rolle und spielt die Diva par eccellence, mal zynisch, mal als Dramaqueen. Mit zelebrierten Auftritten setzt er ein Statement, wer der Star ist, bzw. glaubt er, einer zu sein. Herrlich diesem Spiel zuzusehen.
Den ruhigen Gegenpool bildet Manfred Loydot. Sein Spiel ist ruhig und bedacht und er versucht so gut es geht zu vermitteln.
Erik Arnó verkörpert einen klassischen Italiener. Ständig in Flirtlaune nutzt er jede Gelegenheit sich als Macho und Verführer zu behaupten. Thomas Erlmoser gibt den introvertierten etwas zurückhaltenden Schauspieler.
René Huget ist der Darsteller ohne jegliche Starallüren. Dennoch kann er gekonnt unterschwellig austeilen.
Anita Hofmann hat es bei so viel Männerpower wahrlich schwer. Als Boss zeigt sie ihnen die kalte Schulter. Kühl und besonnen führt sie die Truppe durchs Stück und muss so einige Allüren ihrer Kollegen meistern.
Das Premierenpublikum zeigte sich von der Produktion und den Schauspielern Erik Arnó, René Rumpold, Manfred Loydolt, René Huget, Thomas Erlmoser und Anita Hofmann (Schauspielerin, Produktionsleitung, Regie) begeistert.
OCULTO bietet jede Menge Emotionen und ist eine klare Empfehlung für den Herbst.
Nähere Infos und Folgetermine unter www.oculto.at
6 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotocredits: Marcel Plavec
27.07.2020 - Haus der Musik, Wien
DIE BREMER STADTMUSIKANTEN
Das neue Mitsing-Musical von Gernot Kranner
Bekanntlich sind die Kinder die Zuschauer von morgen. Umso wichtiger ist es, diese schon früh für jegliche Kunstform zu begeistern.
Entertainer, Sänger und Schauspieler Gernot Kranner und Musiker und Pianist Walter Lochmann haben es sich schon vor Jahren zur Aufgabe gemacht, mit pädagogisch wertvollen „Mitsing-Musicals" die Jüngsten zu fördern.
Für die Geschichten bedienen sich die beiden dabei bei altbekannten Märchen. So entstanden bereits sehr erfolgreiche Adaptionen von „Peter Pan", „Der gestiefelte Kater", „Pinocchio", „Mogli und das Dschungelbuch", „Robin Hood", aber auch „Opernwerkstatt, Die Zauberflöte", in der Mozarts berühmteste Oper kindgerecht aufgearbeitet wird.
DIE BREMER STADTMUSIKANTEN ist das neueste Werk des Erfolgsduos, von dem leider durch den Corona-Lockdown von März bis Juni etliche Vorstellungen abgesagt werden mussten.
Nachdem also alle lange auf ein Live-Bühnenerlebnis verzichten mussten, hatten nun die kleinen Bürger der Gesellschaft die Möglichkeit Theaterluft zu schnuppern.
Aus dem Haus der Musik ertönte am 25. Juli schallendes Kinderlachen, denn Gernot Kranner trat gemeinsam mit Komponist und Musiker Walter Lochmann mit einem neuen Mitsing-Musical auf: DIE BREMER STADTMUSIKANTEN.
Nicht nur die Kleinen waren hellauf begeistert von der Interpretation des Stückes. Auch Eltern und Großeltern wurden direkt in die Welt des Märchens gezaubert. Wie in jedem Stück, das Gernot Kranner inszeniert, steckt auch in diesem viel Herzblut. Doch wie beginnt man am besten mit einer Geschichte? Direkt ins Geschehen eintauchen oder sich langsam verzaubern lassen? Bevor das Märchen begann, wurden die Kinder gefragt, wie sie in der Früh geweckt werden. Von den Eltern? Den Großeltern? Vielleicht sogar von den Haustieren? Oder von einem Hahn, wie auf einen Bauernhof? Und wer auf dem Bauernhof lebt, ist unter anderem der Esel von den Bremer Stadtmusikanten. Und so fängt alles an.
Im Laufe der Geschichte bekommt der Esel mehr und mehr Gesellschaft, unter anderem von einem vergesslichen Hund, einer fast zahnlosen Katze und einem immer verschlafenen Hahn. Melodien, wie das „Räuberlied“ oder das „Einschlaflied" waren für alle eindringlich und blieben einem noch den ganzen Tag im Gedächtnis.
Unterstützt wurde Gernot Kranner auf der Bühne von vier Puppen mit individuellem und extravagante Outfits, die dem Ganzen noch eine moderne Note verliehen - wie etwa der Hund mit Shorts und T-Shirt. Pointen, wie die Aussagen die „halb vegane“ Katze brachten nicht nur die Kinder zum Schmunzeln.
Walter Lochmanns musikalische Beiträge hatte von leisen langsamen Tönen bis lauter und flotter Klängen alles zu bieten. Für jeden Geschmack war etwas dabei.
Beim Schlaflied der Katze mussten die Kleinen helfen, diese zum Einschlafen zu bewegen. Denn diese plagte das Heimweh. Als sie schließlich einschlief lag sie auf Gernots Armen wie ein Neugeborenes. Für einen Moment herrschte stille und Glückseligkeit im Raum. Als Künstler kann man viel lernen: Gesang, Schauspiel, Timing, aber Menschlichkeit und Einfühlungsvermögen muss einen in die Wiege gelegt werden. Und davon hat Gernot Kranner reichlich. Bei besuchter Vorstellung war ein kleines Mädchen im Zuschauerraum so begeistert, dass sie auf die Bühne stieg und mitmachte. Wie geht man in so einer ungeplanten Situation um? Gernot entschied sich, mit Freuden das Mädchen mit einzubeziehen. Und diese Freude die sie dabei empfand, war unbeschreiblich.
Wer seinem Kind etwas musikalisches und pädagogisch Wertvolles auf den Weg geben will, sollte auf jedenfalls die Mitsing-Musicals besuchen.
Gernot Kranner ist nicht nur ein hervorragender Schau- und Puppenspieler spieler, er macht weitaus mehr. Mit seiner stets positiven Einstellung vermittelt er dem Publikum eine gewisse Sicherheit oder besser gesagt Lebensart. Es ist vollkommen in Ordnung in einer noch so perfekt erscheinenden Welt nicht alles zu Wissen und Fehler zu machen. Denn das Wichtigste ist doch, einfach Spaß zu haben und glücklich zu sein. Und was gibt es Schöneres als in funkelnde Kinderaugen zu sehen und zu spüren, wie sehr sie den Moment genießen. In den knapp 60 Minuten konnten alle ihre Sorgen und Probleme vergessen und in die Welt der Märchen eintauchen.
Die Shows können auch für Schulen, Kindergärten, Theater und Feste gebucht werden.
Kontakt:
Gernot Kranner
Obere Augartenstraße 46/ 32
1020 Wien
eMail: gernot.kranner@aon.at
6 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Elisabeth Springer; Fotocredits: Michaela Springer
24.07.2020 - Steyr (OÖ)
MUSICAL FEVER
Das Juke-Box-Musical in Steyr
Nach langer Musicalabstinenz im Lande setzte Steyr nun das Statement, dass Kultur sehr wohl systemrelevant ist.
Am 23. Juli war es also endlich soweit. In Oberösterreich ist das MUSICAL FEVER ausgebrochen.
Das Konzept und die Inszenierung von Intendant Karl-Michael Ebner, Jürgen Kapaun, Markus Richter und Nik Raspotnik sind einfach aber effektiv.
Als Protagonist*innen agieren Daniela Dett, Sandra Bell, Markus Richter, Jürgen Kapaun und Nik Raspotnik.
Die Story:
In der tristen Zeit von Corona erträumt sich Markus auf einer einsamen Bühne mit seinem Freund Jürgen den idealen Musicalabend, bei dem die Künstler*innen noch im Scheinwerferlicht gesungen und getanzt haben und vom Publikum gefeiert wurden. Eine Jukebox, welche im Theater verblieben ist, kommt ihnen dabei sehr gelegen. Aus den zahlreichen Songs und mit Unterstützung lieber Schauspielkolleginnen zaubern sie sich ihre eigene Show.
Daniela Dett, nominiert als „Beste Hauptdarstellerin“ beim Deutschen Musical Preis und Trägerin der Richard Tauber Medaille, wächst von Rolle zu Rolle und hat sich mittlerweile zu einer Powerfrau mit natürlichem Charme und enormer Bühnenpräsenz entwickelt. Ihre Interpretationen von „Ich gehör nur mir“ (Elisabeth) und „Milord“ (Piaf) gehörten zu den Highlights des Abends.
Die gebürtige Kölnerin Sandra Bell verbreitete jede Menge positive Energie. Bei ihren Darbietungen wäre eine persönliche Note jedoch wünschenswert gewesen – „Ich hätt´ getanzt heut´ Nacht“ (My Fair Lady), „Irgendwo wird immer getanzt“ (Mozart!).
Der Oberösterreicher Nik Raspotnik lernte sein „Handwerk“ unter anderem am Bruckner Konservatorium und sorgte mit „Dies ist die Stunde“ für Gänsehautfeeling. Zu seiner Leidenschaft zählen auch die Interpretationen bekannter Persönlichkeiten. Sein „Amadeus“ (Falco) mutete stimmlich allerdings etwas skurril an. Allerdings machte er mit „Im Weißen Rössl“ Peter Alexander alle Ehre. Das Lied aus dem Singspielklassiker von Ralph Benatzky wurde zur wunderbaren Hommage an den 2011 verstorbenen Entertainer.
Markus Richter, Musical-Urgestein, sowie Regisseur und musikalischer Leiter der Musiktheaterproduktionen auf der Wiener Tschauner Bühne (u.a. Pflanz der Vampire) versuchte als Tod die Habsburger Kaiserin (Daniela Dett) in „Wenn ich tanzen will“ zu verführen und ihren Sohn (Jürgen Kapaun) in einer homophilen-Version von „Die Schatten werden länger“. Der Tod als androgynes Wesen ist geschlechtsneutral, Kronprinz Rudolf jedoch war bekanntermaßen ein Frauenheld. Ihn als homosexuell darzustellen, war unpassend und mutete eigenartig an. Doch da es Markus Traum ist kann sich schon mal Wirklichkeit und Fantasie vermischen.
Der Niederösterreicher Jürgen Kapaun ist in der Musicalszene als Sänger, Schauspieler und Autor sehr vielseitig unterwegs. Begeistern konnte er das Publikum mit „Ein bissl für´s Hirn und ein bissl für´s Herz“.
Bei allen fünf war die Spielfreude der Darsteller, nach so langer Bühnenabstinenz, spürbar. Auch wenn teilweise die Musik Phasenweise etwas zu laut vom Band kam, minderte dies nicht die Begeisterung bei den Zuschauer*innen, welche erfreut waren, endlich wieder Musiktheater live erleben zu dürfen. Und wie Pablo Picasso schon sagte: „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“.
Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer meinte am gestrigen Abend „Die echten Kapriolen schlägt das wirkliche Leben. Kultur gibt den nötigen Schwung und die Lebensfreude für den Aufschwung. Das Musikfestival Steyr gibt uns diesen Sommer den Takt für das Wiederhochfahren der Kulturszene vor.“ Und Musicaldarsteller Ramesh Nair zeigte sich ebenfalls hoch erfreut, endlich wieder live Kultur zu erleben und die Musik zu genießen. Er nützt diesen Sommer, wenn er selbst nicht gerade auf der Bühne steht, um seinen Kolleginnen und Kollegen zu gratulieren.
Bis einschließlich 8. August 2020 haben Besucher noch die Möglichkeit, sich mit dem MUSICAL FEVER anstecken zu lassen. Ein Besuch lohnt sich.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotocredits: Foto City
10.02.2020 - Wien/ Bank Austria Halle Gasometer
ADEL TAWIL:
ALLES LEBT-Tour 2020
Seine vergangenen beiden Touren, „Lieder“ und „So schön anders“ haben über zwei Millionen Zuschauer begeistert.
Die letzte Station seiner aktuellen ALLES LEBT-Tour 2020 führte den deutschen Pop Sänger auch nach Wien. In der Bank Austria Halle im Gasometer hatten die Fans am 31. Jänner die Möglichkeit ihren Star einmal leibhaftig auf der Bühne zu erleben.
Für den sympathischen Songwriter, Produzent und Sänger ist es stets etwas ganz Besonderes vor so vielen Menschen zu spielen: „Ich liebe es, bei Konzerten direkt die Resonanz auf meine Songs zu sehen. Glückliche Gesichter jeden Alters, die alle Songs mitsingen - Musik ist universell und verbindet. In meinen Texten steckt viel Persönliches und das Feedback zeigt mir, dass sie nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregen kann."
Bei der ALLES LEBT-Tour präsentierte Adel Tawil eine bunte Mischung aus seinem neuen Album und einigen älteren Werken und eroberte damit nun auch die Herzen der Wiener*innen.
Dabei hat er die Klassiker in Teils neues Gewand gepackt: „Die Songs der vergangenen Alben haben sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Musik, Sound und der persönliche Geschmack haben sich verändert.“ Dies erklärt auch, warum Adel Tawil stets neue Fans dazugewinnen kann.
Zu Beginn wurde das Publikum mit dem Titel „Katsching“ eingestimmt. Hinter den Liedern steckt zumeist mehr als nur eine Ballade oder fetzige Nummer. Hinter jedem Song verbirgt sich auch eine Botschaft. So beschreibt der Künstler bei dem oben bereits erwähnten Song den Kaufkonsum der Gesellschaft. Natürlich durften Lieder wie „DNA“ und die etwas ältere Nummer „Stadt“ nicht fehlen. Doch nicht immer stand Adel Tawil als Solokünstler auf der Bühne. Zusammen mit der Sängerin PEACH performte er „Tu m'appelles“. Eine Überraschung des Abends war der vielleicht nicht so gängige Titel „Ich will nur, dass du weißt“. Im Text beschreibt Tawil den Liebesschmerz und das Loslassen einer geliebten Person. Dazu hatte er auch eine kleine Anekdote zu berichten. Jetzt, da er frisch gebackener Vater ist, muss man natürlich auch auf seine Ausdrucksweise achten. Das machte sich insbesondere bei der Strophe „ … Und, dass ich dich liebe und so'n Sch…“ bemerkbar. Aus Rücksicht auf die jüngeren Fans im Publikum nannte er nur die ersten drei Buchstaben und ansonsten hält er sich den Finger vor den Mund. Natürlich zur Belustigung der Kinder, welche die Texte oftmals genau so gut wie ihr Vorbild kennen und tatkräftig mitsangen. Ein kleines Mädchen aus der ersten Reihe fiel ihm dabei besonders auf und wurde zu ihm auf die Bühne geholt. Sie durfte den Rest der Show auf der Bühne sitzen und sich auch ein Lied wünschen. Dazu bekam sie auch ein Goodiebag von ihrem Idol und sein Handtuch.
Dass Tawil ein herzlicher Mensch ist, macht sich nicht nur bei seinen zahlreichen Interviews bemerkbar. Auch während des Abends bezog er stets das Publikum mit ein. Es entstand somit keine typische Künstler und Fan-Atmosphäre sondern man hatte das Gefühl auf einem großen Familientreffen zu sein.
Bei der Zugabe ließ es sich Tawil nicht nehmen zu den körperlich eingeschränkten Fans zu gehen um mit ihnen zu singen. Danach ging er mitten durchs Publikum und feierte mit ihnen zu dem Song „1000 gute Gründe“. Die Stimmung war am Höhepunkt. Es wurde getanzt, getrunken und den Gefühlen freien Lauf gelassen. Wir hoffen auf ein baldiges Wiederkommen und sagen Danke für diesen großartigen Abend.
sympathisch-stimmige Kritik: Elisabeth Springer; |