30.11.2024 - Scala/ Wien
STOLZ UND VORURTEIL*(*oder so ...)
Isobel McArthur hat mit der Bühnenadaption STOLZ UND VORURTEIL* (*oder so …) eine herrlich absurde Version des Jane Austen-Klassiker geschaffen, der am 30. November in der Scala Wien Premiere feierte. Hier wird keine historische Nacherzählung geboten, sondern eine freche und zeitgenössische Interpretation.
Die Grundgeschichte blieb erhalten, nur wird diese aus der Sicht der fünf weiblichen Dienstboten erzählt, die in sämtliche Rollen schlüpfen. Die Handlung wurde mit modernen Elementen, wie Popmusik-Performances und bissigen Dialogen versetzt.
Die Charaktere, vor allem Elisabeth Bennet, gewinnen durch diese Neuinterpretation eigensinnige Frische. Mit unerwarteten Pop-Songs, die die Szenen kommentieren verwandelt sich das Stück in eine überraschende und teilweise mitreißende Show. Der Reiz an dieser Version ist die schrille plakative Comedy. Es ist keine ehrfürchtige Adaption des Originals, sondern eine groteske und wilde Neuschöpfung.
Janet Bennett (Anaïs Marie Golder) bleibt auch in dieser Version charmant und sanftmütig, um stets die Harmonie zu behalten. Doch hinter ihrer scheinbaren Perfektion, verbergen sich innere Kämpfe des Zweifels, Frustration und Unsicherheit.
Clara Lou Kindel als Elisabeth Bennet verleiht der Rolle eine Mischung aus scharfem Witz, Selbstbewusstsein und emotionaler Tiefe. Beeindruckend die ruhigen Momente, in denen sie ihre Unsicherheit und Verletzlichkeit offenbart.
Mr. Darcy (Henriette Rauth) ist eine faszinierende Mischung aus Arroganz und verletzlicher Zurückhaltung. Während des strikten abweisenden Verhaltens im ersten Akt, entwickelt sich seine Figur im zweiten Teil zu einem glaubhaft kompakten Charakter.
Seine Schwester und sein bester Freund, Mr. Collins sind groteske Abbilder der besseren Gesellschaft, so wie das Personal sie interpretiert.
Die schauspielerischen Leistungen von Anaïs Marie Golder (Jane Bennet, Lady de Bourgh), Clara Lou Kindel (Elisabeth Bennet), Henrietta Rauth (Mrs. Bennet, Mr. Darcy), Soi Schüssler (Mr. und Miss Bingley), Katharina Stadtmann (Mary, Lydia Bennet, Mr. Collins) sind ein Paradebeispiel für modernes Theater: verwegen, unterhaltsam und gleichzeitig respektvoll gegenüber dem literarischen Erbe.
Unter der Regie von Rüdiger Hentzschel und der Choreografie von Bettina Soriat wurde der Stoff mit Esprit und Charme zu neuem Leben erweckt. Die gesanglichen Schwächen der Darstellerinnen verstärken hier die groteske Situation noch mehr, und wirken daher sehr passend.
Das Bühnenbild unterstreicht den ironischen Ton der Inszenierung und spiegelt die Charaktere und ihre Konflikte wider. Durch bewegliche Elemente verwandeln sich die Räume nahtlos. Besonders hervorzuheben sind die bewusst überzogenen Requisiten wie etwa ein Pferd aus Besen und Leiter, oder ein großer Fächer mit dem Vermerk BITCH.
STOLZ UND VORURTEIL* (*oder so …) ist eine frische freche und moderne Adaption des Originals, ein Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne. Ein mitreißender. Theaterabend, der zeigt, dass Klassiker eben zeitlos sind.
Das Stück ist noch bis 20.12. in der Scala zu sehen.
5 von 6 Sternen: ★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Bettina Frenzel
Mehr Infos unter: www.theaterzumfuerchten.at