Laura Panzeri

03.10.2025 - Stadttheater Baden/ NÖ

WICKED
Österreichische Erstaufführung

Am 3. Oktober 2025 feierte das Musical WICKED von Stephen Schwartz (Musik, Liedtexte) und Winnie Holzman (Buch) im Stadttheater Baden seine österreichische Erstaufführung und eröffnete zugleich die neue Saison unter der künstlerischen Leitung von Andreas Gergen. Mit dieser Produktion stellt sich das Haus nicht nur einem internationalen Erfolgsstück, sondern auch der Herausforderung, ein vielfach ausgezeichnetes Musical in einem neuen Kontext zu verankern.

Gergen gelingt ein selbstbewusster Beginn seiner Intendanz. Seine Inszenierung ist keine bloße Kopie, sondern schafft eine eigenständige ästhetische Erfahrung. Klar strukturierte Bilder, prägnante Gestaltungselemente und eine fein austarierte Balance zwischen epischem Erzählbogen und emotionaler Intimität prägen den Abend.

Mark Seibert, Vanessa Heinz

Momme Hinrichs’ Bühnenbild öffnet Räume mit atmosphärischen Farbwechseln zwischen düsterer Magie und glitzernder Übersteigerung; ohne in Überladenheit zu verfallen. 

Claudio Pohles Kostüme akzentuieren die Figurencharakteristik. Elphabas Gewänder betonen Kraft und Anderssein, Glindas Kleider stehen für Leichtigkeit und glanzvolle Farbigkeit. So wird das zentrale Thema von Differenz und Identität visuell erfahrbar.

Die Choreografien von Francesc Abos verbinden Tanz und Bewegungssprache mit der Narration. Gruppenbilder erscheinen als Ordnungsgefüge, aus denen Figuren hervortreten oder sich isolieren, ein wirkungsvolles Sinnbild für das Spannungsfeld von Gemeinschaft und Außenseitertum, das den Stoff grundiert.

Unter der musikalischen Leitung von Sebastian de Domenico erreicht die Partitur eine bemerkenswerte Klarheit und Dynamik. Orchester, Chor, Tanzensemble und die Young Artists der Bühne Baden schaffen eine dichte musikalische Textur, die von orchestraler Fülle bis zu subtilen Zwischentönen reicht. Sorgfältige Lautstärkeabstimmungen lassen auch leise Momente entfalten, wodurch emotionale Schattierungen spürbar werden.

Laura Panzeri

Laura Panzeri’s Elphaba ist verletzlich, zornig und von stiller Integrität geprägt, eine Figur, die aus innerem Antrieb handelt, nicht aus Eitelkeit.
Panzeri, in Italien längst etabliert, überzeugt durch darstellerische Klarheit und musikalische Intelligenz. Sie verzichtet auf Pathos und findet so zur leisen Kraft der Rolle. In Defying Gravity verwandelt sie die bekannte Hymne in einen Akt innerer Befreiung, kontrolliert, ehrlich, berührend. Auch schauspielerisch zeigt Panzeri eine eindrucksvolle Präsenz. Ihre Körpersprache bleibt konzentriert, ihr Spiel nuanciert. Im Zusammenspiel mit Vanessa Heinz als Glinda entsteht eine glaubhafte Dynamik zwischen Rivalität und Freundschaft. Panzeri beherrscht die Kunst, zu strahlen, ohne das Ensemble zu überstrahlen und macht ihre Elphaba zur moralischen wie menschlichen Mitte der Produktion.

Vanessa Heinz setzt als Glinda den idealen Kontrapunkt. Ihr heller Sopran bringt Leichtigkeit und Glanz, doch sie meistert ebenso die leisen, reflektierten Töne. Hinter der schillernden Fassade lässt Heinz feine Risse aufscheinen, sie zeigt eine Glinda, die im Laufe des Abends Reife und Verantwortungsbewusstsein gewinnt.

Timotheus Hollweg, Vanessa Heinz, Anna Rosa Döller, Laura Panzeri, Ensemble

Timotheus Hollweg als Fiyero ergänzt das Duo mit charmanter Bühnenpräsenz und stilsicherem Tenor. Seine Figur wirkt weniger als bloßer Liebhaber, sondern als Katalysator für die innere Wandlung beider Frauen. Hollweg spielt den Prinzen mit lässiger Eleganz, meidet Klischees und bringt dem Stück genau jene Erdung, die es im zwischenmenschlichen Geflecht braucht.

Mark Seibert verleiht dem Zauberer eine faszinierende Ambivalenz. Mit charismatischer Autorität, präziser Artikulation und samtig-gefärbter Stimme zeigt er einen Machtmenschen, der zwischen Manipulation und Selbstrechtfertigung changiert.

Anna Rosa Döller, Maya Hakvoort, Jens Emmert, Vanessa Heinz

Maya Hakvoort gibt Madame Akaber genau die Mischung aus Eleganz, Berechnung und unterschwelliger Kälte, die diese Figur braucht. Ihr Spiel ist kontrolliert, ihre Stimme klar gezeichnet, sie füllt die manipulative Lehrmeisterin mit jener souveränen Bühnenenergie, die man von ihr kennt.

Beppo Binder verleiht Dr. Dillamond moralisches Gewicht, während Anna Rosa Döller als Nessarose den inneren Konflikt zwischen Zuneigung und Machtanspruch differenziert sichtbar macht.

Beppo Binder, Ensemble

Die Inszenierung reflektiert die zentralen Themen Freundschaft, Macht, Außenseitertum und die Konstruktion von Wahrheit, nicht nur inhaltlich, sondern auch ästhetisch. Sie verdeutlicht, wie gesellschaftliches Urteil und persönliche Integrität unauflöslich miteinander ringen. Themen, welche in der heutigen Zeit erneut verstärkt zum Tragen kommen.

Die deutschsprachige Adaption (Gesangstexte: Michael Kunze, Dialoge: Ruth Deny) bleibt dem Original weitgehend treu, offenbart jedoch mitunter leichte Längen. Insgesamt präsentiert sich WICKED in Baden als geschlossenes Gesamtkunstwerk, das Unterhaltung und Reflexion in Einklang bringt.

Laura Panzeri, Anna Rosa Döller

Mit dieser Premiere setzt das Stadttheater Baden ein deutliches Zeichen: Musiktheater darf mehr sein als spektakuläre Effekte.
WICKED überzeugt hier durch Spielfreude, künstlerische Integrität und die seltene Fähigkeit, das Publikum gleichermaßen zu fesseln und zum Nachdenken anzuregen, ein Auftakt, der weit über die Stadt hinaus Strahlkraft entfalten dürfte.

WICKED steht noch bis 30.4.2026 auf dem Spielplan des Stadttheaters Baden.

6 von 6 Sternen: ★★★★★★     Kritik: Michaela Springer
                               Fotos: Lalo-Jodlbauer/ YAY Creative

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www.buehnebaden.at







 

 

 

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